Frankfurter Buchmesse:Die vergessene Zeitenwende

Frankfurter Buchmesse: Der ukrainische Schriftsteller, Dichter und Übersetzer Serhij Zhadan erhielt in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Der ukrainische Schriftsteller, Dichter und Übersetzer Serhij Zhadan erhielt in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

(Foto: Regina Schmeken)

"Was soll Europa überhaupt sein, wenn es nicht einmal Raketen auf Babyn Jar verhindern kann?" Auf der Frankfurter Buchmesse verzweifelten Autoren reihenweise an der deutschen Ukraine-Politik.

Von Felix Stephan

In ihrem gerade erschienenen Essayband erzählt die ukrainische Autorin Tanja Maljartschuk an einer Stelle, wie sie im Jahr 2022 über den Wiener Hauptbahnhof läuft. Die Halle ist gefüllt mit ukrainischen Flüchtlingen, Müttern, Töchtern und "zehnjährigen Buben mit dicken bunten Jacken und gefütterten Hosen, als hätten sie vor, in Österreich einen verspäteten Skiurlaub zu verbringen". Der Anblick führt sie gedanklich zurück in das Jahr 1919, in dem eine freie Ukraine schon einmal von den Russen überfallen worden war. Insgesamt 50 000 ukrainische Geflüchtete hätten sich damals in Wien aufgehalten, darunter Anwälte, Schriftsteller, Wissenschaftler. In Hotels und Pensionen wollten sie ausharren, bis sich die Russen aus ihrem Land zurückgezogen hätten. Aber die Russen blieben, die Zeit wurde lang, das Geld knapp, die Pelzmäntel wurden versetzt, und die ukrainische Diaspora verstreute sich in alle Winde. "Auch darum", schreibt Maljartschuk, "darf sich der Untergang, vor dem die Ukraine erneut steht, nicht wiederholen."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusFriedenspreis an Serhij Zhadan
:Alltag einer brennenden Stadt

"Dies ist ein Vernichtungskrieg und wir haben nicht das Recht, ihn zu verlieren": Ein Treffen mit dem Friedenspreisträger Serhij Zhadan, dessen Tagebücher aus Charkiw schon jetzt zum Besten gehören, was man aus der Ukraine heute lesen kann.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: