Süddeutsche Zeitung

Frankfurter Buchmesse:Spanien in acht Büchern

Aus dem Gastland der Frankfurter Buchmesse sind in diesem Jahr zahllose Bücher ins Deutsche übersetzt worden. Hier sind unsere Favoriten.

Von Lilly Brosowsky

1. Javier Marías - Tomás Nevinson

Ein Undercover-Agent vom britischen Auslandsgeheimdienst MI6 reist in einen kleinen Ort in Nordspanien, um eine Terroristin zu identifizieren. Seine Tarnidentität: Englischlehrer. In gewohnter Manier verschränkt Javier Marías mit "Tomás Nevinson" das Genre des Geheimdienst-Thrillers mit jenem des bürgerlichen Eheromans. Im September starb Marías überraschend an Corona, dadurch stellt "Tomás Nevinson" nun den Abschluss eines großen erzählerischen Gesamtwerkes dar. Er füllt diese Rolle mühelos aus.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Sigrid Löffler.

2. Irene Solà - Singe ich, tanzen die Berge

Die junge Katalanin Irene Solà ist Naturdichterin. Was das heißt? In ihren Geschichten fühlen und erzählen Steine, Wolken, Totentrompeten, Wasserfrauen, Rehe und Hunde. Sie erzählt mosaikartig, in einem ganz eigenen Rhythmus, vom Leben an den kargen Hängen der spanischen Pyrenäen. Die schroffe Berg-Sprache bleibt in der Übersetzung von Petra Zickmann erhalten. So gelingt auch im Deutschen der fließende Übergang von Realität zu Magie, wenn Solà von Wolken erzählt, die, ohne es zu wollen, mit ihren Regengüssen Schnecken ertränken oder einen Mann durch Blitzschlag töten.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Karin Janker.

3. Antonio Muñoz Molina - Tage ohne Cecilia

Nach "9/11" reist Bruno von New York nach Lissabon, um dort ein neues Leben für sich und Cecilia aufzubauen. Cecilia soll nachkommen. Tut sie aber nicht. Bruno bleibt allein, spricht alleine, denkt alleine vor sich hin. Antonio Muñoz Molina, der Festredner bei der Frankfurter Buchmesse ist, entwirft ein melancholisches Beziehungsdrama, das sich allein aus Brunos Blick und Gedanken zusammensetzt. Cecilia wird in erinnerten Gesprächen zum Sinnbild der rationalen Wissenschaft und wächst damit immer mehr zu Brunos Gegenpart, der sich zunehmend in seine Gedankenwelt zurückzieht. Molina schrieb den Roman vor der Pandemie, vor "Fridays for Future" und vor dem Ukrainekrieg. Heute liest er sich wie eine Prognose.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Insa Wilke.

4. Manuel Vilas - Was bleibt, ist die Freude

Manuel Vilas wurde mit "Eine Reise nach Ordesa" schlagartig über die spanischen Grenzen hinaus bekannt. Mit der lyrischen Ersatzwelt "Ordesa" holt er sich Vergangenes verklärt zurück, es ist eine Welt mit eigenen Regeln, die er in "Was bleibt, ist die Freude" weitererzählt. Teilweise. Teilweise ist es auch Tagebuch der "Ordesa"-Lesereise, teilweise Reflexion über Arnold Schönberg, der synonym für Vilas' Depression steht - oder ist es überhaupt seine eigene? Die Grenzen zwischen Realität, Fiktion und Delirium verschwimmen. Großer Gegenspieler von Arnold sind kleine Geschichten der Freude, Erinnerungen an die Kindheit in "Ordesa".

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Samir Sellami.

5. Fernando Aramburu - Die Mauersegler

Terrorismus, Klimakrise, Sexismus, Probleme mit der Familie und dem Leben als Ganzes: Es wird kein schweres Thema ausgelassen. Dennoch erzählt Fernando Aramburu das Leben seines Protagonisten Toni leichthin, witzig, surreal, geradezu vor Lebenslust strotzend. Toni hat den Plan gefasst, sich umzubringen, der Tag steht schon fest. Ein Jahr gibt er sich noch, in dieser Zeit schreibt der gelangweilte Philosophielehrer jeden Tag "ein paar literarisch anspruchslose Zeilen" über die wenigen Menschen in seinem Umfeld, über sexuelle Vorlieben, über Spanien, das "erbärmliche Land", über alles, was ihm durch den Kopf geht.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Reinhard J. Brembeck.

6. Ana Iris Simón - Mitten im Sommer

Ana Iris Simón gehört zu der Generation Spaniens, die weiß, dass sie es nicht besser haben wird als ihre Eltern. Spaniens Jugend fehlen nach der Finanzkrise 2008 die Perspektiven, die Arbeitslosigkeit ist hoch - das ist das Thema der Autorin. Der autobiografische Roman "Mitten im Sommer" wagt den Blick zurück auf das bessere "Früher", auf die Familiengeschichte, das Leben der einfachen Leute. In der Autobiografie spiegelt sich Simóns politisches Engagement. Sie schreibt über ihre, die vergessene und übergangene Generation, auch in einer Kolumne bei El País.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Karin Janker.

7. Sara Mesa - Eine Liebe

Die Landschaft ist karg, das Haus trist. Natalia ist aufs Land gezogen, in Südspanien. Irgendwie weiß sie nicht so recht, wohin mit sich selbst, aber sie findet sich ein in das seltsame kleine Dorf, in das sonst niemand freiwillig zieht. Eher überraschend kommt es zu ihrem sexuellen Wiedererwachen. Natalie beginnt eine Affäre, steigert sich hinein, platzt fast vor Eifersucht. Alles wird nun zu einem Zeichen, jeder Berg, jedes Wort des Theaterstücks, das sie gerade übersetzt. Mesa treibt die Geschichte zur Eskalation.

Lesen Sie hier die ganze Rezension von Meike Feßmann.

8. Martin Koppenfels und andere Herausgeber - Spanische und hispanoamerikanische Lyrik

Die Edition "Spanische und hispanomerikanische Lyrik" ist ein Lusterlebnis und Begegnung mit dem Magischen, Provokanten, Göttlichen. Die spanische Lyrik ist vielfältig, aber in Deutschland oft so gut wie unbekannt. Man denke nur an Sor Juana Inés, die immer noch als "zehnte Muse Mexicos" verehrt wird, ihre Texte, barocker Furor, ziehen Lyrikbegeisterte noch heute in ihren Sog. Den Lesenden eröffnet die 2400-seitige zweisprachigen Edition in zumeist hervorragender Übersetzung Weltanschauung, Philosophie und Leidenschaft aus 900 Jahren spanischer und hispanoamerikanischer Geschichte.

Lesen Sie hier die ganze Rezension von Reinhard J. Brembeck.

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