"Frankenweenie" im Kino:Robuste kleine Seelen

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"Zu düster": Vor 30 Jahren packte Disney einen Kurzfilm von Tim Burton über einen Jungen und seinen toten Hund in den Giftschrank. Heute hat sich der Gothic Style durchgesetzt - und Burton darf im Animationsfilm "Frankenweenie" endlich Untote, Geister und Monster auf die Kinder loslassen.

Von Anke Sterneborg

Ein süßes Grauen kriecht derzeit durchs einst so niedliche Animationskino. Untote, Geister und Monster unterwandern das Kinderland, von "Corpse Bride" über "Paranorman" bis zum "Hotel Transsylvanien". Vor etwa dreißig Jahren hätte man sich eine solche Invasion noch keinesfalls vorstellen können.

Damals, 1984, drehte Tim Burton für Disney einen knapp dreißigminütigen Realfilm über einen Jungen namens Victor Frankenstein, der den Tod seines geliebten Hundes Sparky nicht hinnehmen will - und nach dem Vorbild seines großen Namensvetters mit komplizierten Apparaturen und Gewitter-Energie daran geht, ihn wieder in die Welt der Lebenden zurückzuholen.

"Zu düster" befanden die Studiobosse, was man ausführlicher in dem wunderschön mit Zeichnungen und Fotos illustrierten Band "Tim Burton - Der melancholische Magier" nachlesen kann (29,99 bei Quadriga). Statt das Kinderhorror-B-Picture wie geplant als Vorfilm von "Pinocchio" zu starten, steckten sie es in den Giftschrank. Danach wusste Burton endgültig, dass seine Zeit bei Disney zu Ende war.

Mainstreamfähiger Gothic Style

Wie seine Kollegen Henry Selick und Brad Bird zog er weiter, um seine Phantasien anderswo auszuleben. Die Ironie des Schicksals ist es, dass der Erfolg seiner "Alice in Wonderland" ihm nun ausgerechnet bei Disney eine Art Carte Blanche verschafft hat, eine lange Version von "Frankenweenie" zu inszenieren - ganz nach seinen Vorstellungen, als aufwendige Stop-Motion-Animation in Schwarz-Weiß und 3-D: Der Gothic Style, so scheint es, ist mainstreamfähig geworden.

Und mit Terry Gilliam, der auch immer in diese Richtung gearbeitet hat, kann man feststellen: Kinderseelen sind möglicherweise sehr viel robuster, als die Unterhaltungsindustrie es bisher wahrhaben wollte. "Frankenweenie" ist für Burton eine Rückkehr in vieler Hinsicht - zu den Vororten von Los Angeles, deren deprimierende Ödnis sich als fruchtbar für sein Schaffen erwies; zu den frühen Inspirationen des klassischen Horrorkinos, zu seinen Anfängen als Dachkammer- und Keller-Regisseur. Gegen das Grauen der gespenstischen Middleclass-Gleichschaltung ist der Horror von Monstern und Mutationen das reine Paradies, eine Spielwiese für die Geschöpfe der Einbildungskraft.

Morbide Schauerlust und wissenschaftliche Neugier

Ganz besonders gilt das für Victor Frankenstein, der mit seinen traurigen Augen in eine feindliche Welt schaut und seine Kinderphantasie an Super 8-Filmproduktionen und Mad-Scientist-Experimenten austobt - so ähnlich wie es einst auch der kleine Tim Burton getan hat. Auf den Unfalltod seines geliebten Hundes reagiert Victor mit einer Mischung aus morbider Schauerlust und wissenschaftlicher Neugier.

Um den Kurzfilmplot auf Spielfilmlänge zu dehnen, bringt Burton nun noch eine ganze Schar von Klassenkameraden ins Spiel. Als sie Wind bekommen von Victors Zombiehündchen, fangen auch sie an, mit ihren verblichenen Haustieren Gott zu spielen, was dem Stadtfest eine kleine Monsterinvasion beschert. Während aber Victors Tun von Liebe und Trauer gesteuert war, sind die anderen Kinder von Gier und Ehrgeiz getrieben. Und wenn der skurrile, im Original von Martin Landau gesprochene Physiklehrer erklärt, dass nicht die Wissenschaft gut oder böse sei, sondern nur die Motive, mit der sie betrieben werde, dann ist das die Essenz eines ganzen Genres.

Nach einer Reihe von Filmen, in denen der visuelle Reichtum eine gewisse innere Leere kaschieren musste, ist Burton jetzt wieder ein Werk gelungen, in dem nicht nur subversiver Humor funkelt, sondern auch ein warmes Herz pulsiert. In glühendem Schwarzweiß und abgrundtiefem 3D erstrahlt ein Meisterstück, gespickt mit Referenzen ans klassische Horrorkino, vom buckligen Quasimodo-Kid bis zur Pudeldame mit der grauen Zickzacksträhne à la Frankensteins Braut.

Frankenweenie , USA 2012 - Regie: Tim Burton. Buch: John August. Kamera: Peter Sorg. Musik: Danny Elfman. Im Original mit den Stimmen von Martin Landau, Martin Short und Wynona Ryder. Verleih: Walt Disney Studios. 87 Minuten

© SZ vom 24.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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