200 Jahre Heinrich Schliemann:Ohne Zweifel Abenteurer

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Ein Leben wie von Karl May erfunden: der Archäologe Heinrich Schliemann (1822 - 1890) etwa im Jahr 1875. (Foto: Hulton Archive; Getty Images)

Frank Vorpahl porträtiert Heinrich Schliemann als Getriebenen, Großsprecher, Glücksritter und doch auch als Pionier.

Von Harald Eggebrecht

Ein Leben und Streben, als habe es der sächsische Fantast Karl May erfunden, so erscheint einem dieser Heinrich Schliemann aus Ankershagen in Mecklenburg, der es mit riskanten Spekulationen und Handelsgeschäften zum Multimillionär brachte, in Frank Vorpahls flüssig und spannend zu lesender Biografie. Eine stete Unruhe erfüllte diesen Mann, der als 14-jähriger Realschulabgänger loslegte im unbändigen Drang nach finanziellem Erfolg und bleibendem Ruhm. Er bereiste die Welt lebenslang so intensiv in alle Richtungen und Länder, dass er auch an Jules Vernes legendären Phileas Fogg, den ruhelosen Umfahrer der Welt in achtzig Tagen, erinnern mag. Ob China oder das gerade erst mit Kanonenbootgewalt geöffnete Japan, ob Nordafrika und ganz Europa, ob Indien, Indonesien oder Amerika, Schliemann war überallhin unterwegs, lernte schon als blutjunger Kontorsbote in Amsterdam gleichsam nebenbei alle möglichen Sprachen wie später auch Altgriechisch, Arabisch, Hebräisch oder Sanskrit.

Auch das klingt einen Hauch nach Karl May, der allerdings die zahllosen Sprachen, die er zu sprechen vorgab - "Lappländisch will ich nicht mitzählen", - nur in seiner Fantasie beherrschte. Schnell hatte Schliemann in Russland Erfolg, machte er im kalifornischen Goldrausch kräftig Geld mit der Gründung einer Bank für Goldhandel. Er heiratete unglücklich, seine russische Frau blieb ihm gegenüber kalt. Der Satz "Nach einem Jahr Ehe mußte ich meine Kinder mit Gewalt erzwingen", klingt nicht gut. Er verdiente am Krimkrieg Millionen und wollte es dann in den Mitvierzigern seines Lebens weniger aufreibend haben als der vom ständigen Risiko gepeinigte Millionär und Karriere als Reiseschriftsteller machen.

Bis heute gibt es diesen Risikotyp des Schatzsuchers und Forschers

Doch erst seine plötzliche Liebe zu Homers Epen "Ilias" und "Odyssee" und die darauf folgenden Versuche, die Existenz der mythischen Orte Ithaka oder Troja durch Ausgrabungen nachzuweisen und damit Homer als Schilderer realer Ereignisse zu installieren, brachte jenen bleibenden, doch bis heute fragwürdigen Ruhm. Vorpahl erzählt, wie Schliemann seine Idée fixe mit zweifelsfreiem Furor verfolgte, das Ausgraben brachial beginnt und so wider alle archäologischen Methoden der Dokumentation von Fundzusammenhängen verstößt, was ihm vor allem in Deutschland die Geringschätzung der Forscherzunft einbringt. Vorpahl macht klar, dass nicht einmal der "Schatz des Priamos", wie Schliemann seinen größten Fund genannt hat, archäologisch einwandfrei nachvollziehbar geborgen wurde. Schliemann war da der einzige Finder und Zeuge in einer Person. Wobei er noch seine zweite Frau, die junge Griechin Sophia, als Helferin herbeizauberte, obwohl sie zu der Zeit gar nicht am Grabungsort, sondern in Athen weilte.

Frank Vorpahl: "Schliemann und das Gold von Troja". Galiani, Berlin 2021. 368 Seiten, 24 Euro. (Foto: N/A)

Dass der Schatz gut tausend Jahre älter ist als das Troja des Priamos, erläuterte schon Wilhelm Dörpfeld, der Schliemanns spätere Grabungskampagnen wissenschaftlich fundiert durchführte. Das focht Schliemann nicht an, der aber mit seinen fortgesetzten aktuellen Grabungsberichten in der Augsburger Allgemeinen und anderen Blättern die Begeisterung für Ausgrabungsabenteuer weckte. Das hält bis heute die öffentliche Neugier an der glamourösen Seite der Archäologie wach. Dazu passt die Kriminalgeschichte des Verschwindens des "Priamosschatzes" nach 1945 und seines Wiederauftauchens nach der Wende im Moskauer Puschkin-Museum wunderbar, wie Frank Vorpahl lakonisch berichtet. Es wird diesen Abenteuer- und Risikotyp des Schatzsuchers und Forschers à la Schliemann weiter geben, bei dem das Aufsehenerregen die kleinteilige, aber grundlegende Arbeit seriöser Forschung oft zu überschatten droht. Man denke etwa an die problematischen Unternehmungen eines Thor Heyerdahl und daran, dass auch ein vergnügter Schwadroneur wie Erich von Däniken da nicht weit ist. Übrigens konzipierte der Architekt Ernst Ziller das Mausoleum für Schliemann in Athen. Und sein jüngerer Bruder Paul entwarf in Radebeul das Grabmal für Karl May.

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