Als Frank Auerbach, damals 25 Jahre alt, 1956 seine erste Londoner Einzelausstellung eröffnete, waren die Publikumsreaktionen gemischt: zu dicker Farbauftrag, unruhig und verwirrend. Der Kritiker David Sylvester sprach hingegen von der „aufregendsten und beeindruckendsten Debütausstellung eines englischen Malers seit Francis Bacon“. Allein die Kategorisierung als „englischer Maler“ war bemerkenswert. Frank Auerbach war 1931 in Berlin geboren worden und acht Jahre später mit dem Kindertransport nach England gekommen. Beide Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Er fand das erst Jahrzehnte später heraus und „verdrängte den Verlust erfolgreich“, wie er in einem seiner extrem seltenen Interviews behauptete.
1947 eingebürgert, begann er ein Jahr darauf seine Ausbildung in London. Bis 1952 studierte er erst in der Kunsthochschule St. Martin’s und besuchte anschließend bis 1955 das Royal College of Art. In dieser Zeit übernahm er von seinem Freund Leon Kossoff auch ein Atelier in Camden Town. Er behielt den nur zehn mal zehn Meter großen Raum ein halbes Jahrhundert lang und malte dort dem Vernehmen nach, so lange er es konnte, sieben Tage in der Woche. Frank Auerbach hatte einen Ruf als „a painter’s painter“, als Künstler also, den andere Künstler besonders schätzten. Das galt in besonderer Weise für einen weiteren gebürtigen Berliner, Lucian Freud, mit dem Auerbach eine lange und enge Freundschaft verband. Stilistisch unterschieden sie sich deutlich, da Auerbach sich immer am Rande der Semiabstraktion bewegte. Doch die Porträts beider leben von ihrer Tiefe und einem Desinteresse an konventioneller Schönheit.
Seine Partnerin Stella West saß ihm für ein einziges Porträt mehrere Jahre Modell
Auerbach war ein obsessiver Künstler und sein Arbeitstempo war berüchtigt für seine gletscherhafte Langsamkeit. Seine langjährige Partnerin Stella West saß ihm für ein einziges Porträt mehrere Jahre Modell. Er kratzte immer wieder die Farbe ab und legte eine neue Schicht nach, mit geradezu skulpturalen Ergebnissen. Porträts wie Landschaften ragen aus der Leinwand heraus und lösen sich doch in der Farbe auf, Inbegriff von Veränderlichkeit und Vergänglichkeit zugleich. Auerbachs Arbeiten waren stets Ergebnis einer minutiösen Psychologisierung der Welt.
Er liebte Nord-London, in das das Schicksal ihn verschlagen hatte, „so sehr wie andere ihre Haustiere lieben“ und verließ die Gegend sehr selten. Warum auch? Die intensive Beschäftigung mit einem einzigen Menschen oder Ort war schließlich das, was künstlerisches Schaffen für ihn ausmachte. Sein Ziel blieb dabei bis zum Schluss, etwas „bisher noch nie Festgehaltenes festzuhalten“, wie er einmal sagte. Am Montag ist Frank Auerbach im Alter von 93 Jahren gestorben.