François Truffaut zum 80.:Sie küssten und sie schlugen ihn

Er gilt als Mitbegründer der "Nouvelle Vague" und wirkte an mehr als 30 Filmen mit: Der französische Regisseur, Autor, Schauspieler und Oscargewinner François Truffaut wäre an diesem Montag 80 Jahre alt geworden. Der Ruhm war ihm nicht in die Wiege gelegt worden.

Martina Pock

"Ich kann an eine friedliche Koexistenz der "Tradition der Qualität" und eines Kinos der Autoren nicht glauben", so das Resümee von François Truffaut (1932 - 1984) in seinem Artikel Eine gewisse Tendenz im französischen Film. Als der französische Filmemacher 1954 diese seine Kampfschrift veröffentlichte, sparte er darin nicht mit Kritik an den französischen Drehbuchschreiber und legte damit den Grundstein für eine neue Stilrichtung, die "Nouvelle Vague".

Francois Truffaut, Google Doodle zum 80. Geburtstag

Der französische Filmemacher und Mitbegründer der "Nouvelle Vague", François Truffaut  (1932 - 1984).

(Foto: CINETEXT)

Zusammen mit Claude Chabrol, Jean-Luc Godard und Éric Rohmer propagierte François Truffaut eine Schule des Filmemachens, die sich vom traditionellen, vorhersehbaren und biederen Filmkino abwandte und den Filmemacher dazu aufforderte, sich an allen Schritten der Filmproduktion zu beteiligen, um einen eigenen persönlichen Stil zu entwickeln. Die Kamera solle vom Filmemacher wie ein Stift verwendet werden, denn bedeutende Schriften würde, so die Auteur-Theorie, nicht mehr als Text, sondern mit der "Kamera geschrieben" werden. Dementsprechend betätigte Truffaut sich nicht nur als Regisseur und Drehbuchautor, sondern auch als Kameramann, Filmkritiker, Schauspieler und Produzent.

Liebesgeschichten und Kindheitstraumata

Den 80. Geburtstag des Tausendsassas hat Google nun zum Anlass genommen, ein Google Doodle zu Ehren des Filmemachers auf seine Startseite zu bauen, und zwar ein recht außergewöhnliches. Mit drei hintereinander klickbaren Bildern erinnert die Suchmaschine an den 1984 verstorbenen Franzosen, der an diesem Montag 80 Jahre alt geworden wäre.

Das erste Bild in schwarz-weiß zeigt einen jungen Mann, der am Strand steht und aufs weite Meer hinausblickt. Dabei handelt es sich um eine Szene aus Truffauts ersten großen Film Sie küssten und sie schlugen ihn mit Jean-Pierre Léaud in der Hauptrolle. Das zweite Bild erinnert an eine Szene aus Jules und Jim, einer Dreiecks-Beziehung, die auf einer wahren Geschichte beruht. Das letzte Bild ist eine Remineszenz an den Antoine-Doinel-Zyklus mit den Filmen Antoinne und Colette, Geraubte Küsse, Tisch und Bett und Liebe auf der Flucht.

Vier seiner Filme wurden für den Oscar nominiert, darunter Sie küssten und sie schlugen ihn, Die letzte Metro und Geraubte Küsse. 1974 wurde Die amerikanische Nacht als bester fremdsprachiger Film mit einem Oscar prämiert. Der Weg zu einem der erfolgreichsten Filmemacher aller Zeiten war für Truffaut jedoch nicht immer leicht.

François Truffaut - vom Gelegenheitsjobber zum Oscargewinner

Nachdem sich der junge Truffaut einige Jahre mit Gelegenheitjobs duchgeschlagen hatte, landete er 1951 als Filmkritiker beim französischen Kinomagazin Les Cahiers. Dort wurde auch der Artikel Eine gewisse Tendenz im französischen Film veröffentlicht. Durch sein Engagement erhielt er maßgeblichen Anteil an der Anerkennung von Regisseuren als Künstler. Weil er Bücher geradezu verschlang, eignete er sich autodidaktisch eine Bildung auf hohem Niveau an. Sein Film Fahrenheit 451 gilt als Hommage an das Buch an sich.

1956 wurde er zum Assistenten von Regisseur Roberto Rossellini, 1957 gründete Truffaut seine eigene Filmproduktionsfirma. Sein Filmdebüt folgte mit Sie küssten und sie schlugen ihn. In dem Drama verarbeitete Truffaut seine eigene harte Kindheit im Paris der Nachkriegszeit.

Am 6. Februar 1932 als uneheliches Kind in Paris geboren, heiratete seine Mutter kurz darauf einen Architekten - und der kleine François musste bei den Großeltern aufwachsen. Erst als diese starben, nahm die Mutter ihren Sohn wieder bei sich auf. Die Erziehung der Eltern, beschrieb Truffaut später, sei durch Grausamkeit und Gleichgültigkeit geprägt gewesen.

Der Filmemacher wusste lange nichts über die Identität seines leiblichen Vaters. Erst kurz vor ihrem Tod verriet ihm seine Mutter, dass sein Vater ein jüdischer Zahnarzt gewesen war, der sich nach dem Krieg in Belfort nieder gelassen hatte. Später machte er seinen Vater zwar ausfindig, hat sich aber nie getraut, ihn anzusprechen.

Als Jugendlicher galt der verunsicherte Truffaut als schwer erziehbar und landete immer wieder in Erziehungsheimen, bis er als Soldat einberufen wurde. Dort versuchte er zu desertieren, bis er aus der Armee entlassen wurde.

Aufgrund seiner eigenen schwierigen Kindheit engagierte sich Truffaut Zeit seines Lebens für notleidende Kinder. Zudem spielten in seinen Filmen besonders oft Kinder mit. In vier seiner Filme übernahmen sie sogar die Hauptrollen. Als Mitglied der Paten des Secours Populaire Francais kümmerte er sich außerdem um Kinder aus benachteiligten Familien. 1967 wurde Truffaut zum Präsidenten des Stiftungsverbandes der SOS-Kinderdörfer ernannt.

Im Alter von 52 Jahren starb Truffaut 1984 an einem Gehirntumor. Dem französischen und dem Weltkino gilt der Filmemacher bis heute nicht nur als Begründer der "Nouvelle Vague", sondern auch als Aushängeschild und Revolutionär des französischen Films und als Vorbild für zahlreiche Filmschaffende.

Berühmt wurde er außerhalb der Filmwelt für ein Zitat, das ihm zugeschrieben wird: "Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt."

Vom 6. bis 24. Februar zeigt Arte sieben Filme von Francois Truffaut, darunter "Schießen Sie auf den Pianisten", "Tisch und Bett" und "Jules und Jim". Start am 6. Febuar um 20.15 Uhr mit "Auf Liebe und Tod".

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