François Pinaults Privatmuseum:Trophäen für den Jetset

Hier sind sie also gelandet, die Kunstmarkttrophäen der Boom-Jahre: das venezianische Privatmuseum des billionenschweren Kunstsammlers François Pinault -in Bildern.

H. Liebs

13 Bilder

François Pinault Privatmuseum Venedig Punta della Dogana

Quelle: SZ

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Hier sind sie also gelandet, die Kunstmarkttrophäen der vergangenen Boom-Jahre: Der billionenschwere Kunstsammler François Pinault eröffnet in Venedig sein zweites Privatmuseum. Die Bilder.

Erstmal gab es blutige Nasen: Als der geschäftige Philanthrop François Pinault, ein Kunst-Großeinkäufer der Boomjahre, vor kurzem sein zweites Privatmuseum an der venezianischen Punta della Dogana eröffnete, versuchte eine Abordnung der "Embassy of Piracy", die mit dem derzeit sehr geläufigen Internetportal "Pirate Bay" assoziiert ist, mit mexikanischen Wrestler-Masken, aus Lautsprechern lautstark erklingenden Italo-House-Tönen und schwarzen Piratenflaggen das ehemalige Zollamt aus dem 17. Jahrhundert zu stürmen. Sie kamen mit ihrer Mini-Flotille bis ans Ufer, ein paar Protestler schafften es gar bis auf den Vorplatz des Sammlermuseums, dann fand ein Handgemenge mit dem Sicherheitspersonal und den Carabinieri statt. Die Punta della Dogana war da allerdings schon längst abgeriegelt.

Text: Holger Liebs/SZ vom 16.6.2009/rus

Takashi Murakami: "Cream, 1998"/Foto: afp

François Pinault Privatmuseum Venedig Punta della Dogana

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Der Protest, obwohl gutgelaunt inszeniert (und mit dem Hinweis versehen, dies sei keine Kunstperformance), hatte etwas Verzweifelt-Hilfloses. Und er war an die falsche Adresse gerichtet. Ausnahmsweise ging es den Piraten mal nicht um Urheberrechte, sondern um Bezahlung. Vom Faktum, dass italienische Kunstinstitutionen wie die Kunstbiennale Studenten ohne Jobgarantie unter Prekariatsverhältnissen beschäftigen, mag zwar auch der Bauherr Pinault bei der Veredelung des verfallenen Zollamtes profitiert haben - geschaffen hat diese Gesetzeslage aber die italienische Regierung. Und zwar schon vor Berlusconi.

Francois Pinault/Foto: afp

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So lobte denn auch Venedigs Bürgermeister Massimo Cacciari ausdrücklich die Internationalität von Pinaults neuem Kunst-Domizil, an dessen Bug Canal Grande und Giudecca-Kanal zusammenfließen. Kein Wunder: Cacciari geht es um Touristen - und um die VIPs, welche die ausgedehnten Eröffnungsfeierlichkeiten zuhauf besuchten. Doch das ehemals öffentliche Zollgebäude gegenüber San Marco ist nun zunächst für 30 Jahre per Leasingvertrag fest in privater Hand. Das gefällt nicht jedem Venezianer, und so waren denn auch lokale Protestbanner, an Heliumballons aufgehängt ("Pinault, kauf' meine Kunst!"), kein Einzelfall. Immerhin: Mittwochs haben Stadtbewohner - womöglich eine Geste der Besänftigung - freien Eintritt.

Model Naomi Campbell als Jet-Set Gast bei der Eröffnung des Museums in Venedig/Foto: afp

François Pinault Privatmuseum Venedig Punta della Dogana

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Doch das wahre Problem an Pinaults Kunst-Tempel nächst der berühmten Kuppel von Santa Maria della Salute ist der Zeitpunkt seiner Einweihung: Die Sammlung wirkt, samt der pseudosakralen Beton-Architektur von Tadao Ando, die 25 Millionen Euro kostete, wie ein Monument aus vorgestrigen Zeiten. Während Biennale-Leiter Daniel Birnbaum beileibe nicht nur aus Geldnot den Zauber der rohen, unbelassenen Schiffswerften für seine Großschau "Fare Mondi / Weltenmachen" nutzt, wird der genius loci in der Punta della Dogana - das wuchtige Gebälk, die filigranen Ziegelmauern - von Andos bisweilen mächtigen Eingriffen doch stark beeinträchtigt.

Am schlichten Pathos dieser Grau-in-Grau-Ästhetik mit ihren symmetrisch platzierten Armierlöchern hat man sich mittlerweile ein wenig sattgesehen. Um einen zentralen Kapellen-Kubus kam Ando auch diesmal nicht herum - die artige Perfektion der Betonkiste wird durch Rudolf Stingels abstrakte Grisaillen, die mitunter Bezug nehmen auf Maschendrahtzaunmuster, noch erhöht.

Museumseröffnung am 6. Juni 2009 in Venedig/Foto: afp

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Überhaupt wirkt die Eröffnungsausstellung "Mapping The Studio", welche sich mit teilweise hochrangigen Werken auch im Palazzo Grassi, Pinaults zweitem Spielort in Venedig, fortsetzt, eher wie ein "Greatest Hits"-Spektakel der neunziger Jahre, als dass sie einem konzisen Konzept folgt (Kuratoren: Alison Gingeras, Francesco Bonami). Erster Reflex: Hier sind sie also gelandet, die Kunstmarkttrophäen der vergangenen Jahre. Das nach Brandzerstörung wiederhergestellte Nazi-Schlachtfeld "Hell" der Chapman-Brüder (2008), ...

François Pinault Privatmuseum Venedig Punta della Dogana

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... ein Marmorkuss von Jeff Koons ("Bourgeois Bust - Jeff and Illona", 1991), ...

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... Cindy Shermans großartige Selbstporträts in der Rolle von Midfifties-Partyqueens, ...

Foto: ap

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... eine stattliche Anzahl von Miniaturmetropolen vom Planeten Krypton aus der Hand Mike Kelleys (2008) - und ein ganzer Raum voller dunkler Leinwände von Sigmar Polke; sie hingen vor zwei Jahren noch zentral auf dem Biennale-Gelände. Natürlich darf das milchige ...

Mike Kelley: "Kandors full set 2005-2009"/Foto: afp

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... Körperflüssigkeiten um sich werfende Manga-Teeniepaar von Takashi Murakami ebenso wenig fehlen ...

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... wie Maurizio Cattelan, dessen taxidermiertes Ross mit dem Kopf hoch über dem Boden in der Ziegelwand festhängt.

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Es sind erstaunliche Arbeiten, die hier versammelt sind, aber es fehlt ihr Zusammenhang, das sammlerische Profil, die psychologische Tiefenschürfung, die erst Rückschlüsse auf die Obsessionen des Kunstkäufers zulässt. Hier wurde offenbar mehr mit dem Ohr als mit dem Auge gekauft - und nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner gehängt. Der erschöpft sich in Symbolen der Erotik, der Vergänglichkeit und des Todes - recht billig zu habenden Künstler-Topoi also.

Und so mögen zwar Hiroshi Sugimotos Fotografien exzentrischer Modeentwürfe recht düster aussehen, und Mode hat ja auch irgendwie etwas mit Vergänglichkeit zu tun, aber Maurizio Cattelans marmorverhüllte Leichen wirken in dieser Nachbarschaft doch eher wie profan aufgebauschtes Textil. Und was Cattelans Pferd mit Rachel Whitereads Negativform-Skulpturen und diese wiederum mit dem Pastosmaler Glenn Brown, dem Blassmaler Luc Tuymans oder mit dem zum Raumtrenner degradierten schimmernden Perlvorhang von Felix-Gonzalez-Torres zu tun haben - letzterer hatte sich einer Kunst des Epheremen, der Auflösung, des Zerfließens verschrieben -, leuchtet wohl nur den Kuratoren ein, die dies alles in eine Halle bugsierten.

Maurizio Cattelan: "All"/Foto: dpa

François Pinault Privatmuseum Venedig Punta della Dogana

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Es gibt natürlich auch Entdeckungen, bislang noch mehrheitlich unterbelichtete Kunst-Währungen: von Lee Lonzano, Kai Althoff, Errò. Oder - selten genug - Altmeister der Moderne, Rückgriffe auf Museales, gerade kanalaufwärts im Palazzo Grassi, wo "Mapping The Studio" weitergeht: Lucio Fontana, Dan Flavin, Daniel Buren. Aber dann müssen dort eben auch Thomas Schüttes "Große Geister" wie metallene Michelinmännchen vor Sigmar Polkes "Zirkusfiguren" aufmarschieren - eine beengte Begegnung, die beiden kaum gut tut.

Thomas Schütte: "Große Geister"/Foto: afp

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Um die 2500 Werke besitzt Pinault mittlerweile, und man versteht, dass er sich vom Palazzo aus biennalewärts ausbreiten musste, in die Dogana hinein, um wenigstens repräsentative Ausschnitte der Sammlung zeigen zu können. Dabei schlug er noch die Guggenheim-Stiftung aus dem Felde, welche sich ebenfalls für die Zollstation interessiert hatte. Zur Eröffnung waren Abramowitsch & Co. zugegen - und im Palazzo Grassi wurde heftig getanzt, auf einem Leuchtboden. Dieser gehört zu einem Werk Piotr Uklanskis, der Fotos von allen Schauspielern, die je Nazis verkörperten, zu einem Panorama collagiert hat. Das Panorama machte vor einigen Jahren Furore - nun heißt es, um den blinkenden Dancefloor komplettiert, "Dancing Nazis". Es soll wahrscheinlich eine irgendwie subversive, radikale Geste sein, hier tatsächlich eine Party zu veranstalten - Aug' in Aug' mit dem SS-Mann. Tatsächlich ist es nur eins: geschmacklos.

Foto: afp

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