Francis Ford Coppola wird 70:Unendliche Passionsgeschichte

Es ist nicht leicht, ein Godfather zu sein - zum siebzigsten Geburtstag des Filmregisseurs Francis Ford Coppola. Die Bilder.

Tobias Kniebe

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Tagebuchnotiz von Eleanor Coppola, Februar 1976: "Francis ist sehr frustriert. Er nimmt seine Oscars und wirft sie zum Fenster heraus. Die Kinder sammeln im Hinterhof die Scherben auf. Vier der fünf sind zerbrochen."

Steckt nicht schon der ganze Mann, der ganze Kampf, die ganze Legende des Filmemachers Francis Ford Coppola in diesen lakonischen Zeilen? Man muss ja erst einmal die Goldstatuetten haben, um sich derart in Szene zu setzen - und auch das Recht verdienen, so enttäuscht zu sein. Weil Menschen, die einem nicht weniger verdanken als ihren Platz in der Filmgeschichte, dann doch wieder Schwierigkeiten machen. James Caan und Al Pacino hatten gerade endgültig abgesagt für Coppolas Dschungelepos "Apocalypse Now" - und Marlon Brando noch nicht zurückgerufen.

Francis Ford Coppola, 2004/Foto: dpa

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Es ist halt nicht leicht, ein Gott zu sein. Oder doch zumindest ein Godfather, ein Pate des modernen Kinos. Die eigene Unsterblichkeit bereits in jungen Jahren erkämpft zu haben, mit den beiden "Paten"-Filmen Anfang der siebziger Jahre, gegen alle Widerstände - es hat Coppola, über die Distanz eines erfüllten Lebens betrachtet, nicht viel genützt. Vielleicht machte es alles sogar nur schwerer. Denn natürlich sollten die ewigen Besserwisser in Hollywood irgendwann nicht mehr mitreden dürfen - so hatte er beschlossen, sein eigener Tycoon werden, selbst um den Preis, ja die ständige Drohung seines potentiellen Ruins. Außerdem war da, Hauptthema im Drama seines Künstlertums, die ewige Sorge um die Familie. In weiterem Sinn als Gleichgesinnte und loyale Mitstreiter, die es zu fördern galt, als verschworene Truppe gegen das verhasste System. Aber doch auch ganz klassisch-italienisch - so gab es dann eben goldglitzernde Oscarscherben, mit denen die Kinder spielen durften, und sie alle hat der Virus des Filmemachens nicht mehr losgelassen, am prominentesten natürlich die Tochter Sofia.

Marlon Brando in "Der Pate", 1972/Foto: dpa

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Francis Ford Coppola wurde im April 1939 in Detroit geboren, wo sein Vater Carmine, ein ehemaliges Wunderkind auf der Querflöte, in einer Radioshow spielte - bei der "Ford Sunday Evening Hour". So kam der Junge zu seinem mittleren Namen. Der Vater träumte davon, Symphonien und Opern zu komponieren, was unerreichbar blieb - und machte den Kindern mit seinem Frust das Leben schwer. Francis' frühe Homemovie-Ambitionen wurden nicht unterstützt, aber das war nicht sein einziges Problem: In der Schule schämte er sich für seine dicken Lippen, im Alter von acht fesselte ihn eine Kinderlähmung mehr als ein Jahr ans Bett, seine Beine blieben beinah gelähmt, er wurde zum Außenseiter. Aber so werden nun mal, seit uralten Zeiten, die Künstler geboren.

Martin Sheen in "Apocalypse Now Redux" , 1979/Foto: ddp

richard gere, the cotton club, dpa

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Am Hofstra College fand er erste Mitstreiter in der Theatergruppe, und nach der Filmschule an der University of California nahm er 1963 ein Angebot des notorischen Billigheimers und legendären Talentförderers Roger Corman an, den Horrorfilm "Dementia 13" nach eigenem Script zu drehen. Am Set lernte er seine Frau Eleanor kennen. Sie heirateten noch im selben Jahr. Drei Jahre und einige Hollywood-Drehbücher später gelang ihm dann wieder ein eigener Film, "You're A Big Boy Now", eindeutig von den Beatles und Richard Lester, von englischer Lässigkeit inspiriert. Er etablierte Coppola noch nicht als Filmemacher, so wenig wie "Finian's Rainbow" oder "Rain People", die folgten. Als Autor aber wuchs sein Ruf, 1970 mit dem Oscar für das Drehbuch von "Patton". Im selben Jahr nahm er den eher undefinierten Auftrag an, den aktuellen Mafia-Bestseller von Mario Puzo zu verarzten, offenbar der richtige Job für einen Italoamerikaner, hieß es bei Paramount, man wolle bitteschön "die Spaghetti schmecken".

Richard Gere in "The Cotton Club", 1984/Foto: dpa

Gary Oldman, dracula, dpa

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Und wieder war alles Kampf. Coppola kämpfte für das Setting in den vierziger Jahren, den Dreh in New York, ein größeres Budget. Besonders kämpfte er für Pacino, damals völlig unbekannt und extrem verschlossen, den das Studio nur den "Zwerg" nannte. Auch Brando war gerade von zahllosen Eskapaden gezeichnet. Auf höchster Ebene fiel eines Tages schon ein endgültiges Nein gegen ihn, da brach Coppola dramatisch zuckend auf dem Boden des Konferenzraums zusammenbrach, wie niedergestreckt von der geballten Idiotie des Studios. Er bekam seinen Willen. Selten hat jemand in Hollywood auf derart epochale, fundamentale Weise Recht behalten.

Wahrscheinlich hat Coppola auch mit den Jahren erst begriffen, wie nah im dieser "Paten"-Stoff wirklich gehen sollte. Dass er selbst nicht nur Michael Corleone war, der das Blutvergießen im Dienst der Familie, der Tradition, der Ordnung erst lernen musste; nicht nur Sonny, der Spieler und ewige Heißsporn; sondern durchaus auch Fredo, mit einem Hang zum Zaudern, zur Unentschiedenheit, zur Depression. Dass er eines Tages auch einen Platz wie Don Vito ausfüllen könnte, erwies sich allerdings als Illusion. Ein solcher Alleinherrscher wäre Coppola in seinen Zoetrope Studios gern gewesen, für Jünger wie George Lucas, dessen "American Graffiti" ihm die ersten Millionen als Produzent einbrachte. Gary Oldman in "Bram Stoker's Dracula", 1992/Foto: dpa

Coppola, Lucas, Spielberg, rtr

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Doch Lucas brach dann auf und durchbrach den Code der Familie, um sein eigenes Imperium zu gründen, viel größer noch als Coppola es je erträumt hatte. Dort verkroch er sich dann, um in Reichtum und Einsamkeit langsam zu erstarren.

Coppola dagegen brach von Neuem auf, zu seiner eigenen Apocalypse auf den Philippinen, mit Harvey Keitel, der gefeuert und durch Martin Sheen ersetzt werden musste, mit einem kaum mehr beherrschbaren, völlig entrückten Brando, mit Dennis Hopper, wie von Sinnen im Drogenrausch. Dass aus diesem tropischen Wahnsinn überhaupt ein Werk entstand, und dann noch eines wie "Apocalypse Now", das sich allen einfachen Kategorisierungen entzieht, ein ewiges, irres Mysterium des Kriegsfilms - das ist ein weiteres Wunder dieser unendlichen Passionsgeschichte.

Coppola, Lucas, Spielberg, 2007/Foto: Reuters

Coppola, ap

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Dass danach die Kraft und die Lust am Wahnsinn erschöpft waren, vielleicht für ein ganzes Leben; dass private Tragödien wie der Unfalltod des ältesten Sohnes ihren Tribut forderten, finanzielle Engpässe und Aufträge zum reinen Geldverdienen kamen, dass sein Wunsch, sich ein Winzernest im Napa Valley zu bauen, im fehlgeleiteten Versuch mündete, selbst eine Marke zu werden, bis hin zu scheußlich verpantschen Weinabfüllungen, die unter dem Namen "Coppola" in amerikanischen Supermarktregalen auftauchten - wer wollte daraus jetzt noch ernsthaft einen Vorwurf machen?

Heute, an seinem siebzigsten Geburtstag, erscheint Francis Ford Coppolas Leben als eine restlos gelungene, beneidenswert reiche, unendlich verschlungene Künstlerexistenz. Dass er die Formel für die Unsterblichkeit dabei nicht aufgeschrieben, oder wieder verloren, oder am Ende so wenig verstanden hat wie alle anderen in diesem Spiel - das macht die Schönheit dieses Lebens nicht zuletzt aus.

Coppola, 2008/Foto: ap

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