Framing-Debatte:Warum wir eine Ethik der Metapher brauchen

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AfD Fraktionssitzung im Bundestag

Alexander Gauland vor Fernsehmikros: In Teilen von Politik und Medien wird das sprachliche Werkzeug Metapher zunehmend als Waffe eingesetzt

(Foto: picture alliance / Gregor Fische)

Medien und Politik verwenden sprachliche Bilder gerne und gezielt - doch sie können gefährlich werden. Und sie dürfen sich nicht ungehindert verbreiten.

Gastbeitrag von Henning Lobin

Als Sprachwissenschaftler ist man unschlüssig, ob man sich freuen soll oder nicht: Seit Langem schon wurde nicht mehr so intensiv über Sprache debattiert. Der Schriftsteller Durs Grünbein meinte in der Zeit erklären zu können, wie aus Sprache Gewalt wird. Grünen-Chef Robert Habeck hat ein ganzes Buch zum Thema Sprache verfasst. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Weihnachtsansprache an die Bürger appelliert, mehr miteinander zu reden, selbst wenn man nicht einer Meinung ist. Und zuletzt schlugen die Wogen hoch wegen eines Leitfadens zum Sprachgebrauch, den die Linguistin Elisabeth Wehling mit ihrer Beratungsagentur für die ARD erstellt hatte. Darin werden Formulierungen vorgeschlagen, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer Art moralischer Überwältigungstaktik positive Assoziationen bestimmter Begriffe zunutze machen kann.

Es gibt viele weitere Beiträge, oft unter Stichwörtern wie "Sprachverrohung" oder "sprachliche Gewalt". Man sollte gerade das, was so selbst zu einem Argument in der politischen Kommunikation geworden ist, zunächst sortieren. Da gibt es zum einen die direkten Beleidigungen. Wenn man jemanden als etwas bezeichnet, das zu entsorgen ist, oder jemanden auf den Müllhaufen wünscht, dann kann dieser sich strafrechtlich dagegen zur Wehr setzen. Im Internet soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz eigentlich sicherstellen, dass sich Beleidigungen nicht verbreiten. Im Parlament können Ordnungsrufe dafür sorgen, dass solches Verhalten geahndet wird. Beleidigungen, so wüst sie auch sein mögen, sind kein Problem für das Gemeinwesen. Dafür haben wir Instrumente.

Framing ist nichts Neues, sondern vor allem eine Spezialität totalitärer Regime

Die sogenannten diskursiven Strategien hingegen liegen am anderen Ende der kommunikativen Skala und bezeichnen eine ganze Kette von Äußerungen, die man mit strategischer Absicht unternimmt. Wenn man beispielsweise jemanden beleidigt hat, dann kann man behaupten, dass das gar nicht als Beleidigung gemeint gewesen war. Wenn man - wie der AfD-Politiker Björn Höcke - von einem "Denkmal der Schande" spricht, dann kann man dem erwartbaren Entrüstungssturm begegnen, indem man sagt, man sei böswillig falsch verstanden worden, die NS-Verbrechen seien ja wirklich eine Schande. Und wenn man das Wort "völkisch" benutzt, dann kann man zu seiner Verteidigung vorbringen, man habe nur das Adjektiv zu "Volk" gebildet. All das ist so geschehen. Thomas Niehr und Jana Reissen-Kosch haben in ihrem Buch "Volkes Stimme" eine ganze Reihe dieser Strategien für den Rechtspopulismus beschrieben. Auf der linken Seite gibt es sie natürlich auch. Dieses diskursive Spiel einfach nicht mitzuspielen, kann eine geeignete Gegenmaßnahme sein - die schwarze Rhetorik fällt dann schnell in sich zusammen.

Viel schwieriger ist es jedoch, die Wirkung von Metaphern in der politischen Kommunikation zu bewerten. Metaphern werden keineswegs mehr nur als Stilmittel in literarischen Texten angesehen. Vielmehr stellen sie eine fundamentale Methode dar, im Denken einen Erfahrungsbereich auf einen anderen zu übertragen - und dadurch den Ursprungsbereich besser zu verstehen oder anders zu beleuchten. Wer statt von "Seenotrettung" von einem "Shuttle-Service" spricht, der wird im Hörer Assoziationen, die mit regelmäßig verkehrenden Bussen oder Schiffen zu tun haben, auf den Ursprungsbereich übertragen: Ein Shuttle-Service ist Teil einer Reise, erfolgt gegen Geld, ist eine planbare Dienstleistung, unterliegt gewissen Qualitätsstandards, ist grundsätzlich nicht gefährlich - und so sollen dann auch die Ereignisse auf dem Mittelmeer gesehen werden. Es ist ein politisches Anliegen, die Assoziationen von Metaphern mit den ursprünglichen Gegebenheiten in Verbindung zu bringen, um sie in einer gewünschten Weise einzuordnen oder zu deuten.

Derartige psychologische Mechanismen werden auch mit einem Begriff beschrieben, der schon vor dem Kommunikationsfiasko der ARD Konjunktur erfahren hat: "Framing". Ein Frame umfasst Wissens- und Wahrnehmungsbestände, die sich in einem bestimmten Zusammenhang befinden: beim Frame des Shuttle-Service etwa das Shuttleboot, der Bootsführer, die Reisenden, die Reederei, die Tätigkeit des Transportierens, die alles miteinander verbindet. Der komplette Frame kann allein durch eines dieser Elemente aktiviert werden, durch das Bild eines Bootes etwa oder durch einen Fahrplan, aber eben auch durch ein Wort. In diesem Licht betrachtet, können Metaphern als die denkbar knappste Methode verstanden werden, mit sprachlichen Mitteln einen bestimmten Framing-Effekt zu erzielen.

Neu ist dieses Vorgehen keineswegs. Propagandistisch wird es vor allem in totalitären Systemen eingesetzt, um das Eigene vom Fremden, das Gute vom Bösen und das Reine vom Verdorbenen zu trennen. Ganze Metaphernkomplexe wurden im Dritten Reich entwickelt und systematisch gepflegt, ob es sich nun um die antisemitischen Metaphern des Ungeziefers oder des Parasiten am Volkskörper handelt, um die Metapher der Volksgesundheit zur Legitimation von Euthanasie oder die des Lebensraums zur Begründung eines Angriffskriegs. Metaphern richten den Scheinwerfer auf bestimmte Eigenschaften eines Sachverhalts, während andere im Dunkeln liegen und umso schwerer erkennbar sind.

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