Süddeutsche Zeitung

"Fräulein Julie" im Kino:Jeder Liebesakt ein Duell

Das Fräulein, der Butler und die Köchin - ein fatales Liebes- und Machtdreieck. Liv Ullmann hat "Fräulein Julie" von August Strindberg verfilmt. Entstanden ist ein fesselndes Standesduell.

Von Martina Knoben

Blut fließt - erst das des Fröken Julie (Jessica Chastain), das seine Jungfräulichkeit an einen Bediensteten verliert; dann hackt John, der Butler ihres Vaters und nunmehr ihr Liebhaber (Colin Farrell), dem Kanarienvogel des Fräuleins den Kopf ab. "Was für ein Durcheinander!", schimpft Köchin Kathleen (Samantha Morton). Sie ist Johns Verlobte und Dritte in diesem fatalen Liebes- und Machtdreieck, das sich zur Mittsommernacht 1890 auf dem irischen Landsitz des Vaters formiert.

August Strindberg schrieb seine Tragödie 1888, und so skandalös wirkte damals sein Stück, dass es erst mal verboten wurde. Liv Ullmann, Bergmans Lieblingsschauspielerin und seit den Neunzigern auch selbst Filmregisseurin, hat sich bei ihrer Filmversion eng an die Vorlage gehalten. Die prominenten Darsteller legen sich mächtig ins Zeug - so ist ein gut gespieltes, fesselndes Liebes- und Standesduell entstanden, bei dem sich aber doch irgendwann die Frage stellt, wie relevant die verlorene Ehre dieses Fräuleins für uns heute noch ist.

"Fräulein Julie" ist ein Kammerspiel, wie eine Bühne wirken die Küche, der Salon und Johns Dienstbotenzimmer, wo bis auf wenige Ausnahmen alle Szenen spielen. Die hohen Räume mit ihren riesigen Möbeln sind auch ein Gefängnis. Der Blick hinaus geht durch einen niedrigen Tunnel zu einem Gittertor - dahinter kann unmöglich eine Welt liegen. Viel zu idyllisch wirkt der Garten, Julies Lieblingsplatz. Dies ist kein irdisches Paradies.

Monologe von Einsamen

In der Mittsommernacht aber scheint vieles möglich. Warmes Licht liegt auf den Gesichtern, als das Fräulein und ihr Diener in der Küche miteinander flirten. Ihre erotisch aufgeladenen Wortgefechte treiben sie irgendwann ins Bett - es sind aber auch Monologe von Einsamen, die begreifbar machen, warum beide so viel riskieren, gesellschaftlich.

Jessica Chastain spielt das verzogene, unglückliche Fräulein als elfenhafte Nervensäge - ihre Feudalgesellschaft ist dem Untergang geweiht. Colin Farrell ist der Mann der Zukunft: der Kapitalist, aus einfachsten Verhältnissen, in der Welt herumgekommen, der Minderwertigkeitskomplexe, Ehrgeiz, Skrupellosigkeit und die Verehrung von und den Drang zu Höherem in sich vereint.

Ihre wie seine Deformationen können durchaus anziehend wirken. Und die Verbindung mit der religiösen, korrekten, standesbewussten Kathleen dürfte den abenteuerlustigen John wenig locken. Und ist nicht doch, immer wieder mal, so etwas wie Liebe zwischen John und Julie im Spiel?

Ein Miteinander jedenfalls gibt es nicht. Der Sex zwischen ihnen ist nicht zu sehen, nur Johns hektische Säuberung seines Unterleibs nach dem Akt und ihr seliges Erschrecken, gefolgt vom Schock, als John ihr nicht, wie erwartet, seine Liebe gesteht. Als die Mittsommernacht vorbei ist, wird auch das Licht, das der Film auf seine Figuren wirft, ganz kühl.

Miss Julie, Norwegen/GB/Irland/F 2014 - Regie, Buch: Liv Ullmann. Kamera: Mikhail Krichman. Schnitt: Michal Leszczylowski. Mit: Jessica Chastain, Colin Farrell, Samantha Morton. Alamode, 129 Min.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2319846
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.01.2015/jobr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.