FPÖ-Anzeige:Aufruhr in Klagenfurt

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Josef Winkler ist mit Romanen über eine Kindheit in einem Dorf in Kärnten bekannt geworden, in dem es keine Bücher gab. (Foto: Christian Grube/imago)

Der österreichische Schriftsteller Josef Winkler hält eine Rede zum 500. Stadtjubiläum. Daraufhin zieht die FPÖ ihn vor Gericht. Was ist da los? Ein Anruf.

Interview von Felix Stephan

Gerade hat die Kärntner FPÖ den Schriftsteller Josef Winkler wegen einer Rede, die er zum 500. Stadtjubiläum von Klagenfurt gehalten hat, nicht nur einen "linken Hassprediger" genannt - die Partei, die auf Bundesebene inzwischen in der Regierungsverantwortung ist, geht auch juristisch gegen Winkler vor. Bringt die Politik jetzt auch in Österreich die Gerichte in Stellung, um kritische Künstler einzuschüchtern?

SZ: Herr Winkler, wenn wir das richtig sehen, ging es in Ihrer Rede nur darum, dass Klagenfurt seit 70 Jahren keine Stadtbibliothek hat.

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Ein rechtspopulistischer Politiker, der im obersten Aufsichtsgremium des öffentlich-rechtlichen Senders sitzt, will ein Drittel der Stellen für Auslandskorrespondenten streichen, wenn "diese sich nicht korrekt verhalten".

Haben wir etwas übersehen? Josef Winkler: Nein, das ist das Zentrum der Rede. Als Jugendlicher musste ich von meinen Eltern Geld stehlen, um an Bücher zu kommen, weil Klagenfurt keine Stadtbibliothek hat. Außerdem ging es noch um Geldverschwendung, um Kapitalverbrecher und korrupte Politiker. In der Finanzkrise haben die Republik Österreich und das Land Kärnten die ehemalige Landesbank mit 10 Milliarden Euro aufgefangen. Stellen Sie sich vor, wir hätten heute für Bildung zehn Milliarden Euro zur Verfügung! Studenten der Technischen Universität haben ausgerechnet, dass man mit dem Geld eine Stadt für 50 000 Einwohner bauen könnte.

Und davon lässt sich die FPÖ derart aus der Ruhe bringen?

Es gab auch ein paar makabre Sätze. Einer stammte ursprünglich aus meiner Rede zur Eröffnung des Ingeborg-Bachmann-Preises 2009. Da habe ich über den verstorbenen Jörg Haider gesagt, er hat sich "mit seiner Asche aus dem Staub gemacht". Und der andere war eben, dass man seine Urne in eine Gefängniszelle stellen sollte, damit er nicht wie ein Phönix aus der Asche steigt. Und zwar, und das haben meine Kritiker nicht verstanden, damit so etwas in Österreich nie, nie mehr passiert. Daraufhin jedenfalls hat mich der Vorsitzende der FPÖ in Kärnten, Gernot Darmann, einen "linken Hassprediger" genannt. Das ist erbärmlich.

Wie war die Stimmung während Ihrer Rede im Saal?

Im Publikum saßen vielleicht 300, 400 Leute. Man hat mir bis zum Ende zugehört, der Applaus danach war enorm. Dabei ist der Text nicht unkompliziert, es ist ein literarischer Text mit satirischen Elementen. Trotzdem sind alle dageblieben, auch wenn sich sicher nicht alle mit Literatur auskannten. Nur vier Personen sind gegangen, alle von der FPÖ - vermutlich, weil sie sich gemeint gefühlt haben, dabei geht aus dem Text klar hervor, dass es nicht um sie geht, dass es mit ihnen persönlich nichts zu tun hat. Als sie draußen waren, müssen sie über ihre Apparate sofort eine Pressemitteilung rausgegeben haben.

Können Sie sich diese Überreaktion irgendwie erklären?

Im März hatten wir in Kärnten Wahlen. Kurz nach Haiders Tod hatte die FPÖ in Kärnten noch 45 Prozent. In der nächsten Wahl sind sie dann auf 15 Prozent abgestürzt. Jetzt pendeln sie sich wie im restlichen Land bei 22 Prozent ein. Nach der Wahl wollten sie unbedingt in die Regierung, aber der SPÖ-Landeshauptmann hat stattdessen mit der ÖVP koaliert. In Salzburg gab es gerade ein ähnliches Szenario, auch dort hat der Oberbürgermeister die FPÖ nicht mit in die Regierung genommen. Vielleicht schlagen sie einfach aus Verbitterung um sich.

Interessant ist, dass es in Ihrem neuen Roman, der gerade erschienen ist, um die Exhumierung eines SS-Massenmörders geht. In Österreich scheinen die Geister der Vergangenheit gerade einiges zu tun zu haben.

Ja, da habe ich offenbar zwei exhumiert und das innerhalb von Monaten. Über das Buch haben sie sich ganz sicher nicht gefreut. Man solle die Vergangenheit endlich ruhen lassen, hieß es. Erst das Buch bei Suhrkamp, jetzt die Rede, das war offenbar zu viel. In Österreich hat die Aufarbeitung ja mindestens zwei Jahrzehnte später begonnen als in Deutschland, aber heute passiert sehr viel.

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© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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