Fotoserie:Martin Schoellers "Die Gläubigen"

New York ist der Ort, wo die meisten Glaubensgemeinschaften zu finden sind. Der Fotograf Martin Schoeller porträtiert religiöse Menschen aus der US-Metropole.

Fotos und Protokolle: Martin Schoeller

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Freitagsgebet1

Quelle: SZ

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New York ist der Ort mit der größten Zahl unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Der Fotograf Martin Schoeller porträtiert in seiner Feuilleton-Kolumne jeden Freitag einen gläubigen Menschen aus dieser Stadt. Hier findet man seine Werke monatlich gesammelt.

Abdul Hafeez Muhammad, Nation of Islam

Meine Mutter war eine Zeugin Jehovas, mein Vater ein Freimaurer vom 33. Grad des Obersten Rates. Und die gebaren einen muslimischen Prediger. Wie das sein konnte, weiß ich auch nicht. Aber ich wuchs in den Straßen von Brooklyn auf. Meine Familie war nicht ultrareligiös. Als ich größer war, nahm mich meine Mutter nicht mehr zu den Zeugen Jehovas mit. Und was es bedeutete, dass mein Vater ein Freimaurer war, habe ich erst sehr viel später verstanden. Meinen eigenen Glauben habe ich erst gefunden, als ich meinen Vater verlor. Da verlor ich auch meinen Glauben an Gott. Aber dann traf ich auf die Five Percenters, die Clarence 13X gegründet hat, der die Moschee des ehrwürdigen Elijah Muhammad verlassen musste und dessen Lehren sie auf den Straßen predigten, was man damals die Street Academies nannte. Ich traf einen jener Brüder, die man die Erleuchter nennt, und der erleuchtete mich und gab mir meinen Namen. Einer dieser Brüder führte mich mit einer Kassette auch an die Lehren des ehrwürdigen Ministers Louis Farrakhan. Und als ich ihn predigen hörte, wie er sich zu Gott bekannte, zum ehrwürdigen Elijah Muhammad, seine Verteidigung der Schwarzen und seine Liebe, die ein Recht jedes Menschenwesens ist, begann meine Reise in die Nation of Islam. So bin auch ich nun ein Muslim in den Straßen. Jesus sagte, er würde das Volk der Palästinenser auf den Wegen und Straßen erreichen. Der Prophet Mohammed, Friede sei mit ihm, war in den Straßen von Mekka und Medina. Und so verrichte ich meinen Gottesdienst nicht nur in Gebeten, sondern auch in Taten.

Mein Glaube sagt mir, dass ich mich selbst annehmen und ich selbst sein muss. Ich bin ein Student aller Schriften, der Thora, des Korans, ich bin Muslim, Christ, Jude, Hebräer. Der wahre Glaube an Gott ist nicht der Islam, das Christentum, das Judentum oder irgend ein anderes -tum. Der wahre Glaube sind zwei Worte, so hat es mir mein Führer und Lehrer beigebracht - folge Gott. Die Botschaft all dieser Text ist Friede. Das ist es, was es heißt, ein Muslim zu sein. Gott wird die Erde nicht zerstören. Denn sie erlaubt uns, das Eisenerz aus ihrem Grund zu holen, die Scholle zu bewässern, auszusäen und zu ernten, ein Heim zu bauen. Darum schere ich mich nicht um das Jenseits. Ich kümmere mich um das Diesseits.

FEU

Quelle: Martin Schoeller

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David Ingber, "Jewish Renewal"-Bewegung

Der zentrale Text unseres Glaubens ist meiner Meinung nach das Schma Jisrael, das Gebet der Einigkeit, das besagt, dass die Welt vereinigt ist und wir unseren Nachbarn lieben müssen wie uns selbst. Das Judentum erklärt, wie so viele andere Traditionen auch, dass es eine gemeinsame Realität gibt, die sich in der Vielfalt manifestiert. In dieser einen, absoluten Realität durchdringt Gott diese Vielfalt in all ihren Formen mit seiner Gnade und seiner Gegenwärtigkeit. Ich habe unsere Gemeinde Romemu in Brooklyn aufgebaut. Die ist postkonfessionell, das heißt, dass wir eine fromme jüdische Gemeinde sind, die an eine universelle spirituelle Evolution glaubt. Wir sind mehr oder weniger eine spirituelle jüdische Gemeinde, die allen offensteht, unabhängig von ihrem Glauben, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung. Jeder ist eingeladen. Ich glaube aber nicht, dass das Judentum alle Antworten hat. Deswegen praktiziere ich Yoga, Meditation und Buddhismus. Doch egal, woran ich glaube, wenn mir mein Glaube keine Rolle zuschreibt, in der ich die Welt zu einem besseren Ort mache, in der ich einen konkreten Effekt auf meine Familie, meine Gemeinde, mein Land und die Weltgemeinschaft habe, ist mein Glaube nichts wert.

FEU

Quelle: Martin Schoeller

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Jabari Osaze. Kemetismus, ägyptischer Neopaganismus

Unser Glaube ist sehr alt. Die ersten Artefakte sind um die sechs- bis siebentausend Jahre alt. Die ältesten Schriften sind um 4500vor Christus verfasst worden. Und das erste vollständige Buch der Menschheit stammt aus dem Jahr 2360 vor Christus, ist also mehr als viertausend Jahre alt. Wir skandieren in der kemetischen Sprache. So beginnen wir den Tag meist mit einer Zeremonie, die wir "die Öffnung des Weges" nennen. Ein wichtiger Teil unseres Gottesdienstes ist da zum einen unsere Verbindung zur Sonne. Und dann gibt es noch die 42 Gebote des Ma'at, das sind mehr oder weniger 42 Richtlinien, wie man sein Leben leben sollte. Sie wurden vor Tausenden Jahren festgelegt. Am Morgen sagen wir uns diese 42 Gebote vor und versprechen uns, was wir nicht tun werden. Am Ende des Tages muss man sich noch einmal vergegenwärtigen, ob man sich danach gerichtet hat. Und wenn man etwas nicht getan hat, das man hätte tun sollen, muss man das genau betrachten und am nächsten Tag daran arbeiten, ein besserer Mensch zu werden.

Das alles beruht auf dem Prinzip, dass wir göttliche Geschöpfe sind, die ihre göttliche Energie pflegen müssen. Denn wir sind viel stärker, als wir glauben. Pflegt man diese spirituelle Energie, wird man zu einem spirituelleren Wesen. Wir leben in einer sehr säkularen, banalen Welt und erkennen diese Göttlichkeit nicht immer. Man wacht morgens auf, haut auf den Wecker, stopft sich irgendwas zum Essen in den Mund. Dabei steckt das Heilige in den kleinsten Dingen. Selbst wenn man nur etwas isst, sollte man die göttliche Energie darin erkennen. Oder wenn man atmet. In den alten Texten sieht man oft das Anch, das Symbol für das göttliche Leben, das auch ich trage. In den Hieroglyphen ist über dem Anch meistens eine Nase abgebildet, denn das Atmen ist ein heiliger Akt. Auch wenn wir seinen Energien verschiedene Namen geben, glauben wir nur an einen einzigen Schöpfer.

Ich wurde im römisch-katholischen Glauben erzogen, meine Frau Anika wuchs in einer Baptistenfamilie auf. Ich war schon immer an Geschichte interessiert. Im College habe ich mich dann intensiv mit dem antiken Ägypten befasst und mit dem Kemetismus. Meine Mutter sagte damals, dass das jemand wieder praktizieren sollte. Ich habe dann in einem Schrein in Brooklyn angefangen. 1998 wurde ich dann genauso wie meine Frau im Schrein des Ptah ganz offiziell initiiert. Heute sind wir beide Priester und sind für eine Gemeinde verantwortlich. Wobei wir das gleichberechtigt tun, denn in der alten ägyptischen Tradition waren Mann und Frau relativ gleichgestellt. Deswegen leiten wir unseren Schrein gemeinsam, wir richten Hochzeiten und Begräbnisse aus. Das verwirrt manche Leute etwas.

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Quelle: Martin Schoeller

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Starr Ravenhawk, Wicca (neuheidnisches Hexentum)

Wir haben viele Göttinnen und Götter in unserem Glauben, so viele, dass ich sie immer noch nicht alle kenne. Aber prinzipiell glauben wir an ein symbiotisches Leben mit dem Planeten Erde, seinen Tieren, Pflanzen und allem anderen, ohne das wir als Menschen nicht überleben können. Ohne Tiere bekommen wir eben keine Proteine. Ich weiß, Vegetarier sind da pedantisch, aber auch Pflanzen sind fühlende Wesen, von denen wir Nutzen ziehen, indem wir ihnen Leid zufügen. Ich weiß nicht, wie Veganer das sehen, aber für mich ist das ein logischer Gedanke. Und ich bin ein logisch denkender Mensch. Deswegen habe ich ja auch zum Hexenglauben gefunden. Und ich habe schon einige Glaubensrichtungen hinter mir. Als Kind ging ich in die katholische Kirche, da beschwerte sich der Priester bei meiner Mutter, dass ich so viele Fragen und vor allem so viel in Frage stelle. Dann trat meine Mutter in eine Pfingstkirche ein, irgendwann gab es auch mal eine baptistische Phase. Bei der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten wollten sie uns dann vorschreiben, wen wir zu heiraten hätten. Wir mussten da dauernd irgendwelche Jungs aus der Kirche treffen. Ich habe das alles eh immer nur mitgemacht, weil halt meine Mutter daran glaubte. Wie das Kinder so machen.

Mit achtzehn bin ich dann ausgezogen. In Toronto nahm mich eine Mitbewohnerin in Hexenläden mit. Die Bücher dort fand ich interessant. Da gab es nicht nur Götter oder einen Gott, sondern auch Göttinnen, ein Matriarchat. Das leuchtete mir ein. So begann ich mich immer intensiver damit auseinander zu setzen. Wobei einem unser Glaube viel Freiheit lässt. Es gibt da keine zentralen Schriften, keine festgelegten Rituale, nur das Buch der Schatten, das jeder für sich selbst erstellt. Unsere Gottesdienste finden auch meist im Freien statt. Die unterscheiden sich gar nicht so sehr von anderen Religionen. Wir bitten unsere Göttinnen um etwas, wie in einem Gebet. Auch wenn wir es Hexenzauber nennen. So ehren wir unsere Göttinen und damit auch uns selbst.

© SZ.de/cag
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