Fotoserie "Die Gläubigen":"Niemand hat ein Monopol auf Gott"

Martin Schoeller fotografiert religiöse Menschen in New York - im Oktober waren das unter anderem ein orthodoxer Erzbischof und eine Methodistin.

5 Bilder

Freitagsgebet

Quelle: Martin Schoeller

1 / 5

New York ist der Ort mit der größten Zahl unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Fast ein Jahr lang haben wir jede Woche das Bild eines Menschen aus einer der vielen New Yorker Glaubensgemeinschaften gedruckt, aufgenommen von dem Fotografen Martin Schoeller. Die Serie hinterlässt die Erkenntnis, dass niemand allein den besten Glauben für sich reklamieren kann - sondern höchstens alle gemeinsam.

Bhante Heenbunne Kondanna, Buddhist

Ich lebe auf Staten Island, inmitten einer riesigen buddhistischen Gemeinschaft. Wir sammeln gerade Geld für einen echten Tempel, bislang haben wir keinen. Im Leben eines Buddhisten gibt es gewisse Grundprinzipien: nicht zu töten, respektvoll zu anderen zu sein, nicht zu stehlen, Maß zu halten bei Vergnügungen, nicht zu lügen, sich nicht dem Rausch zu ergeben, sei es durch Drogen, Alkohol, Macht oder Geld. Damit fängt es an. Darüberhinaus ehren wir Buddha, die Lehren des Dharma und die Sangha, die Gemeinschaft der Erleuchteten. Wir bringen Blumen, Licht und Gerüche dar. Das Blumen sind Symbole der Schönheit und der sich ewig wandelnden Natur, das Licht ist ein Symbol der Weisheit, der Duft eines der Tugend. Gutes und Böses gehören zum Zyklus des Karma. Solange ein Mensch Karmas hat, wird er geboren und stirbt, wird geboren und stirbt, ein ewiger Kreislauf, den wir Samsara nennen. Ein wichtiges Element ist die Meditation. Wir tragen so viel Gepäck mit uns herum, Eifersucht, Gier, Wut. Aber Unreinheiten können nichts Gutes hervorbringen. Deshalb müssen wir uns reinigen. Dann erreichen wir ein normales Niveau der Aufregung, normale Sorgen und Schmerzen. So einfach.

Freitagsgebet

Quelle: Martin Schoeller

2 / 5

Reverend Cathy Gilliard. United Methodist Church

Was ich an unserer Kirche so liebe, ist ihre Vielfalt. Damit meine ich, dass wir alle in jede Richtung vielfältig sind - politisch, sozial, schwul, lesbisch, hetero, vom Alter her. Das hilft uns an jedem Montagmorgen in eine vielfältige Welt hinein und aus unseren Komfortzonen herauszutreten und uns gegenseitig anders zu sehen. Niemand hat meiner Meinung nach ein Monopol auf Gott. Gott ist voller Geheimnisse und Wunder, er ist mächtig und hat Platz für alle.

Ich hatte Glück, dass mich meine Eltern mit einem sehr offenen Blick auf unseren Glauben erzogen. Glaube war nicht etwas, das man am Sonntag praktizierte, kein Regelwerk aus "du sollst nicht dies" und "du sollst nicht das". Es ging darum, gütig miteinander umzugehen, dem anderen zu verzeihen, über Fehler zu lachen und andere nicht zu verurteilen. Das ist Arbeit. Aber dann gibt es wieder Momente, wenn ich mit meinen Enkeln zusammen bin, wenn ich aufs Wasser schaue und es so friedlich ist. Wenn jemand im Gottesdienst eine Hymne singt, die meine Seele berührt. Das ist alles ein Ausdruck von Heiligkeit, und alle, die Zeit haben und ihre Augen öffnen, werden erleben, dass genau solche Momente ein Ausdruck von Gottes Liebe sind.

Freitagsgebet

Quelle: Martin Schoeller

3 / 5

Rabbi Shlomo Kugel. Lubawitscher

Es mag ein Leben nach dem Tod geben und die Seele unsterblich sein, aber unsere Bestimmung ist das Leben auf der Erde. Und das steht trotz aller Fehler nie im Widerspruch zu Gott.

-

Quelle: SZ

4 / 5

Deokarran Jabudans. Hinduismus

Ich habe mich schon in sehr zartem Alter unserem Glauben verbunden gefühlt. Als ich elf war, hat mir mein Pate, oder Guru, wie wir ihn nennen, eine unserer Predigten gezeigt, und ich fand die Botschaft sehr einleuchtend. Sie hat mich berührt, sie hat mein Herz und meine Seele berührt. Das war meine Erweckung. In unserem Tempel in New York beten wir sehr unterschiedlich. Als Hindus pflegen wir Rituale, wir meditieren und singen gemeinsam. Wir glauben an die Wiedergeburt. Wir glauben, dass der Körper aus fünf Elementen besteht. Erde, Wasser, Äther, Luft, Feuer. Nach dem Tod, kehrt der Körper zu diesen Elementen zurück, und die Seele wird eins mit Gott. Oder sie kommt ebenfalls zurück. Das hängt vom Karma ab, von den guten Dingen, die man getan hat. Ein paar Mal schon habe ich meinen Glauben verloren. Ich merkte aber immer, dass ich damit mich selbst und meinen Lebenssinn verloren hatte. Ich meditierte viel, und heute ist mein Glaube dadurch sogar stärker geworden.

-

Quelle: SZ

5 / 5

Michael Dahulich. Erzbischof der Diözese New York und New Jersey der Orthodoxen Kirche in Amerika

Als Bischof betreue ich mehr als sechzig Pfarrgemeinden, deswegen bin ich jeden Sonntag an einem anderen Ort. Ich versuche, jede Gemeinde mindestens einmal im Jahr zu besuchen. Bei manchen muss ich deswegen auch mal unter der Woche oder am Samstag sein. Aber wenn es ein Sonntag ist, dienen mir als Bischof mehrere Priester, eine Reihe Diakone und Unterdiakone. Die Liturgie ist allerdings immer und für alle die gleiche. Unser zentraler Text ist das Bekenntnis von Nicäa, das in den Jahren 325 und 381 verfasst und bis heute nie verändert wurde. Mit dem bekennen wir uns zur Dreifaltigkeit.

Ansonsten geht es in unserer Kirche um die Vergebung und die Heilung. Auch darum, Leute auf den rechten Weg zurückzubringen, die verwirrt, verloren oder deprimiert sind. Ich habe das selbst erfahren. Nachdem ich das Priesterseminar bestanden hatte, heiratete ich eine wunderschöne Frau und übernahm meine erste Gemeinde. 29 Tage nach unserer Hochzeit hatte ich einen Autounfall, bei dem sie starb. Hätte ich meinen Glauben nicht gehabt, ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre. Ich zweifelte sehr, fragte mich, wenn wir nicht losgefahren wären, wenn ich langsamer oder schneller gefahren wäre, wenn wir früher oder später aufgebrochen wären, wenn ich nie Priester geworden wäre, sie nie geheiratet hätte, wäre sie noch am Leben? Aber mein Glaube zeigt mir, dass ich weitermachen konnte, weil Gott auch in diesem Moment bei mir war, so wie er bei Seinem Sohn war, als er starb. So wusste ich, dass ihr Tod nicht das Ende war.

© SZ/cag
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: