Fotoserie "Die Gläubigen":Leben nach der Bergpredigt

Martin Schoeller fotografiert religiöse Menschen in New York - im Juli waren das eine Anhängerin der Bruderhöfer, ein Indianer und eine Scientologin.

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Freitagsgebet

Quelle: Martin Schoeller

New York ist der Ort mit der größten Zahl unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Der Fotograf Martin Schoeller porträtiert in seiner Feuilleton-Kolumne jeden Freitag einen gläubigen Menschen aus dieser Stadt. Hier finden Sie seine Werke monatlich gesammelt.​

Karen Berg. Gründerin des Kabbalah Centre

Zum Glauben habe ich als Kind gefunden. Ich wuchs in einer säkularen Familie auf, doch mit sieben wusste ich, dass es da eine Kraft gibt, die so viel größer ist als ich. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie ich sie nennen sollte. Später habe ich diesen Glauben dann fast verloren. Ich heiratete sehr jung, bekam zwei Kinder. Aber ich hatte aus den falschen Gründen geheiratet, ich war verloren, hatte nichts. Da fand ich zur Kabbala, weil ich wusste, dass wir zu mehr auf der Erde sind, als nur um zu leben, uns zu vermehren, und zu sterben. Heute feiern wir unseren Glauben in Gebet, Gesang und dem Lesen der Torah. Auch wenn uns die Spiritualität sehr viel mehr bedeutet, als das Ritual. Was andere Gott nennen, ist für uns ein Licht, eine Energie, die allumfassend ist und die eigentlich schöpferische Kraft. Jeder kann die Kabbala studieren, die der esoterische Teil der fünf Bücher Moses' ist. Es kommt nur darauf an, wie viel man bereit ist, dafür zu geben. Doch dann findet man dieser Energie, die niemals verschwindet und so immer Teil unserer Reise ist.

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Michelle Hinkey. Bruderhöfer

Freitagsgebet

Quelle: Martin Schoeller

Ich bin in einer christlichen Familie mit meinen Eltern und fünf Geschwistern aufgewachsen. Ich besuchte Schulen, die von den Bruderhöfern unterhalten wurden, eine christliche Gemeinschaft. Aber an Christus zu glauben und ihm zu folgen, kann niemand an meiner Statt tun. Ich musste meine eigenen Überzeugungen, meinen eigenen Glauben finden. Anders als die meisten anderen christlichen Konfessionen haben die Bruderhöfer keine gesegneten Kirchenbauten. Wenn das Wetter schön ist, halten wir den Gottesdienst oft im Freien ab. In unserer Gemeinde in Harlem haben wir eine Dachterrasse, auf der wir viele unserer Gottesdienstveranstaltungen abhalten. Wie es bei Matthäus 18:20 heißt: "Denn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen."

Jesus sagte seinen Jüngern, dass es zwei wichtige Gebote gibt. Das erste: Liebe Gott den Herrn mit all Deinem Herz und Deiner Seele, mit Deinem Geiste und Deiner ganzen Kraft. Das zweite: Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst. Der beste Weg, Gott und meine Nächsten zu lieben ist für mich, in der Gemeinde der Bruderhöfer zu leben. Für meine Gemeinde ist die Bergpredigt besonders wichtig. In ihr lehrt uns Jesus, wie wir voller Liebe, Demut, Reinheit und Vergebung leben können. Jesus spricht auch viel über das Reich Gottes. Manche Leute glauben, dass es da um all das jenseits des Grabes geht. Das stimmt nicht! Es ist ein Vorbild dafür, wie wir leben sollen. Es ist ein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe. Wir können es nicht erzwingen, aber wir können unser Bestes tun.

Manchmal fällt es so schwer, an einen guten Gott zu glauben, wenn man all das Leid in der Welt von heute sieht. Oder selbst wenn man nur mal einen schlechten Tag hat. Aber wenn ich mich dann umschaue und Gotte Werk und seine wundervollen Kreaturen sehe, Leute, Freunde, Kinder, Natur, Bäume, Mikroorganismen, dann muss ich einfach glauben, auch wenn ich es nicht verstehe.

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Ray Evans Harrell. Kituwa

Freitagsgebet

Quelle: Martin Schoeller

Ich bin in einem Reservat in Oklahoma aufgewachsen. Die Religionen der Indianer waren dort verboten, und ich wurde als Baptist erzogen. Nach dem College und der Armee ging ich nach New York, wo ich mit der indianischen Gemeinschaft dort in Kontakt kam. 1978 unterzeichnete der damalige US-Präsident Jimmy Carter das Gesetz zur Religionsfreiheit für Indianer. Zum ersten Mal konnten wir uns outen, wenn man so will. Vor der Geburt meiner Tochter suchte ich nach einem Cherokee-Medizinmann, der uns helfen konnte. Ich wurde sein Schüler und nach seinem Tod der Priester für die Gemeinde. Unsere Aufgabe ist es, das Wissen um die Kultur und die Traditionen, die Kunst, die Religion, die Erziehung, die Wissenschaft und die gesamte Familienstruktur zu bewahren. Unser Gott ist das, wonach der Menschen sein Leben ausrichtet. Dies verbindet uns mit der Ewigkeit, mit dem Allmächtigen, Allgegenwärtigen und Allwissenden. Wenn man sich vor allem um sein Auto kümmert, dann ist das Auto Gott. Wir setzen uns mit dem Geist der Natur auseinander. Wir würdigen Leben, jedes Leben. Wir gehen davon aus, dass man Leben nicht besitzen kann. Wir haben zwei Gebote. Erstens: Liebe deinen Schöpfer. Zweitens: Verletze niemanden. Die Botschaft ist, dass man für sich selbst verantwortlich ist. Niemand kann sich der Verantwortung für das, was er tut, entziehen.

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Lori Alpers. Church of Scientology

Freitagsgebet

Quelle: Martin Schoeller

Ich fand meinem Glauben in einer Zeit, in der ich durch eine schwere persönliche Krise ging. Ein Freund empfahl mir Scientology, und ich habe mir das dann angeschaut. Eigentlich war ich nicht religiös. Mein Elternhaus war eher kulturell geprägt. Scientology hat dann mein Leben komplett verändert. Es gab viel in meinem Leben, mit dem ich nicht zufrieden war. Damit habe ich mich dann systematisch beschäftigt und an jedem einzelnen meiner Probleme gearbeitet. Nun folge ich den Schriften von L. Ron Hubbard, vor allem seinem zentralen Text "Scientology: Die Grundlagen des Denkens". Der besagt, dass der Mensch ein besserer wird, wenn er anderen hilft und einen ethischen Lebenswandel pflegt. Wenn wir diese Texte studieren, werden wir zu spirituell bewussteren Wesen. Und ja, wir üben unsere Religion in einer Kirche aus.

© SZ.de/cag
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