Fotos von Staatschefs:Auf Gemächthöhe

Hart, unerschrocken, männlich: Putin, Bush und Sarkozy verbreiten eine neue, testosteronschwere Bildsprache. Ihre Botschaft: Weltpolitik ist nichts für Weicheier.

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merkel

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Hart, unerschrocken, männlich: Putin, Bush und Sarkozy verbreiten eine neue, testosteronschwere Bildsprache. Ihre Botschaft: Weltpolitik ist nichts für Weicheier.

Man stelle sich vor: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao auf einem schnittigen Schnellboot (made in China) über den Jangtse sausend, sie in Hotpants und scharfem Bikini-Oberteil, er mit einer Ray-Ban-Sonnenbrille (made in China) und lässig geöffnetem Freizeithemd. Oder die beiden bei einer Klettertour entlang der Chinesischen Mauer: beide in Trekkingstiefeln und Windjacken, mit ihren Rucksäcken symbolschwer an der Last ihres Berufes tragend.

Foto: Reuters

bush

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Es wären Bilder vom großen Abenteuer Politik. Bilder, die sich passend in die Galerie fügen würden, die testosteronstarke Staatsmänner wie George W. Bush und Wladimir Putin geschaffen haben, um zu demonstrieren, dass moderne Weltpolitik nichts für Weicheier ist.

Die Zeiten der Clubsessel- und Hinterzimmer-Diplomatie, in denen sich politisches Schwergewicht meistens auch in der Leibesfülle der Regierungschefs spiegelte und ein passionierter Whiskytrinker und Zigarrenraucher wie Winston Churchill "No sports!" noch zum viel zitierten Grundsatz erklären konnte, sind vorbei.

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kohl

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Die globalen Herausforderungen von den Krisenherden im Irak und in Afghanistan bis hin zu den Verwehungen der Klimakatastrophe verlangen, so vermittelt es die neue Bildsprache, den ganzen Mann: hart, unerschrocken, durchtrainiert - jederzeit bereit, sich den rauen Wind der Welt um die Ohren brausen zu lassen und notfalls selber einzuschreiten: zu Wasser, zu Pferd und in der Luft.

Wo sich Helmut Kohl noch mit Saumagen stärkte und es sich im Urlaub am sturmfreien Ufer des Wolfgangsees gemütlich machte, die beträchtliche Wampe in eine Strickjacke gepackt, da erleben wir nun in Putin den neuen Typus des politischen Outdoor-Helden, der im Abenteurer-Look eines Crocodile Dundee aller Welt seine Muckis zeigt. Stolz warf sich der russische Staatschef am sibirischen Strom Jenissej in die entblößte Brust, seine lange Angel hart auf Gemächthöhe haltend, im Gesicht die Entschlossenheit eines Tundra-Bezwingers.

"Der Präsident zeigt, dass er in beachtlicher physischer Form ist", bewunderte das Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda das Bildnis vom starken Mann und druckte Fitness-Tipps: "Werde so wie Putin!"

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putin

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Auf einem anderen Motiv, erschienen in der Zeitung "Argumenty i fakty" und als Ausriss nachgedruckt im "Spiegel", sieht man den Kremlchef mit nacktem Oberkörper und Gewehr wie Rambo durch die Steppe streifen: Fit for Gun.

Putins Action-Bilder, präsentiert auf der Webseite des Kreml, begeistern nicht nur Russlands Frauen, sondern auch - nicht unbedingt im Sinne des Erfinders - die Gay-Community, die sich an den Film "Brokeback Mountain" erinnert fühlt. Die sibirische Fotostrecke ist der muskulöse Höhepunkt einer ganzen Reihe von Bildern, auf denen sich der russische Präsident schon in Macho-Posen ablichten ließ - sei es im Cockpit eines Kampfjets oder am Steuer schwerer Gefährte, stets signalisierend, dass er für jeden Einsatz bereit und entsprechend gestählt ist.

Er hat da viel gelernt vom großen Cowboy des Geschäfts, dem US-Präsidenten George W. Bush, der im konservativen Amerika das Hemd zwar anlassen muss, sich aber umso lieber als Rancher in freier Wildbahn und auch gerne mal als Bomberpilot inszeniert.

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Silvio Berlusconi, auch er ein Meister der body message, pflegte bei der Selbstdarstellung mehr die italienische Dolce-Vita-Variante: Da ist neben dem Fluidum des Actionhelden immer auch ein wenig Flavio Briatore und plastische Chirurgie dabei. Unvergessen, wie er 2004 seinen Amtskollegen Tony Blair in seiner Villa an der sardischen Costa Smeralda in Piratenverkleidung empfing: mit Kopftuch, Schlabberhosen und lose über der gebräunten Brust geknöpftem Hemd. Halb Seeräuber, halb Lebemann.

In der herrschenden Videokratie sind es die Bilder, die Politik machen und unser Bild von Politik prägen. Keiner weiß das besser als Nicolas Sarkozy, der sich in seiner Rolle als französischer Staatspräsident von vornherein gleich als TV-Serienstar und hemdsärmeliger Polit-Held eingeführt hat: sportlich, emsig, powernd, immerfort schwitzend und strotzend vor Energie. Ein tatkräftiger Macher, kein höflicher Handküsser wie Jacques Chirac. "Sarko" nennen ihn die Franzosen. Sarko: der neue Bonaparte.

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Kaum im Amt, hat er sich schon seine eigene Ikonographie geschaffen: Sarkozy hoch zu Ross wie einst Napoleon, die Zügel fest in der Hand, hinter ihm ein Tross von Journalisten. Sarkozy, wie er nach dem morgendlichen Jogging die Stufen zum Élysée-Palast emporsprintet, seine strammen Waden den geneigten Interpretationen der Frauen darbietend.

Sarkozy in Jeans auf dem Sommersitz der Bushs, in einem Motorboot mit Vater und Sohn dahinflitzend. Zu essen soll es bei Bushs Hamburger und Hot Dogs gegeben haben: men's food. Kein Problem, eventuelle Fettpölsterchen auf späteren Oben-ohne-Fotos werden von befreundeten Journalisten dann wegretuschiert. Wird Maskulinität von den Testosteron-Politikern gezielt als Ressource eingesetzt, verhält es sich bei den Frauen genau andersherum.

Noch immer kaschieren Politikerinnen ihre Weiblichkeit mehr, als dass sie sie herausstellen und mit ihren Pfunden wuchern würden. Feminität wird als Schwäche wahrgenommen, die neutralisiert und kompensiert werden muss. Die gestrenge Condoleezza Rice ist groß darin, ihren durchtrainierten Körper in makellosen Business-Outfits zu verbergen. Und wohl keine beherrscht die geschlechtsneutrale Sachlichkeit (und Versachlichung) so gut wie Angela Merkel. Wo ihre Macho-Kollegen dreist die Hüllen fallen und ihre Muskeln spielen lassen, behält sie die Hosenanzüge an und erledigt einfach nur: ihren Job. Das könnte man langweilig nennen, wenn es in dem großen Show-Politzirkus nicht so wohltuend, richtig und wichtig wäre.

Text: CHRISTINE DÖSSEL; SZ v. 29.8.2007

Foto: Reuters

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