Fotos von Lenny Kravitz:Ein Rockstar schießt zurück

Musiker Lenny Kravitz fotografiert Menschen, die ihn fotografieren: Paparazzi, kokettierende Frauen und Männer, die in Polaroids beißen. Ein Gespräch über das Leben als Promi - und was er in den Augen seiner Beobachter liest.

Von Jannis Brühl, Wetzlar

Lenny Kravitz springt aus dem Bus auf den roten Teppich und der Wahnsinn beginnt. Smartphones, Digitalkameras, Richtmikrofone, Fernsehkameras richten sich auf den Sänger. Fans kreischen "Lenny!", die Chefetage des Kameraherstellers Leica, die den 51-Jährigen eingeladen hat, schüttelt seine mit aufwändigem Schmuck beringte Hand. So weit, so Rockstar. Dann zückt Kravitz seine eigene Kamera - und fotografiert zurück. Seit einiger Zeit macht er selbst Bilder der Paparazzi, der Fans, der Menschentrauben, die sich um ihn bilden, sobald er auf die Straße geht (hier seine Fotos).

Kravitz lebt auf den Bahamas und in Paris, an diesem Dienstag ist er ins mittelhessische Wetzlar gekommen. In der Leica-Firmenzentrale eröffnet er eine Ausstellung seiner Paparazzi-Konter-Fotografien, die von diesem Mittwoch an bis August läuft. "Flash" zeigt statt der Perspektive der Meute die des Objekts ihrer Begierde. "Einen Tanz von Jäger und Beute", schreibt Kravitz im Bildband. Er hat nicht nur seine Kamera mitgebracht, sondern auch sieben Minuten für ein Interview.

SZ.de: Mister Kravitz, Sie gehören zu den wenigen Menschen, die praktisch immer fotografiert werden, wenn sie in die Öffentlichkeit gehen. Jetzt fotografieren Sie zurück. Ist das Selbstverteidigung?

Lenny Kravitz: Am Anfang hat es mich genervt, wenn ich rausgehen und fotografieren wollte und von all diesen Leuten bombardiert wurde. Aber nach ein paar Wochen dachte ich mir: Welche Wahl habe ich denn? Eines der besten Dinge an der Kunst ist es, authentisch damit umzugehen, wer du bist und was dir gegeben wird. Und mir wurde eben diese Situation gegeben. Also sagte ich mir: Okay, dann fotografiere ich eben das hier. Dann habe ich angefangen, zurückzuschießen.

Leica - Flash by Lenny Kravitz Vernissage In Wetzlar; Lenny Kravitz 10

Auch bei der Eröffnung seiner Ausstellung in Wetzlar machte Lenny Kravitz Fotos.

(Foto: Getty Images for Leica)

Wie reagieren die Leute?

Es bringt sie kurz durcheinander, aber dann fotografieren sie weiter. Oder sie lachen, nach dem Motto: "Was macht der da?" Ich habe mir ja wirklich die Zeit genommen, mir meinen Weg gebahnt und immer weiter geknipst.

Wie kam es dann zum Projekt "Flash"?

Ich habe am Anfang gedacht: Interessant, aber ich wollte doch eigentlich ganz andere Dinge mit der Kamera festhalten. Ein Freund von mir, Jean-Baptiste Mondino, ein großartiger Fotograf, wollte dann meine Bilder sehen. Ich hab ihm alles mögliche gezeigt, Porträts und anderes. Aber er hat immer wieder gesagt: "Die Bilder von den Leuten, die dich fotografieren - das sollte das Erste sein, was du veröffentlichst. Du bist in einer Position, etwas zu tun, was noch nicht getan wurde. Etwas zu zeigen, was noch niemand so gezeigt hat." Dann habe ich die Fotos mehr Leuten gezeigt, die sie auch interessant fanden, also machte ich den Bildband. Ich habe die Fotos mit einer Leica gemacht, bevor ich mit dem Unternehmen zu tun hatte.

Haben Sie ein Lieblingsbild - eines mit einer besonderen Geschichte?

Es ist, glaube ich, das allererste. Ich bin in einem Laden, der Ledermäntel verkauft. Man sieht die Leute, die zu mir reinschauen, den Mantel an der Schaufensterpuppe. Als ich später die Komposition sah, all die Gesichter und Augen, und mir die Zeit nahm, in sie hineinzusehen, da dachte ich: Ich habe bisher nie darüber nachgedacht, wie das eigentlich alles aussieht, was mir passiert - so fühlt es sich also an. Ich war ja von der Straße in den Laden gelaufen, um mich zu verstecken! Ich dachte, sie würden verschwinden. Dann drehe ich mich um - und da stehen sie alle mit ihren Kameras und Telefonen.

Lenny Kravitz Flash Fotos 8

Nach seiner Flucht in ein Klamottengeschäft drückte Lenny Kravitz ab.

(Foto: Lenny Kravitz)

Was sehen Sie in den Gesichtern der Menschen, die Fotos von ihnen machen wollen?

So viele verschiedene Stimmungen. Albernheit, Ernsthaftigkeit, Leidenschaft, Verrücktheit. Sogar Traurigkeit oder Einsamkeit.

Was sollen die Betrachter aus Ihren Fotos mitnehmen?

Ich sage niemandem, was er mitzunehmen hat. Es ist wie mit Musik: Du schreibst ein Lied und hast etwas Bestimmtes im Sinn. Dann kommt jemand auf der Straße zu dir und sagt: "Mann, der Song, der hatte diese bestimmte Wirkung auf mich - das meintest du doch damit, oder?" Und ich denke mir: Ich meinte etwas völlig anderes. Das ist das Großartige an Kunst.

Haben Sie durch die Fotos etwas über ihr eigenes Leben als Prominenter herausgefunden?

Dass es sehr surreal ist. Viele der Bilder beschreibe ich als felliniesk: Wenn Sie einen Film von Fellini schauen, sehen Sie all diese Charaktere und ihre ganze Seltsamkeit. Mein Leben ist auch so.

Was ist auf Ihren anderen Bildern?

Dinge mit Seele. Ich habe Fotos von Menschen auf der Straße, von Menschen, die ich auf meinen Reisen treffe, selbst von Gegenständen. Ich bin definitiv auch von William Eggleston inspiriert (US-Fotograf, der sich auf scheinbar banale Objekte konzentrierte und so die Fotografie revolutionierte; Anm. d. Red.).

Sie machen Musik, schauspielern, zum Beispiel in "Hunger Games", jetzt fotografieren Sie. Was kommt als Nächstes?

Es wird eine weitere Fotoausstellung geben, aber nicht mehr solche Bilder - auch wenn ich heute noch ein paar Aufnahmen von Leuten gemacht habe, die mich fotografiert haben. Als Nächstes mache ich, was auch immer mein Herz berührt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: