Fotokunst:Eine Reise ins Eis

Magdalena Jetelová, Conversation, 2018

Irgendwo zwischen Erde, Wasser und Eis musste Magdalena Jetelová ausharren, um ihre Lichtspuren zu fotografieren.

(Foto: Magdalena Jetelová)

Magdalena Jetelovás Ausstellung "Essential is Visible" in der DG-Galerie

Von Evelyn Vogel

Es war eine ungewöhnliche Reise ins Eis, die Magdalena Jetelová unternahm. Eine Reise in jenes Eis, das man bis vor Kurzem ohne langes Nachdenken das ewige nannte. Doch mit jedem neuen Hinweis auf die Erderwärmung, die fruchtbares Land in Wüsten verwandelt, Permafrostböden tauen lässt, Trockengebiete überflutet, die Entstehung von Wirbelstürmen in eigentlich viel zu kalten Meeresregionen ermöglicht, kurzum: Mit jeder neuen Hiobsbotschaft über den Klimawandel schmilzt auch die Selbstvergessenheit im Umgang mit der Sprache über das Eis.

Nun könnte man sagen, Jetelovás Reise ins Eis passe perfekt in die "Fridays for Future"-Zeiten. Doch das Thema der Veränderung unseres Lebensraumes durch den Klimawandel beschäftigt die Künstlerin in ihren Land-Art-Projekten schon viel länger. Die Aufnahmen, die derzeit unter dem Titel "Essential is Visible" in der Galerie der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst (DG) zu sehen sind, entstanden 2018. Die Idee dazu ist entsprechend älter. Darüber hinaus kann man ihr jüngstes Gesamtprojekt "Pacific Ring of Fire" als Weiterentwicklung des "Iceland Projects" sehen, das Jetelová bereits 1992 realisiert hat. Beide Male arbeitete sie mit einem Laserstrahl, dessen Licht sich in die dunklen Schwarz-Weiß-Aufnahmen geradezu hineinzufräsen scheint. In Island folgte dieser Strahl - mitunter schnurgerade - der Form eines Bergrückens, der dort verläuft, wo die europäische auf die amerikanische tektonische Platte trifft.

In der Antarktis nutzte sie mathematische Berechnungen, um - irgendwo zwischen Erde, Wasser und Eis - die geologische Nahtstelle festzulegen und mithilfe des Laserstrahls zu kennzeichnen. Dass sie für die Langzeitbelichtungen oft stundenlang zwischen Eisbergen auf einem schwankenden Boot ausharren oder für den passenden Standort eisbedecktes Land erklimmen musste, von dem vermutlich nicht immer klar war, ob es sich tatsächlich um das arktische Eisschild, um Schelfeisgebiete oder doch nur um riesige Tafeleisberge handelt, muss eine unglaubliche Herausforderung an Körper und Geist gewesen sein. Vor allem wenn man bedenkt, dass sie mit dem Laserstrahl zum einen über Land, Wasser und Eis hinweg exakte Linien zeichnete, zum anderen aber auch Texte ins Dunkel der Nacht schrieb. Und immer mussten die Lichtspuren von der Kamera festgehalten werden, bevor sie aufgrund von Zeit und Raum verwischt wurden. Die Aufnahmen präsentiert Magdalena Jetelová in zwei Meter breiten Leuchtkästen, die einen fast magischen Sog entwickeln.

Den Leuchtkästen gegenüber ist in der Ausstellung in der DG ein Filmloop in Farbe projiziert, der die Betrachter mitten hinein versetzt ins schmelzende Eis. Die Scholle, die da vor dem Auge des Betrachters auf- und niederschwankt, wirkt alles andere als majestätisch. Auf der Balustrade der DG-Galerie ist zudem ein Projekt Jetelovás zu erkunden, in dem es um den Mond und seinen Bezug zur Erde, genauer, unseren akustischen Bezug zu ihm geht.

Dass das Thema der Grenzen für Magdalena Jetelová so eine wichtige Rolle spielt, mag auch damit zusammenhängen, dass sie einst der Begrenztheit der Tschechoslowakei entfloh. Seither lebt die 1946 im tschechischen Semily geborene Künstlerin überwiegend in München, wo sie viele Jahre auch eine Professur an der Akademie innehatte. Bekannt geworden war die Documenta-8-Teilnehmerin durch ihre großen Holzskulpturen von Tischen, Stühlen oder Treppen. Für Aufsehen sorgte ihre pyramidenartige Aufschüttung im MAK in Wien. Bedeutung erlangte ihre Fotoserie des Atlantik-Walls. Auch dies eine Grenzerfahrung - und eine Reise, die das Wesentliche sichtbar machte.

Magdalena Jetelová: Essential is Visible, Galerie der DG, Finkenstr. 4, bis 7. Dez., Di-Fr 12-18 Uhr

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