Fotografie:Unter Schichten

Der Fotograf Roger Ballen schenkt dem Münchner Fotomuseum 175 Arbeiten

Von Evelyn Vogel

"Ballenesque" hieß die Retrospektive des Fotografen Roger Ballen vor einem Jahr in der Kunstsammlung Jena. "Ballenesque" heißt ein Bildband, der ebenfalls im vergangenen Jahr über Ballen erschienen ist. Und es ist keine große assoziative Meisterleistung, ballenesque vonkafkaesk abzuleiten. Vor allem dann nicht, wenn man tiefer in die bedrohlich-verstörenden Bildwelten des gebürtigen US-Amerikaners eindringt, der 2014 auch die Edition 46 des SZ-Magazins gestaltete.

Für seine Fotografien ist Ballen, der seit den Siebzigerjahren in Südafrika lebt, bekannt. Mittlerweile hat er seine abgründigen Fantasien aber auch als Regisseur in Videoclips wie dem der südafrikanischen Rap-Rave-Band Die Antwoort eingesetzt. Und bei der am Mittwoch beginnenden Wiesbaden-Biennale hat er in der heruntergekommenen City-Passage Rauminstallationen von bedrückender Absurdität geschaffen, ein unheimlicher Kunstparcours, den er als Filmsetting nutzte.

Roger Ballen

"Headless", veröffentlicht 2009 in der Serie Asylum.

(Foto: Roger Ballen)

An diesem Dienstag aber legte er in München einen Zwischenstopp ein. Nicht um eine Ausstellung zu eröffnen, einen Film zu promoten oder ein Buch vorzustellen. Sondern um dem Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum ein fotografisches Konvolut von 175 Originalabzügen zu schenken. Ein Konvolut, das im Wesentlichen die hier 2010 gezeigten Retrospektive Roger Ballens umfasst, aber um einige neuere Arbeiten erweitert wurde. Eine Sammlung von Arbeiten Roger Ballens, wie sie kein anderes Museum in Europa aufzuweisen hat.

Zu verdanken hat die städtische Institution dies sicher auch Sammlungsleiter Ulrich Pohlmann, der Ballen seit den Neunzigerjahren kennt und die damals für mehrere Jahre tourende Retrospektive mit Ballen initiiert und organisiert hatte. So war es auch kein Wunder, dass Pohlmann mächtig stolz war bei der Vorstellung der Schenkung, auch wenn er dies angesichts weitaus größerer Schenkungen und Nachlassübernahmen durch die von ihm geleitete Institution hinterher bescheiden "eine kleine, feine Schenkung" nannte. Weniger bescheiden nannte Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers die Schenkung "groß und wichtig" und dankte Pohlmann, ohne dessen persönlichen Kontakte und Leistungen als Sammlungsleiter eine derartige Übernahmen nicht möglich gewesen wäre. Dies sei "ein wunderbarer Tag für das Kulturleben in München".

Roger Ballen

Noch dem Stil der Streetphotography verbunden, entstand Roger Ballens "Clown, USA" aus der Serie Civil Rights von 1969.

(Foto: Roger Ballen)

Die Schenkung macht überdeutlich, wie sehr Roger Ballen mit seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die er in den Sechzigerjahren noch mit einer Kleinbildkamera, später ausschließlich mit einer Mittelformatkamera gemacht hat, tiefer und tiefer in klaustrophobische Abgründe der Gesellschaft, aber auch der eigenen Psyche eintauchte. Geboren 1950 in New York, studierte er Psychologie und reiste von 1973 an für mehrer Jahre durch die Welt. Die ersten dabei entstandenen Fotos veröffentlichte er 1979 in dem Buch "Boyhood". Anfang der Achtzigerjahre, nach einem Geologiestudium, zog es Ballen endgültig nach Südafrika. Dort entdeckte er die Dorps, dörfliche Gemeinden, in denen Nachfahren der Buren lebten. Die Menschen, die er dort in ihren heruntergekommenen Absteigen fotografierte, entsprachen so wenig der Rassenideologie des Apartheidsystems für Weiße, dass die 1986 in "Dorps. Small Towns of South Africa" und 1994 in "Platteland" erschienen Aufnahmen, für gewaltige Aufregung sorgten und Ballen weltweit bekanntmachten.

Seither ist er mit seinen Aufnahmen immer tiefer in gesellschaftliche und menschliche Unterschichten vorgedrungen, hat diese mit Hilfe von Zeichnungen und Installationen psychologisch verdichtet. Beängstigend ballenesque.

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