Wenn die Todesnachricht eine Erlösung wäre: Der spanische Fotograf Gervasio Sánchez porträtiert seit 25 Jahren die Angehörigen von Verschwundenen - die meisten waren politisch unerwünscht. Die Bilder.
Geblieben ist ihnen allen nur ein Foto und die zermürbende Ungewissheit. Sie wissen nicht, wann, wie und wo das Leben ihrer Väter, Schwestern, Söhne oder Ehefrauen zu Ende ging. Sie wissen noch nicht einmal mit Sicherheit, ob ihre Angehörigen überhaupt tot sind. Seit Jahren oder Jahrzehnten warten sie auf eine Nachricht, ein Zeichen. Immer begleitet von einem quälenden Rest Hoffnung, dass das Unmögliche wahr werden könnte, dass der verschwundene Bruder oder die Mutter doch noch lebt. Der spanische Fotograf Gervasio Sánchez hat Menschen porträtiert, deren Angehörige verschleppt wurden und seither verschwunden sind. Seit 25 Jahren reist Sánchez durch Lateinamerika, Asien und Europa und dokumentiert diese grausame und oft vergessene Seite bewaffneter Konflikte. Seine umfangreiche Porträtserie von Menschen aus zehn Ländern zeigt, dass das Verschwindenlassen keine Ausnahmeerscheinung ist. Es ist eine politische Methode, die staatliche Regimes systematisch eingesetzt haben und die in einigen Ländern bis heute praktiziert wird, um Gegner zu bekämpfen und Angst zu schüren. Sánchez' Fotos sind Zeugnisse dieser perfiden Repression, bei der nicht nur das Opfer selbst gefoltert wird, sondern auch dessen Angehörige jahrzehntelang gequält werden.
Text: Inga Rahmsdorf/SZ vom 27. April 2011/sueddeutsche.de/dato/rus
Alle Bilder: Gervasio Sánchez