Fotografie:Eisenbahnliebe

Historische Aufnahmen des amerikanischen Fotografen O. Winston Link sind im Kunstfoyer zu sehen

Von Evelyn Vogel

Es ist eine Liebeserklärung an eine untergehende Epoche. An jene Zeit, als mächtige Stahlrösser ratternd, schmauchend und pfeifend durch die Weiten des amerikanischen Kontinents dampften und den Pioniergeist früherer Einwanderergeneration weitertrugen. In seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen hat O. Winston Link diese Epoche für die Nachwelt festgehalten. Zu sehen sind sie derzeit im Kunstfoyer der Versicherungskammer sowie als Plakate im sogenannten "Kunsttunnel", der Verbindung zwischen den U-Bahn-Stationen U3/U6 und U4/U5.

Lange schon hatte sich der Bauingenieur und Werbefotograf aus New York mit der Idee getragen, den dampfenden Kolossen ein Denkmal zu setzen. Als sich dann Mitte der 1950er-Jahre das baldige Ende der Dampflokomotiven tatsächlich abzeichnete, dokumentierte Link in wenigen Jahren all die Züge, die für eine der letzten, unter Dampf fahrenden Eisenbahngesellschaften, die Norfolk & Western Railway, unterwegs waren. Ihre Strecken verliefen vor allem durch das ländliche Virginia. Entsprechend sind auf Links vorwiegend in Schwarz-Weiß fotografierten Bildern unspektakuläre Landschaften, kleinstädtische Bahnstationen und bescheiden lebende Menschen zu sehen.

Doch all das ist sowieso nur Staffage. Eine, die zumeist nur blitzlichtartig aus dem Dunkel der Nacht auftaucht. Denn Link hatte alsbald bemerkt, dass das, was das Wesen der Loks ausmacht, am besten gegen den dunklen Nachthimmel zur Wirkung kam: der Dampf. So baute er sein ausgetüfteltes Equipment - Spezialleuchten und Blitzlichter, Stative, Serienschaltungen und hunderte Meter von Kabeln - in dem mitunter unzugänglichen Gebiet unterhalb von Gleisen und Brücken auf, um im Moment des heraneilenden Zuges die nächtliche Szenerie zu illuminieren und zu fotografieren.

Fotografie: O. Winston Link und George Thom mit verschiedenen Blitzlicht-Apparaturen, New York City, 1956.

O. Winston Link und George Thom mit verschiedenen Blitzlicht-Apparaturen, New York City, 1956.

(Foto: O. Winston Link/O. Winston Link Museum, Roanoke, Virginia)

Ein Paradebeispiel einer oft erst nach stundenlangem Warten zustande gekommenen, punktgenauen Aufnahme der vorbeieilenden Züge ist die eines Drive-in-Kinos in West Virginia 1956. Eine Szenerie, für die Hitchcock hätte Pate stehen können. Das in einem geöffneten Cabrio eng umschlungen sitzende Paar schaut über alle anderen Autos hinweg auf die Open-Air-Leinwand, auf der just in dem Moment ein Flugzeug im Film seine Kreise zieht, als der Zug an dem Acker vorbeirauscht. Was für eine geniale Aufnahme!

Ein Raum in der Ausstellung zeigt Farbfotos, denen Link aber nicht viel abgewinnen konnte, wie ein Zitat belegt: "Die Lokomotiven sind schwarz. Die Kohle ist schwarz. Die Gleise sind schwarz. Die Nacht ist schwarz. Warum sollte ich also Farbe nehmen?" Übrigens: Wassertürme, Bahnhofspersonal und Lokomotivführer stolz posierend vor den Zügen gibt es zuhauf auf Links Bildern, die zudem mit zahlreichen Details zu den Zügen, aber auch zur Fotoausrüstung versehen sind, so dass Zug- wie auch Fotofans voll auf ihre Kosten kommen. Kohleschaufelnde, rußgeschwärzte Menschen oder Lokführer fahrend im Führerstand sind nirgends zu sehen. Link verharrte auf der außenstehenden Beobachterposition. Dass er die wuchtigen Dampfrösser dennoch heiß und innig bewunderte, belegen nicht nur seine Fotos, sondern auch einige Schallplatten, auf denen er den Sound der Eisenbahn verewigt hat.

O. Winston Link. Retrospektive, Kunstfoyer der Versicherungskammer, Maximilianstr. 53, bis 26. Jan., tägl. 9-19 Uhr

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