Fotografie-Band "Face":Gesichter, hübsch wie das Leben

Narben, Pickel, krumme Nasen: Der Fotograf Bruce Gilden definiert über seine schonungslosen Frontal-Porträts eine neue Form von Schönheit.

8 Bilder

Face Bruce Gilden

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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US-Fotograf Bruce Gilden liebt das Schonungslose, er zelebriert das Unvollkommene - und gibt in seinen Bildern allen menschlichen Makeln Raum.

Der Höhepunkt dieser Kunst ist nun in seinem neuen Fotoband "Face" erreicht: Narben, Pickel, krumme Nasen, aufgeblasene Lippen und zu Spinnenbeinen getuschte Wimpern - Gilden hat sie in Gesichtern von Amerikanern und Engländern gefunden und so liebevoll direkt in Szene gesetzt, dass es schon hasserfüllt wirkt. Oder andersherum?

Im Bild: Sherri, Romford, Essex, England

Andy West Bromwich

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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Die Menschen sind oft gezeichnet von Gewalt, Armut, Alkoholismus, Drogensucht. Sie sind Außenseiter der Gesellschaft.

Gilden, seit 2002 Vollmitglied im berühmtem Fotografen-Kollektiv Magnum, ist für seine unerbittlichen Bilder bekannt, für die er auf der Straße einfach Menschen aus nächster Nähe ins Gesicht fotografiert oder sie in all ihrer menschlichen Fehlerhaftigkeit am Strand von Coney Island ablichtet.

Andy, West Bromwich, England

Face Bruce Gilden

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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"Mein Stil hat sich so entwickelt, weil ich gern unter normalen Menschen bin", hat er einmal gesagt. Als Kind interessierte er sich für Wrestling, "da mochte ich immer den hässlichsten Wrestler am meisten, es war für mich also einfach, zu wählen, was ich fotografieren wollte".

Für besonders krasse Effekte verhärtet er auch gern mal Tageslicht mit extra Blitzlicht. Gilden ist stets auf der Suche nach dem, was er "Charaktere" nennt, und er findet sie auf der Straße, die der gebürtige New Yorker sein "zweites Zuhause" nennt.

Britney Mey, St. Paul, Minnesota, USA

Face Bruce Gilden

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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Dieses Bild entstand in einem englischen Schönheitssalon. Normalerweise hält Gilden seinen Fotografie-Objekten ungefragt das Objektiv entgegen - für die Bilder in "Face" haben aber alle abgebildeten Menschen ihre Zustimmung gegeben. Die Aufnahmen sind laut Verlag deshalb "gemeinschaftliche Porträts".

Betty, West Bromwich, England

Face Bruce Gilden

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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Die Bilder in "Face" sind allerdings weniger weichgezeichnet als Gildens Arbeiten sonst. Es fehlt auch der Kontext, in dem er Menschen gewöhnlich zeigt - Straße, Strand, Umwelt, andere Menschen. Die Gesichter füllen den ganzen Fotorahmen aus und zwingen den Betrachter dazu, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

"Schonungslos grausam" nennt sie der Guardian-Autor Sean O'Hagan und kritisiert sie als einen "Katalog von menschlichen Grotesken".

Dewayn, Des Moynes, USA

Face Bruce Gilden

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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In einem Essay im Buch erklärt Autor Chris Klatell, es gehe bei den Bildern darum, den Entrechteten ihre von der Gesellschaft verweigerte Anerkennung zu geben und den Menschen einen Spiegel vorzuhalten. Ihnen die Gesichter zu zeigen, von denen sie normalerweise den Blick abwenden.

Und einen persönlichen Bezug bringt Gilden, aufgewachsen in den 40er und 50er Jahren im Arbeiterviertel Brooklyn, auch in das Buch: "Das sind Gildens Leute, seine Familie", schreibt Klatell. "Er hat die Zähne mit ihnen gemein, die Bartstoppeln, Schürfwunden, Hautunreinheiten, ihre Angst vor dem Tod. In den Stirnfalten der Frauen, ihren eindringlichen, zweideutigen Blicken sieht er das Gesicht seiner eigenen Mutter, bevor sie sich selbst umgebracht hat."

Debbie, West Bromwich, England

Face Bruce Gilden

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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Die Porträts sollen Fragen aufwerfen beim Betrachter darüber, wie weit seine Empathie reicht und ob er bereit ist, auch Schönheit zu akzeptieren, die nicht einfach zu konsumieren ist.

Derek, St. Paul, USA

Face Bruce Gilden

Quelle: Bruce Gilden/Magnum Photos

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Gilden hat an "Face" mehrere Jahre gearbeitet. Man soll seine Protagnonisten nicht ignorieren, das ist die Botschaft der Fotosammlung. Klatell schreibt dazu den leicht bedrohlich wirkenden Satz: "Wir sind hier, näher als du dich vielleicht erinnerst."

Donna, Las Vegas, USA

"Face" von Bruce Gilden. 104 Seiten, 52 Farbbilder. Dewi Lewis Publishing. 35 Pfund.

© SZ.de/aper/cag/dd
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