Fotograf Günter Zint:Gebrauchsfotograf alter Schule

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Günter Zint ist Zeitzeuge einer der spannendsten Zeiten der Bundesrepublik - in den sechziger Jahren beschloss er, Fotograf zu werden. Seine Bilder und seine Ansichten über die Fotografie im Bilderblog von Süddeutsche.de.

Daniel Hofer

Marianne Fritzen, Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, bei Beginn der Probebohrungen für das Atommüllendlager in Gorleben, 1979. (Foto: Günter Zint)

Er bezeichnet sich selbst als "Gebrauchsfotograf": In der dritten Folge unseres Fotografensteckbriefs stellen wir Günter Zint vor. Er lernte bei der Deutschen Presse-Agentur das Handwerk des Bildjournalisten und arbeitete seit den sechziger Jahren für Magazine wie "twen", "Stern" und "Spiegel" als Fotoreporter. Damit wurde er zum Zeitzeugen einer der spannendsten Phasen der Bundesrepublik. Er fotografierte die Großen der Musikszene, Politiker, Rocker, Huren und ganz gewöhnliche Menschen auf der Straße. Seine Arbeit zeichnet sich durch den subjektiv-leidenschaftlichen Blick und seine politische, soziale und ökologische Haltung aus. Seit 1991 ist Zins Inhaber und Betreiber des St. Pauli Museums in Hamburg. Außerdem gehört ihm das Panfoto-Archiv.

Erzählen Sie uns die Geschichte zu Ihrem Lieblingsbild. Was macht die Aufnahme so besonders?

Marianne Fritzen mit kritischem Blick vor einer Polizeikette. Das Foto entstand am 19. März 1979 in Gorleben bei Baubeginn zum atomaren Endlager. Es war ein Plakat der Grünen im Bundestagswahlkampf in den achtziger Jahren ("Demokratie braucht Luft zum Atmen") und wurde tausendfach als Poster verkauft: "Alle Macht geht vom Volke aus???".

Wann und wie sind Sie zur Fotografie gestoßen?

Mein erstes Foto wurde 1954 in der Fuldaer Zeitung abgedruckt. Mein Vater hatte mir 1953 eine Kamera zu Weihnachten geschenkt, damit ich meine Finger von seiner Rolleiflex lasse.

Haben Sie Vorbilder?

Marianne Fritzen und Tomi Ungerer. Marianne treffe ich als 88-Jährige heute noch auf fast jeder Demonstration gegen den Atomwahn. Sie ist mir ein Vorbild an Aufrichtigkeit, gepaart mit Beharrlichkeit. Mit Tomi bin seit 30 Jahren befreundet und schätze ihn als genialen Künstler, der immer ein fröhlicher Lausbub geblieben ist.

Canon oder Nikon?

Weder noch. Früher habe ich einmal mit Nikon und später mit Canon fotografiert. Heute kann ich wegen Arthrose in den Händen nur noch leichte Kameras halten. Daher fotografiere ich nur noch mit der Lumix GH2 und der TZ22.

Das ikonografische Bild des Jahrhunderts?

Es sind zwei Fotos, die mich damals entsetzt haben. Die napalmverbrannten Kinder, die aus der von Amerikanern angerichteten Hölle eines Dorfes in Vietnam entfliehen (fotografiert von Nick Ut, der das Mädchen danach rettete). Und die Erschießung eines wehrlosen Vietkong durch den Polizeichef von Saigon, die von dem Fotografen Eddie Adams festgehalten wurde. Die Szene aus Saigon kam am selben Abend im Fernsehen, sogar in Farbe. Aber eingebrannt hat sich das Schwarzweißfoto in unseren Köpfen. Heute gehen wir nach solch grausamen Szenen zur Tagesordnung über. Ich denke, wir haben inzwischen eine Hornhaut auf der Seele durch zu viele sichtbare Grausamkeiten. Ich selber habe viele Szenen in Kriegs- und Krisengebieten (Israel 1967, Irak, Nordirland, Türkei) gesehen, die ich bewusst nicht fotografiert habe. Ich kritisiere auch die Preise der World Press Fotos, die inflationär meist für grausame Fotos vergeben werden. Wir müssen Grausamkeiten zeigen und anprangern, aber die Überdosis dieser Wettbewerbe macht uns meiner Meinung nach nur abgestumpfter.

Zoom oder Festbrennweite?

Zoom. Dadurch erspare ich mir schwere Ausrüstungen.

Bei welchem Ereignis wären Sie als Fotograf gerne dabei gewesen?

Beim Woodstock-Festival 1969.

Ihr Tipp für zukünftige Fotojournalisten?

Es ist viel wichtiger, was du fotografierst, als womit du fotografierst. Die beste Kamera ist die, die man im entscheidenden Moment dabei hat.

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