Fotoausstellung "Monumenti":Bombast und Utopie

Zwischen Heldenverehrung und modernistischem Größenwahn: Die Fotoausstellung "Monumenti", die derzeit im Rahmen der Balkantage 2014 im Münchner Gasteig zu sehen ist, verfolgt eindrucksvoll die Erinnerungskultur auf dem Balkan. Und zeigt dabei die radikalen Kehrtwendungen der Geschichte dieser Region auf.

Von Martin Pfnür

10 Bilder

Monumenti, Ausstellung, Denkmal, Foto, Balkan

Quelle: Marko Krojač

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Zwischen Heldenverehrung und modernistischem Größenwahn: Die Fotoausstellung "Monumenti", derzeit im Rahmen der Balkantage 2014 im Münchner Gasteig zu sehen, verfolgt anhand von 44 Denkmälern eindrucksvoll die Erinnerungskultur auf dem Balkan - und zeigt dabei die radikalen Kehrtwendungen der Geschichte dieser Region auf.

Kaum eine europäische Region war im Laufe des 20. Jahrhunderts derart massiven politischen Umwälzungen unterworfen wie der Balkan. Aus einem Flickenteppich, halb im Besitz von Österreich-Ungarn, halb im Besitz des Osmanischen Reiches, wurde im Zuge eines langen Prozesses das Königreich Jugoslawien, das sich später in die Sozialistische Republik Jugoslawien verwandelte, welche wiederum in den Neunzigerjahren in einen Flickenteppich aus Nationalstaaten zerfiel - und das ist nur ein sehr grober Abriss.

Im Bild: Das bereits 1946 begonnene, aber erst 1981 von Vojin Bakić vollendete "Petrova Gora-Monument" auf dem Berg Petrova Gora (Kroatien) gilt als eines der bedeutendsten Werke der Monumentalarchitektur des sozialistischen Jugoslawien.

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Quelle: Marko Krojač

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Friedlich gingen diese Umwälzungen freilich nicht vonstatten, stets waren es Kriege, die den neuen Regierungsformen vorangingen. Kriege, derer Opfer es zu gedenken, deren Traumata es zu überwinden galt. Bei eben diesem Prozess spielt das Denkmal als explizit öffentliche Form der Erinnerung eine entscheidende Rolle, die von den jeweiligen Machthabern als Auftraggebern höchst unterschiedlich genutzt wurde.

Die Chronologie der 44 Denkmalfotografien aus der Balkanregion, die "Monumenti" zeigt, demonstriert dies sehr eindrücklich: So dominierte in der Denkmalkunst etwa während der monarchistisch geprägten Phase des Landes (1918-1941) eine figurative Darstellung, mit der eine öffentliche Erinnerung an Kriegsheldentum und Leid des Ersten Weltkriegs geprägt werden sollte, um die Ideologie eines einheitlichen Jugoslawiens, sprich: um ein "wir" zu fördern.

Im Bild: Das "Denkmal für die gefallenen Soldaten der Region Timok in den Befreiungs- und Einigungskriegen" (1928) von Frano Mengelo Dinčić gedenkt der Gefallenen des Ersten Balkankriegs (1912-1913) und des Ersten Weltkriegs.

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Quelle: Marko Krojač

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Die Tradition der figurativen Denkmalkunst blieb teilweise auch zu Zeiten des Sozialismus erhalten. So stellt etwa das 1961 eingeweihte "Denkmal für Boro Vukmirović und Ramiz Sadiku" in Pristina (Kosovo) eines der eindrucksvollsten Symbole der Nachkriegszeit dar. Ursprünglich befand sich neben der Büste des Albaners Sadiku eine weitere, die den Montenegriner Boro Vukmirović abbildete. Beide wurden zu Zeiten des Sozialismus zu Helden der Volksbefreiungsbewegung stilisiert.

Die Legende besagt, dass die Freunde 1943 von italienischen Soldaten festgenommen wurden, wobei diese Sadiku die Möglichkeit zur Flucht anboten. Der erklärte sich jedoch mit seinem Freund solidarisch und starb mit ihm den Märtyrertod, weshalb das Denkmal einst als Symbol für die "Brüderlichkeit und Einheit" der albanischen und serbisch-montenegrinischen Bevölkerung galt. 1999 wurde die Büste Vukmirovićs während einer Welle von Zerstörungen abgenommen - und gilt nun als Symbol für die tiefgreifenden Konflikte im Kosovo.

Im Bild: "Denkmal für Boro Vukmirović und Ramiz Sadiku" in Pristina (Kosovo)

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Quelle: Marko Krojač

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Mit der Gründung des zweiten, des sozialistischen Staates Jugoslawien (1945-1991) unter Tito kam es in der Denkmalkunst zu einem drastischen Wandel: Abstrakte modernistische Formen, die an die Opfer des Faschismus und den Krieg als sozialistische Revolution erinnern, sollten die Erinnerungskultur nun über Jahrzehnte maßgeblich beeinflussen und erst im Zuge der Kriegswirren der Neunzigerjahre wieder von anderen Darstellungsformen abgelöst werden.

Im Bild: Die 1966 eingeweihte "Steinerne Blume von Jasenovac" (Kroatien) von Bogdan Bogdanovic befindet sich am Platz eines ehemaligen Konzentrationslagers, das unter dem faschistischen Ustaša-Regime errichtet wurde. Das Denkmal verkörpert die Wiedergeburt und das Leben.

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Quelle: Marko Krojač

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Ein wesentlicher Aspekt der modernistischen Kunst im ehemaligen Jugoslawien bestand in der Verräumlichung und Spiegelung "kollektiver Erinnerung". Während die Denkmäler der frühen sozialistischen Jahre den Kriegsgewinn und den Sieg über den Faschismus aufleben ließen, betonten jene aus den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren eher die Erinnerungen an den Krieg als sozialistische Revolution. Oft wurden diese Denkmäler direkt an den "Orten der Revolution" errichtet.

Die meisten riesigen Denkmalkomplexe mit avantgardistischem Gestus verstanden sich dabei als Landmarken eines post-nationalen, ins Universelle ausgreifenden Selbstverständnisses, dem ein Bekentnis zur industriellen Moderne zugrunde liegt. Die Denkmäler dienten damit sowohl der Bewältigung der Vergangenheit als auch der Kontrolle der Zukunft.

Im Bild: Miodrag Živkovićs "Denkmal zur Schlacht an der Sutjeska, 1943" (1973) gedenkt eines Gefechts zwischen den Partisaneneinheiten und den deutsch-italienischen Truppen. Das Monument soll an die Opfer erinnern, die im Kampf zur Erlangung einer neuen Gesellschaftsordnung erforderlich waren.

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Quelle: Marko Krojač

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Der Fall des Kommunismus Ende der Achtzigerjahre ließ ein politisches Vakuum zurück, das zu einem vermehrten Aufkommen ethnonationalistischer Strömungen führte. In diesem Zeitraum wurden Denkmäler, die kommunistische Traditionen verkörperten, häufig zerstört. Im Bereich der Denkmalskunst wandten sich die Nationalisten stattdessen der Vergangenheit zu - in Form figurativer Abbildungen von Königen und Feldherren.

Im Bild: Die 1997 in Tomislavgrad, Bosnien-Herzegowina eingeweihte "König Tomislav-Statue", die den Herrscher des Kroatischen Königreichs im 10. Jahrhundert abbildet, ist den Gefallenen der "König Tomislav-Brigade" gewidmet. Die Brigade wurde als Truppe des Kroatischen Verteidigungsrates gegründet.

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Quelle: Paul Katzenberger

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Zahlreiche Denkmale der Nullerjahre zeichnen sich durch einen bewussten Verzicht auf nationale Symbole und Inhalte aus. Auf diese Weise soll einer politischen oder ideologischen Zweckentfremdung der Denkmäler vorgebeugt werden. So auch im Falle der "Gedenkstätte Srebrenica-Potočari für die Opfer des Völkermordes von 1995" (2003), entworfen von den Architekten Ahmet Kapidžić und Ahmed Džuvić.

Diese Gedenkstätte besteht aus einem Denkmal und einem Friedhof. Seit 2003 werden dort die Opfer des Völkermordes in Srebrenica begraben. Von den über 8000 Opfern konnten bisher etwa 6000 identifiziert und beigesetzt werden. Weitere Tote werden nach ihrer Identifizierung jährlich am 11. Juli (der Tag, an dem das Massaker in Srebrenica 1995 begann) im Rahmen einer großen Zeremonie begraben.

Die Architekten entwarfen den inneren Teil der Stätte in Form einer Margerite, die für Einfachheit und Reinheit steht. Die 8000 Grabsteine des Friedhofs sind wie Blütenblätter um ein Zentrum (Musala) angeordnet. In die "Gedächtnismauer", einer halbkreisförmigen Granitplatte um die Musala, sind die Namen der Opfer eingemeißelt.

Im Bild: "Gedenkstätte Srebrenica-Potočari für die Opfer des Völkermordes von 1995" (2003)

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Quelle: Marko Krojač

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Das Hauptmerkmal einer weiteren postmodernen Strömung der zeitgenössischen Denkmalskunst im ehemaligen Jugoslawien besteht in einem radikalen Bruch mit dem Vorangegangen, einer "Dekonstruktion" des Denkmals. Dadurch sollen alle Wurzeln gekappt und jegliche Anlehnung an nationale oder titoistische Traditionen vermieden werden. Der traditionelle Heldentypus wird dabei mit Abbildungen von Film- oder Musikstars konterkariert.

Im Bild: Boris Staparacs "Rocky Balboa-Statue" wurde 2007 in Žitište, Serbien eingeweiht. Die Metamorphose vom erfolglosen Boxer zum Weltmeister, der seine inneren Dämonen besiegt, fungiert hier als Hauptmotiv.

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Quelle: Marko Krojač

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Die beiden jüngsten Denkmäler, die im Rahmen von "Monumenti" zu sehen sind, bilden den Kontrast der Perspektiven auf die Nato-Intervention im ehemaligen Jugoslawien, die sich gegen Serbien richtete, eindrucksvoll ab.

Das obige Denkmal in Serbien erinnert an einen Luftangriff der Nato auf eine Eisenbahnbrücke, die über den Fluss Južna Morava führt. Bei diesem wurden im April 1999 über 50 Menschen in einem Personenzug getötet.

Im Bild: Das 2009 eingeweihte "Denkmal für die Unschuldigen Opfer der Nato-Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien" (Künstler: unbekannt) in der Grdelica-Schlucht, Serbien.

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Quelle: Marko Krojač

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Die Stadt Prizren im Kosovo ließ derweil ein Denkmal zu Ehren der Internationalen Organisation errichten, das im Juni 2010, am elften Jahrestag der Ankunft der Nato-Truppen im Kosovo, eingeweiht wurde, um die Befreiung der Stadt durch die Hilfstruppen zu feiern.

Im Bild: Das "Nato-Denkmal" in Form des Nato-Symbols ist eine Nachbildung des Denkmals vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel.

Die Ausstellung "Monumenti", entstanden in enger Zusammenarbeit zwischen dem Fotografen und dem "Forum Ziviler Friedensdienst e.V.", ist im Rahmen der Balkantage 2014 noch bis zum 25. März 2014 im Gasteig München zu sehen. (Foyer, Carl-Orff-Saal, Zweites Obergeschoss, Eintritt frei)

Zudem wird "Monumenti" aus Anlass der "Ökumenischen Friedensdekade 2014" von 9. - 18. November 2014 in der Citykirche Aachen gezeigt.

Weitere Informationen unter www.forumzfd.de

© SZ.de/pfn
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