Foto-Ausstellung "This Place":Meisterhaftes Puzzle aus Nahost

This Place Fotoausstellung Frédéric Brenner

Eine jüdische Familie namens Levi, fotografiert 2010 von Frédéric Brenner.

(Foto: Frédéric Brenner)

Zwölf namhafte Fotografen fangen die wohl umkämpfteste Gegend der Erde ein. Ihren frischen Blick von außen auf Israel und das Westjordanland, gebannt in poetische und politische Bilder, zeigt eine Ausstellung mit dem schlichten Titel "This Place".

Von Peter Münch, Tel Aviv

Zeitungen und TV-Nachrichten zeigen seit Jahrzehnten in Endlosschleife die traurige Realität des Nahostkonflikts: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Bild um Bild. Die Momentaufnahmen mögen dabei Antwort geben auf die aktuellen Fragen, doch wer mehr erfahren will über das gelobte und zerrissene Land, der muss hinter die Frontlinien schauen.

Gilles Peress Silwan This Place

Das Stadtviertel Silwan in Ostjerusalem im Jahr 2013, von Gilles Peress

(Foto: Gilles Peress)

Diesen Blick haben nun zwölf international bekannte Fotografen gewagt, die mit den Mitteln der Fotokunst auch altbekannte Urteile und Vorurteile infrage stellen. Und weil sie dies bei allem Aufwand mit größtmöglicher Nonchalance tun, trägt ihr Projekt über den wohl am meisten umkämpften Fetzen Land der Erde den schlichten Titel "This Place". Der französische Fotograf Frédéric Brenner hatte die Idee, sich den Dissonanzen dieses Ortes aus einer Vielzahl an Perspektiven zu nähern, und konnte dafür Namen gewinnen, die allesamt die zeitgenössische Fotografie prägen: Wendy Ewald, Martin Kollar, Josef Koudelka, Jungjin Lee, Gilles Peress, Fazal Sheikh, Stephen Shore, Rosalind Fox Solomon, Thomas Struth, Jeff Wall und Nick Waplington.

Jeder von ihnen hat Israel und das Westjordanland mehrmals und ausgedehnt bereist zwischen 2009 und 2014. Jeder von ihnen hat im Rahmen des Projekts seine Bilder in einem eigenen Buch veröffentlicht. Und jeder von ihnen ist in der Ausstellung zu sehen, die nun bis zum 2. März 2015 im DOX Centre for Contemporary Art in Prag zu sehen ist und danach auf Reisen geht nach Tel Aviv, Florida und New York.

Phantasievoll und widersprüchlich

Zu den vielen Dingen, die bei einem solchen Projekt vorab geklärt werden mussten, gehörte auch die Entscheidung, keinen israelischen und keinen palästinensischen Fotografen einzubeziehen. Es gehe um den "frischen Blick" von außen, sagt der Initiator Brenner, selbst wenn dieser Blick bisweilen vielleicht naiv oder auch arrogant sein mag. Auf jeden Fall ist er im Ergebnis vielschichtig, phantasievoll und ganz bewusst auch widersprüchlich.

Die Amerikanerin Wendy Ewald zum Beispiel hat Kameras an Menschen in 14 verschiedenen Orten in Israel und im Westjordanland verteilt - an einen Ladenbesitzer in der Jerusalemer Altstadt ebenso wie an einen High-Tech-Angestellten in Tel Aviv, an Frauen in einem palästinensischen Dorf und an israelische Soldaten am Toten Meer. So lernt man unmittelbar durch die Augen der Bewohner die Lebenswelten von Israelis und Palästinensern kennen.

Thomas Struth This Place Nazareth

Thomas Struth hat die Verkündigungsbasilika in Nazareth fotografiert.

(Foto: Thomas Struth)

Soldat zertrümmert Kamera

Der tschechische Altmeister Josef Koudelka, bekannt geworden durch seine Fotos vom Prager Frühling 1968, hat sich dagegen mitten hinein ins politische Minenfeld gestürzt und hundertfach die Mauer fotografiert, die Israel von den Palästinensergebieten trennt. Er sieht darin "ein Verbrechen gegenüber dem Heiligen Land" und spricht von einer "deprimierenden" Erfahrung, die er überdies mit dem Verlust einer Kamera bezahlte, die von einem israelischen Soldaten zertrümmert wurde.

Gilles Peress, der für die Agentur Magnum das nahöstliche Konfliktgebiet schon seit den Neunzigerjahren durchmisst, konzentriert sich auf den heiß umkämpften Jerusalemer Vorort Silwan. Die Koreanerin Jungjin Lee dagegen hält bewusst Abstand zum Konflikt mit ihren meditativen Landschaftsaufnahmen aus der Negev-Wüste. Stephen Shore schließlich, die Foto-Legende aus Andy Warhols Factory, antwortet auf die Heterogenität des Landes mit einer heterogenen Auswahl an Bildern unter dem Titel "Von Galiläa bis zum Negev".

Zwölf Fotografen mit zwölf verschiedenen Blickwinkeln versuchen sich so an einem nahöstlichen Puzzle. Mal in Farbe, mal Schwarz-Weiß. Mal sehr persönlich, mal sehr politisch, mal sehr poetisch. Die Auswahl garantiert aber: immer meisterhaft.

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