Foto-Ausstellung "Love":Gefangen zwischen Sex und Kitsch

Mit der Liebe ist das so eine Sache: Sie ist ein mächtiges Gefühl, aber wer sie beschreiben will, ist oft hilflos. Eine Ausstellung in Berlin will ihr näherkommen - und hält sie doch auf Abstand.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

13 Bilder

Ausstellung über Liebe

Quelle: Russell James, Love, Los Angeles, 2006

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"Um einen guten Liebesbrief zu schreiben, musst du anfangen, ohne zu wissen, was du sagen willst, und endigen, ohne zu wissen, was du gesagt hast": Nach Jean-Jacques Rousseau, von dem dieses Zitat stammt, scheinen sich die Macher der Ausstellung "Love" ein bisschen zu sehr gerichtet haben, als sie ihre fotografische Ode an das stärkste Gefühl der Welt gerichtet haben. Denn die Auswahl der Fotos in der Galerie Camera Work in Berlin hat mit dem Thema Liebe nicht so richtig viel zu tun.

Ausstellung über Liebe

Quelle: diverse Fotografen

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Da geht es eher um ausschweifende Erotik, wie in Ellen von Unwerths Bild "When The Cat Is Away" aus der Reihe "The Story Of Olga", ...

Ausstellung über Liebe

Quelle: Michel Comte, Jenny Shimuzu in Bed with another Woman, Los Angeles, 1993

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... oder um sexuelle Phantasien, wie in "Jenny Shimuzu In Bed With Another Woman" von Michel Comte. Und überhaupt um die möglichst aparte Darstellung knackiger Körper in inniger Umarmung ...

Ausstellung über Liebe

Quelle: diverse Fotografen

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... oder schöner junger Menschen, umrankt von Liebessymbolen, wie in Christian Talavinis Bild "Carte L'Amante" (Liebhaber-Karte).

Ausstellung über Liebe

Quelle: David Drebin; ILoveYou with Girl, 2006

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Noch überdeutlicher und schließlich inhaltsleer wird das Thema in Bildern dargestellt, auf denen sogar geschrieben stehen muss, worum es gehen soll, wie bei David Drebins "ILoveYou With Girl", ...

Ausstellung über Liebe

Quelle: Bryan Duffy, Love, For Queen Magazine

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... oder bei Brian Duffys "Love". Vollendet wird diese Fehlsichtigkeit durch Aufnahmen von Prominenten, die auch irgendwie mit dem Thema zu tun haben könnten, ...

Ausstellung über Liebe

Quelle: Michel Comte, Mike Thyson, (Interview), Training Camp, Ohio, 1990

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... wie etwa Mike Tyson, fotografiert mit weißer Taube, von Michel Comte. Was also will uns diese Ausstellung sagen? Dass Schwarz und Weiß gut zusammen passen und die meisten der hübschen Bilder 3500 Euro kosten?

Ausstellung über Liebe

Quelle: Ralph Mecke, Still Life of Black Roses, Paris, 2005

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Abseits von Klischee-Kitsch wie auch Ralph Meckes "Stilleben schwarzer Rosen" ...

Ausstellung über Liebe

Quelle: David Drebin; Wheels and Heels, 2013

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... oder David Drebins "Wheels And Heels"...

Ausstellung über Liebe

Quelle: Nadav Kander, Madonna Child, Boston, 1999

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...gibt es aber glücklicherweise doch noch Fotos, für die sich der Besuch in Charlottenburg lohnt, Bilder nämlich, die eine glaubhaftere Geschichte erzählen. "Madonna Child" von Nadav Kander etwa erinnert daran, dass es mehr gibt als die romantische Liebe zwischen schönen und jungen Menschen. Die Liebe zu Gott etwa, die Liebe zu einem Kind, zu den Eltern - und auch die unerwiderte Liebe, die reine Sehnsucht.

Ausstellung über Liebe

Quelle: Herb Ritts, Maasai Woman and Child, Africa, 1993

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Herb Ritts hat in Afrika "Maasai Woman and Child" fotografiert - um zu zeigen, dass die Liebe uns alle verbindet. Einige der berühmtesten Fotografen der Welt sind hier ausgestellt, mit teils beeindruckenden Arbeiten, die zwar nur manchmal zum Thema passen - aber trotzdem schön anzusehen sind. Diane Arbus, Jeff Koons, Annie Leibovitz, Helmut Newton, Man Ray, Bettina Rheims oder Thomas Ruff: Mehr als 50 Künstler der klassischen und zeitgenössischen Fotografie sind mit 100 Bildern in der Galerie in einem der hübschesten Hinterhöfe Berlins zu sehen. Dementsprechend gut besucht ist die Ausstellung.

Ausstellung über Liebe

Quelle: Thomas Billhardt, Alexanderplatz, Berlin, 1959

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Darunter auch Robert Doisneaus berühmter leidenschaftlicher "Kuss vor dem Rathaus" aus Paris von 1950, eine Ikone der Fotografie und der Liebe - auch wenn das Bild gestellt war, wie sich später herausstellte. Der deutsche Fotograf Thomas Billhardt hat 1959 ein ähnliches Bild auf dem Alexanderplatz in Berlin gemacht (im Bild) - und schwört, dass es sich hierbei aber wirklich um eine authentische Szene handele: "Inmitten der aktuellen Debatte über das Recht, Menschen in der Öffentlichkeit fotografieren zu dürfen, gewinnt dieses Bild für mich an Bedeutung. Ich bin froh, schon damals fotografieren und damit auch die Spontaneität der Liebe frei einfangen habe dürfen", heißt es im Text neben dem Bild. Aufgrund verschärfter Persönlichkeitsrechte sei das heute fast unmöglich, schreibt der Fotograf: "Heute muss man Angst haben, verklagt zu werden, und kommt so als Fotograf nicht mehr in die Intimsphäre. Dabei ging und geht es mir nie um die Personen, sondern um die Schönheit der Sache."

Billhardt hat noch ein weiteres Foto gemacht, das an eine Ikone der Fotografie erinnert und das auch in der Ausstellung gezeigt wird: Der sozialistische "Bruderkuss" zwischen Erich Honecker und Leonid Breschnew, 1979 aufgenommen von Barbara Klemm und nach der Wiedervereinigung auf die Mauer gemalt, war für Billhardt schon fünf Jahre früher ein Motiv, nämlich zum 25. Jahrestag der DDR, auf dem Flughafen Schönefeld. Auch damals schon küssten sich die beiden vor den Fotografen - und Billhardt berichtet: "Sich küssende Menschen wie Politiker in der Sowjetunion zu sehen, hatte für mich immer etwas Befremdliches. Vor dem Zusammentreffen trank man viel, um die Distanz zwischen den Menschen zu verringern. Der Kuss diente dann als Ausdruck der Nähe. Niemand sah bei der Begrüßung zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker, dass Breschnew besoffen war. Ich sah und wusste es. Der Kuss zwischen beiden war nicht echt. Er hatte keine ehrliche Herzlichkeit, er war eine Lüge. Er war lediglich ein Symbol."

Ausstellung über Liebe

Quelle: Steve Schapiro, Robert F. Kennedy and his Wife Ethel on a Campaign Plane, 1968

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Freunde der Promi-Fotografie kommen hier dennoch auf ihre Kosten, so sind unter anderem die Kennedys in sehr privatem Umfeld zu sehen (im Bild), oder auch Angelina Jolie und Brad Pitt inmitten ihrer Kinderschaar am Planschbecken, sowie Robert Redford oder Muhammad Ali in love. Doch es sind vor allem die ältesten Fotos, die den Reiz dieser Ausstellung ausmachen: Ein Foto von einem Künstler mit seinen Musen von 1924, in dem die ganze Thematik schon beschrieben ist - Leidenschaft, Hingabe, unbändige Freude, ob nun zu einem Beruf, einer Aufgabe, einem Kind, Tier oder eben Partner, das ist Liebe.

"Is love like art? Something always ahead, never quite attained?", zitiert die Ausstellung den US-Fotografen Edward Weston, ist die Liebe also wie die Kunst schwer zu begreifen? Muss nicht sein, wenn man sich genügend auf das eigentliche Motiv konzentriert - in beiden Fällen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Februar geöffnet, weitere Infos hier.

© SZ.de/rus/lala
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