Aktionskunst:Der Wald im Haider-Stadion

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Ein Kärntner Mischwald mit Bäumen aus Italien, Belgien und Deutschland - auch diese Tatsache sorgte im Vorfeld für Ärger. (Foto: dpa)

Klaus Littmann pflanzt Bäume im Klagenfurter Wörthersee Stadion und verärgert damit Populisten - auch, weil der Ort seine eigene Vorgeschichte hat.

Von Theresa Hein

Fußball plus Symbolik ist gleich Emotion, die Gleichung ist bekannt und auch, dass da immer ein bisschen Wahnsinn mitschwingt. Gerade ist das mal wieder im Klagenfurter Wörthersee-Stadion zu beobachten, allerdings ohne dass dafür Fußball gespielt würde. Der Neubau des Stadions zur EM 2008 war das letzte Großprojekt Jörg Haiders. Es bietet Platz für 30 000 Besucher, ist Spielstätte des österreichischen Zweitligisten SK Austria Klagenfurt und für diesen ehrlich gesagt ein wenig zu groß. Außerdem kostet es die Stadt jedes Jahr rund eine Million Euro.

Seit Sonntag ist dort die Installation "For Forest" des Basler Kunstvermittlers Klaus Littmann zu sehen, wo sonst Fußball gespielt wird, stehen jetzt 299 Bäume. Littmann hat sich das Stadion nicht bewusst wegen dessen emotionaler Vorgeschichte ausgesucht. Es sei nur einfach sehr schwer gewesen, überhaupt ein Stadion dieser Größe für die Kunstaktion zu bekommen. "Wenn ein Fußballklub einigermaßen erfolgreich spielt, ist so viel Geld involviert, dass es eigentlich unmöglich ist, sich für ein paar Monate mit einem Kunstprojekt einzumieten", sagte Littmann in einem Interview. Das Wörthersee-Stadion, in dem zuletzt Bon Jovi auftraten, war vergleichsweise einfach zu mieten.

Deswegen steht hier jetzt dieser Mischwald, den der Klagenfurter Tourismusverband als "das größte Kunstprojekt Österreichs" anpreist. Den Eröffnungszeitpunkt von "For Forest - Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur" hätten sich Littmann und der Landschaftsarchitekt Enzo Enea angesichts der Amazonasbrände nicht passender aussuchen können. Die Natur sei in Zukunft vielleicht nur noch in "speziell zugewiesenen Gefäßen" zu bewundern, sagt Littmann, vergleichbar mit Tieren im Zoo.

Das BZÖ ruft zur Versammlung mit Motorsägen auf

In dem Projekt kommt vieles zusammen: Klimawandel und der Wald, Profifußball, Kapitalismus, und im Hintergrund geistert auch noch Jörg Haider herum. Das ließ sich das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) , eine von Haider gegründete Abspaltung der FPÖ, nicht entgehen. Seit Wochen wettert die brachialpopulistische Splittergruppe gegen die Kunstaktion: Das Projekt sei wahnsinnig, weil die Bäume nicht aus Kärnten stammten, sondern aus Deutschland, Italien und Belgien (was wahr ist). "For Forest" sei außerdem durch Steuergelder finanziert (was nicht wahr ist, Littmann nennt als Geldgeber anonyme Spender) und halte ferner die heimischen Vereine vom Fußballspielen ab, was teilweise wahr ist: Tatsächlich Pech gehabt hat der Wolfsberger AC aus der Nähe, der sich überraschend in diesem Jahr für die Europa League qualifiziert hat. Weil im Klagenfurter Stadion aber nun diese hölzerne Kunst stattfindet, müssen die Wolfsberger nach Graz ausweichen. In den Augen des BZÖ sind das gleich mehrere Gründe, sich bei der Eröffnung der Kunstaktion mit "funktionsunfähigen Motorsägen" vor dem Stadion zu versammeln.

Die Bäume sollen bis zum 27. Oktober auf dem Rasen des Stadions stehen und dann auf den nahe gelegenen Universitätscampus verpflanzt werden, wo sie ihre Ruhe haben dürften. Gerade müssen sie nämlich Tag und Nacht vor Menschen bewacht werden, die nicht zur symbolischen, sondern zur funktionsfähigen Motorsäge greifen wollen.

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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