Florian David Fitz über das Leben:"Das Theater hat mich verzaubert"

Florian David Fitz am Set von "Da geht noch was!"

Florian David Fitz am Set von "Da geht noch was!"

(Foto: Constantin Film Verleih)

Er spielt Klavier und Saxophon und zeichnet gerne: Florian David Fitz hätte vielleicht das Zeug zum Musiker oder Künstler gehabt, doch er hat auch das Gen für den Schauspieler-Beruf, den er schließlich ergriff. Ein Gespräch über das richtige Leben, die Generation "Smartphone" und seinen neuen Film "Da geht noch was!", der an diesem Donnerstag ins Kino kommt.

Von Anke Sterneborg

"Moment mal, ich hol mir noch schnell ein Wasser", sagt Florian David Fitz und springt barfüßig durchs Hotelzimmer, bevor irgendeine Pressefrau ihn bedienen könnte, und macht es sich anschließend mit angezogenen Beinen im Sessel gemütlich. Für diese Frische, Direktheit und Offenheit ist der Schauspieler, Autor und Regisseur bekannt. Fast könnte man vergessen, dass der 38-Jährige nach der Hauptrolle in der Fernsehserie "Doctors Diary", seinem preisgekrönten Drehbuchdebüt "Vincent will meer" und seinem Regiedebüt "Jesus liebt dich" nicht nur ein Star, sondern auch eine ernstzunehmende Größe im deutschen Mediengeschäft ist.

Aktuell verleiht er jetzt auch dem ebenso erfolgreichen wie oberflächlichen Yuppie Conrad in Holger Haases "Da geht noch was!" einen Unterton von Menschlichkeit, von Melancholie und Herz. Er spielt darin einen Sohn, der das zerrüttete Verhältnis zu seinem Vater (gespielt von Henry Hübchen) nach etlichen Irrungen und Wirrungen verbessern kann. In Berlin sprach Anke Sterneborg mit dem Schauspieler.

Süddeutsche.de: Sind Sie denn tatsächlich schon so weit, sich die Frage zu stellen, ob Sie im richtigen Leben weilen, oder Ihr Leben eine Revision braucht?

Florian David Fitz: Dem Conrad im Film stellt sich diese Frage früher, weil er durch besondere Umstände aus seinem etwas äußerlichen Leben rausgekegelt wird. Solche Momente, in denen man unerwartet so eine Außensicht auf das eigene Leben bekommt, führen ja dazu, dass man sein Leben besser versteht. Bin ich in meinem Leben schon so weit? Natürlich stelle ich mir dauernd die Frage, ob ich das Leben lebe, das ich leben will. Es heißt doch immer, dass sich diese Frage so etwa alle sieben Jahre stellt.

Geht es da nicht auch um Entscheidungen, beispielsweise für oder gegen Fernsehen, für oder gegen kommerzielles Kino?

Selbst im Fernsehen habe ich immer versucht, nicht stecken zu bleiben und mich für alle Möglichkeiten offen zu halten. Mich als Arzt in "Doktors Diary" zu besetzen war damals auch eine ungewöhnliche Entscheidung der Produzenten. Doch gerade weil dieses Arschloch gegen den Strich besetzt war, wurde es spannend - ohne dass ich jetzt sagen will, dass ich kein Arschloch bin, aber vielleicht nicht so offensichtlich wie andere Leute... Auch Vincent (der Titelheld von Vincent will Meer, zu dem Fitz auch das Drehbuch geschrieben hat) war so eine Rolle, in der mich damals keiner gesehen hätte, das wirkte nach außen so, als ob dieser Gutaussehende jetzt mal gerne den Behinderten spielen will, der romantische Held, der sich eine Charakterrolle verschaffen will. Mein Glück war, dass ich das Buch geschrieben hatte und dadurch in der glücklichen Position war, zu sagen, "Hey, ich möchte das aber spielen, könnt Ihr Euch das vorstellen?"

In der Folge von "Vincent will Meer" haben Sie sich im Verein "InteressenVerband Tic & Tourette-Syndrom" engagiert, der Menschen helfen will, die an dieser Krankheit leiden.

Wenn man bekannter wird, kommen viele solcher Gruppen auf einen zu. Eine der Herausforderungen ist, sich da nicht vor jeden Karren spannen zu lassen, weil man dann schnell zum Getriebenen wird und nichts mehr richtig macht.

Wie verhindert man das?

Ich möchte die Dinge des Lebens noch wahrnehmen, da sage ich dann schnell so schreckliche Worte wie "innehalten", was so furchtbar kirchentagsmäßig klingt. Doch dieses Innehalten ist in meinem Alter die Herausforderung. Conrad im Film wird es ja auch von außen aufgezwungen. Das zieht sich in unterschiedlicher Weise durch alle Altersstufen, dem Vater im Film passiert das sehr viel später.

Sehen Sie diesen Conrad auch als Spiegel Ihrer Generation?

Na ja, ich weiß nicht, ob man das immer so verallgemeinern kann. Gestern war meine Generation die 'Generation Golf', die sich mit ererbten Geld bräsig vom Latte Machiato zum Hugo hangelte, heute ist sie die 'Generation Smartphone', die sich nur über Arbeit und Aktien definiert. Morgen sind wir die Wiederbesinner auf die alten Werte, die in neuer Innerlichkeit vor der Biedermanntapete den dreisprachigen Säuglingen die Brust geben. Das ist alles irgendwie wahr, aber mich interessiert ja vielmehr warum so jemand wie Conrad so verzweifelt an der Verpackung festhält. Wei er Angst hat, dass das Paket leer ist. Und darauf stößt ihn der Film. Seine Familie ist nicht toll, genaugenommen ist sie eine Katastrophe, aber leer ist sie nicht.

"Wir in unserer Generation sind eher auf der Suche"

Väter und Söhne sind ja derzeit ein großes Thema im Kino. Denken Sie, dass sich darin eine Umwälzung der Geschlechterrollen spiegelt?

Kinostarts - 'Da geht noch was!'

Florian David Fitz (links) und Henry Hübchen in "Da geht noch was!"

(Foto: dpa)

Es ist tatsächlich so, nachdem es eine Weile lang häufig um die Mütter ging, und um Mütter und Töchter, werden jetzt die Männer und Männerrollen hinterfragt. Natürlich tun wir uns schwer mit unseren Rollen, erst recht wenn man wie Conrad eine sehr taffe und erfolgreiche Frau hat. Da hat es Carl, der meinen Vater spielt, leichter. Er ist ein 68er, ein ehemaliger Gewerkschaftsboss, aber trotzdem auch so ein autoritärer Knochen mit einem ganz klaren Geschlechterbild. Dazu kommt, dass er auch noch so ein Typ mit einer enormen Ausstrahlung ist, dass die Frau daneben wie ein kleiner Baum neben einem großen ganz schief wächst. Diese Frau welkt neben ihm und er merkt gar nicht, dass sie kein Licht kriegt. Das ist eigentlich ein sehr klares Männerbild, wohingegen wir in unserer Generation eher auf der Suche sind.

Seltsamerweise ist Familie immer zugleich Fluch und Glück...

...total und das hat ja auch sehr viel mit der richtigen Distanz und der richtigen Nähe zu tun. Wenn es um die Pflege bettlägeriger Eltern geht, ist das eine Art von Nähe, die für beide Seiten sehr unangenehm sein kann. Ich weiß, dass es meinen Eltern unangenehm ist, darüber nachzudenken, wie das Ende laufen soll und so richtig gute Lösungen haben wir dafür noch nicht gefunden.

Dennoch scheint es in Ihrer Generation einen sehr viel entspannteren Umgang mit diesem alten, deutschen Widerspruch zwischen künstlerischem Anspruch und Unterhaltung zu geben, oder?

Ich will es hoffen! Das versuche ich ganz bewusst, auch wenn mir klar ist, dass in so einen Film dann eben nicht vier oder fünf Millionen Zuschauer gehen. In eine richtig lustige, eindeutige Komödie gehen die Leute sehr viel leichter rein. Es geht mir ja selbst genauso, ich muss Lust haben auf einen Film, um ins Kino zu gehen. So haben wir ja auch bei "Vincent will Meer" probiert, eine Art Trojanisches Pferd zu bauen. Wenn dann im Bauch ein paar Krieger sitzen, um so besser! Das ist natürlich schwerer und komplizierter, doch es ein großer Wunsch von mir, diese beiden Komponenten stärker zusammenzuführen.

Das Ziel Schauspieler zu werden war bei Ihnen relativ früh gesetzt. Erinnern Sie sich noch an den Moment, an dem Sie wussten, das ist es?

So einen konkreten Punkt gab es gar nicht. Ich denke, das war ein bisschen genetisch vorgegeben, es gibt ja in der weiteren Verwandtschaft einige Schauspieler. Das Interesse war jedenfalls da, was meine Eltern wohl immer befürchtet haben. Gleichzeitig gab es bei mir aber auch immer großes Interesse an Musik, und ich habe auch wahnsinnig gerne gezeichnet und gemalt. Dass ich Schauspieler werden will, hat sich dann erst ergeben als ich in Amerika auf der Schauspielschule war, zunächst für ein Jahr, um zu sehen, ob ich das Zeug dazu habe. Selbst nach der Ausbildung habe ich mich noch nicht mit vollem Herzen Schauspieler genannt.

Warum sind Sie nach Boston gegangen, und nicht nach Hollywood oder in Deutschland geblieben?

Oh, eine komplizierte ABC-Frage: Ich wollte ganz pragmatisch ein Jahr ins Ausland, das hatte also nichts damit zu tun, dass ich glaubte, es gäbe hier keine guten Schauspielschulen. Auf der Falckenberg-Schule hätte ich schauspielerisch vermutlich mehr gelernt. Mir war es wichtig, ins Ausland zu gehen, um einen anderen Blick auf die Heimat zu bekommen. Nach Hollywood wollte ich nicht gehen, weil man sich dann klar dafür entscheiden muss, dort eine Karriere aufzubauen, doch ich wusste, dass ich irgendwann wieder zurück nach Deutschland möchte. Da machte es keinen Sinn, dort etwas aufzubauen und dann in Deutschland wieder komplett von vorne anzufangen. Hinzu kam, dass ich ja auch in New York war und vorwiegend am Theater. Nach der Schauspielschule ging es dann vor allem darum, herauszufinden, ob ich von dem Beruf überhaupt leben kann.

"Als Schauspieler ist man darauf angewiesen, aufgefordert werden"

Eine Weile aus Deutschland wegzugehen ist eine Sache, dann eine Schauspielschule zu besuchen, eine andere: Gab es da nicht doch noch einen Zündfunken?

Es war klar, dass ich da nicht auf irgendein durchschnittliches College gehen würde. Die ersten zwei Jahre entsprechen dort ja unserer Kollegstufe, das wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Da haben sogar meine Eltern gesagt, 'Okay, dann probier das doch jetzt aus! Schau, ob Du das Zeug dazu hast. Schau was professionelle Leute dazu sagen.' Und dann habe ich nach dem ersten Jahr ein Stipendium bekommen.

Gab es da nicht irgendwann so eine verzauberte Erfahrung?

Es gab viele verzauberte Erfahrungen. Bei uns waren das in der Kindheit ja eher Filme wie "Star Wars" oder "Indiana Jones", aber auch das Theater hat mich verzaubert. Ich hatte einen ganz tollen Englisch- Leistungskurs, einen großartigen Lehrer, der sehr viel Shakespeare mit uns gemacht hat, worin ich damals einen großen Zauber gesehen habe. Es gab in München eine ganz tolle Einrichtung von der Stadt, eine Spielstadt, die Mini-München hieß, in der viele Berufsstände vertreten waren. Da es gab auch ein Theater, in dem wir pro Woche ein Shakespearestück erarbeitet und in sehr freier Form auf die Bühne gebracht haben. Das hat einen unglaublichen Zauber auf mich ausgeübt, eine echte Initialzündung!

Was bedeutet Ihnen zwischen Kinounterhaltung und Familientherapie das Kinomachen?

Es macht mir wahnsinnig viel Freude, das ist ein unglaublich schöner Beruf, wobei ich in einer privilegierten Lage bin. In meiner Schule in Boston wurde ich darauf vorbereitet, dass man davon vermutlich nicht leben kann. Doch ich konnte von Anfang an wunderbar davon leben. Und dadurch, dass ich selbst schreibe, eröffnen sich mir unendlich viele schöne Möglichkeiten. Normalerweise kommt man als Schauspieler ja nur am Ende an den Set, um mit den Texten zu arbeiten. Eine Welt von Anfang an selber zu kreieren und auf die Beine zu stellen, ist etwas ganz anderes. Während man als Schauspieler ständig unter Leuten ist, ist man beim Schreiben ständig alleine, was sehr schmerzhaft sein kann. Mir macht es ungeheuren Spaß, diese unterschiedlichen kreativen Prozesse erleben zu können.

Laut Isabel Huppert ist das Spielen ja auch ein weiblicher Beruf...

Zumindest hat es etwas Passives. Als Meryl Streep mal vorgeworfen wurde, dass sie so viele schlechte Filme gemacht hat, hat sie gesagt: 'Ihr stellt Euch immer vor, man hätte nur brillante Drehbücher auf dem Tisch. In Wirklichkeit ist man das Mädchen, das beim Highschool Dance auf dem Stuhl sitzt und darauf wartet, aufgefordert zu werden.' Und sie kann ja nun wirklich toll tanzen! Als Schauspieler ist man darauf angewiesen, aufgefordert werden und das kann einen schon zur Verzweiflung bringen. Da hilft es sehr, selbst etwas zu kreieren, wie ich es mit "Vincent will Meer" versucht habe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: