Fitness-Studio-Aristokratie:Prinz im Praktikum

Arbeit an sich selbst: Die Verbindung zwischen Victoria von Schweden und Daniel Westling ist vorbildhaft für das Ineinander von Aristokratie und Prominenz.

Thomas Steinfeld

In der vergangenen Woche trat der ehemalige Gymnastiklehrer Daniel Westling, seit Februar der Verlobte der schwedischen Kronprinzessin, zum ersten Mal in öffentlicher Funktion auf: Er schüttelte Lee Myung Bak, dem Präsidenten der Republik Südkorea, die Hand, als dieser die Königsfamilie in deren Sommerresidenz auf Öland besuchte.

Fitness-Studio-Aristokratie: Inzwischen kann er einen Frack bewegen: Ex-Fitness-Trainer Daniel Westling an der Seite von Schwedens Kronprinzessin Victoria.

Inzwischen kann er einen Frack bewegen: Ex-Fitness-Trainer Daniel Westling an der Seite von Schwedens Kronprinzessin Victoria.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Boulevardpresse bildete Spalier, prüfte Kleidung, Körperhaltung, Bewegungsablauf und war zufrieden. Ginge es nach ihr, darf dieser Mann im kommenden Frühjahr Herzog von Västergötland werden. Eine lange Ausbildung nähert sich damit ihrem Abschluss: Ein mittelmäßiger Schüler aus der Provinz, der Sohn eines Angestellten im öffentlichen Dienst, der gerne Motocross fuhr und meistens eine Baseballkappe trug, erhält ein Adelsdiplom und wird Prinzgemahl, unter den Augen von Millionen.

Eine solche Verwandlung scheint nicht in moderne Zeiten zu gehören, und sie tut es doch. Es gibt offenbar noch eine Aristokratie, und sie reproduziert sich auch ohne Adel. "Riddarhuset", die Standesvertretung des schwedischen Adels, meldete zwar Bedenken gegen die Nobilitierung Daniel Westlings an. Schon der Stammvater des Herrschergeschlechts, der napoleonische Offizier Jean-Baptiste Bernadotte, war bürgerlicher Herkunft, die Mutter der Kronprinzessin, Königin Silvia, ist bürgerlicher Herkunft, und am Blut kann es kaum noch liegen, wenn die Aristokratie auch fürderhin Bestand hat.

Vielmehr scheint es ein gesellschaftliches Bedürfnis nach einem prinzipiellen, sich keinerlei bürgerlichem Kalkül unterwerfenden Herausgehobensein zu geben, das weit über die Neugier und den Klatsch der Boulevardpresse hinausgeht. Es ist so groß, dass Daniel Westling schon heute, ein knappes Jahr vor der Hochzeit, als Prinz im Praktikum auftreten kann, weil er, ganz unangefochten, als solcher gilt.

Der neue bürgerliche Adel

Tatsächlich kennt die bürgerliche Gesellschaft einen eigenen Typ von Adel, den sie aus sich selber heraus schafft: Es ist die Prominenz. Auch sie ist ein Privileg, und wie jedes Privileg verletzt die Berühmtheit das Prinzip der Gleichheit, von dem eine Demokratie lebt. Gewiss, oft, wenn auch immer weniger oft, entstehen Ruhm und Glanz eines Menschen, weil dieser etwas Ungewöhnliches und Bewundernswertes leistete oder leistet. Doch irgendwann verselbständigt sich alle Zelebrität: Wer bekannt ist, wird noch bekannter, eben weil er schon bekannt ist, und viele werden überhaupt nur bekannt, weil ein Zufall sie ergriff und ihr Gesicht in der Öffentlichkeit aufleuchten ließ - sodass am Ende eine eigene Kaste von Menschen entsteht, eben die "celebrities", die Prominenz, denen die Bekanntheit als Merkmal ihrer Existenz anhaftet.

Sie können alles sein. Sie können sich äußern, worüber sie wollen, und es wird gefilmt und für das große Publikum aufgeschrieben. Sie haben keinen anderen Beruf mehr, außer sie selbst zu sein, und begründen so im Publikum eine Vertrautheit, die manchmal enger zu sein scheint als die Nähe zu den nächsten Familienmitgliedern. Sie dürfen sich launisch, bösartig, gemein benehmen, ohne dass man sie deswegen meidet. Im Gegenteil. Kurz, sie sind genau das, was der Adel war, bevor er zum Bürgertum überlief, Geschäfte zu machen begann oder jämmerlich als Zelebrität zu überleben versuchte.

Versuch der Selbstebemächtigung

Das Bedürfnis nach dem bürgerlichen Adel, nach der Prominenz, scheint immer größer zu werden, nicht nur in Gestalt von Zehntausenden mehr oder minder zweifelhaften Berühmtheiten, die durch die populäre Kultur hervorgebracht werden, sondern auch in Form der Anstrengung, der sich offenbar viele sehr gewöhnliche Menschen unterwerfen, um für andere sichtbar und bemerkenswert zu werden. Sie geht vermutlich auch auf das Verlangen zurück, in der Wahrnehmung seiner selbst durch andere auch der eigenen Identität gewiss zu werden.

Ursprünglich also ein eher hoffnungsloser Versuch der Selbstbemächtigung, bringt dieses Verlangen Menschen hervor, die gleichsam als Privatsender ihrer selbst auftreten - und ihre Idole überall dort erkennen, wo es jemandem gelingt, die Aufmerksamkeit von Medien auf sich zu lenken. Und wenn das nicht geschieht, oder wenn die Sendung und deren Erfolg eher zweifelhaft zu geraten scheinen: Wie wunderbar, ja, wie göttlich wäre es, die Prominenz gleichsam natürlich zugeschrieben zu bekommen!

Einen Frack bewegen

Insofern ist die Verbindung zwischen einer Kronprinzessin und dem Besitzer eines Fitness-Studios paradigmatisch für das Ineinander von Aristokratie und Prominenz. Nicht wegen der körperlichen Nähe, die - man kann davon nicht erzählen, ohne auf schlüpfriges Terrain zu gelangen - zwischen Trainern (oder Friseuren, Leibwächtern, Reitlehrern) und Trainierten bestehen muss. Sondern wegen der Arbeit an sich selbst, die Gegenstand des regelmäßigen Besuchs in einem Fitness-Studio ist. Denn das Wissen darum, den Erwartungen eines riesigen Publikums entsprechen zu müssen, drängt die Berühmten offenbar dazu, sich gründlich mit der eigenen Erscheinung zu befassen, mit dem Bild, das im Volk von ihnen verbreitet wird.

"Die Könige", erklärte vor einigen Jahren der Schriftsteller Martin Mosebach in einem Essay für die FAZ, haben "die jahrhundertealten fehlerlosen Stammbäume und den Ballast der Bourgeoisie, Bildung, Wohlanständigkeit und Geschmack . . . abgeworfen, um sich den Massen als Schauspiel und Vollendung von Staat und Gesellschaft darzubieten." Über den Grad von Vollendung kann man streiten. Aber an der Existenz dieser Verbindung von regierenden Aristokraten und Prominenz ist kein Zweifel: "Wissen Sie eigentlich", fragte Martin Mosebach, "was es bedeutet, in einer Zeit, in der jede Fernsehansagerin eine gefeierte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ist, jederzeit und ungehemmt Zugang zum Fernsehen und zu den einflussreichsten Zeitungen zu haben?"

Prominenz indessen kann verschwinden. Als würde sie ihrer selbst überdrüsssig, als könnte sie den eigenen Anblick nicht mehr ertragen, reißt die bürgerliche Öffentlichkeit ihren Helden, haben sie ihren Aufstieg einmal hinter sich gebracht, gern die Kleider vom Leib, stellt sie bloß, demütigt sie, bis sie in der Provinz vertingeln. Sie rächt sich dafür, dass diese das Prinzip der Gleichheit verletzten, indem sie die einst Bewunderten wieder untergehen lässt.

Und auch die Aristokratie kann verblassen, untergehen in profanen Berufen, begraben werden in einer gewöhnlichen Existenz. Mit einer bestimmten Typ von Aristokraten, in der Monarchie, ist das offenbar anders: Denn die sechs Jahre, in denen Daniel Westling nun schon der Begleiter der Kronprinzessin ist, haben ihn sichtlich verändert. Nun kann er offenbar einen Frack bewegen, er kann einem Präsidenten die Hand geben. Er übersteht eine Konversation mit einem Staatsgast. Er hat nicht nur etwas gelernt, sondern ist eine Figur geworden. Eine solche Verwandlung geht über alles Berufliche wie auch über alle Prominenz hinaus. Sie setzt eine lange und starke Tradition voraus, in die man eintritt wie in einen Orden, wohl wissend, dass einem das eigene Leben nun nicht mehr gehört.

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