Gibt es noch Leute, die norwegischen Zuchtlachs essen? Jede Menge. Denn woher kommt wohl der Räucherlachs, den sämtliche Frühstücksbüfetts dieser Welt von drei Hotelsternen aufwärts jeden Morgen so freigebig offerieren? Gut, ein Teil davon stammt aus irischen oder kanadischen Zuchtanlagen, aber das nimmt sich nichts. Es ist jedenfalls ein Norweger, der uns nun in schwarzkomischer Krimiform über dieses ebenso lukrative wie unappetitliche Gewerbe aufklärt. Wer Lars Lenths Lachszucht-Roman gelesen hat, dessen deutscher Titel "Der Lärm der Fische beim Fliegen" viel lustiger und hintersinniger ist als der norwegische ("Die Brüder Vega"), der wird um diese Fischsorte künftig einen großen Bogen machen, wenn er nicht hundertprozentig sicher sein kann, Bio-Wildlachs auf dem Teller zu haben.
Gefangen am besten von einem Fliegenfischer wie Lars Lenth, einem der prominentesten Propagandisten dieser kultigen Angelmethode. Er hat darüber mehrere Bücher geschrieben und war Autor und Protagonist norwegischer TV-Erfolgsserien, die das Thema humoristisch präsentierten. Außerdem ist er Rockmusiker, und als Romanschriftsteller befasst er sich mit den dunklen Seiten der norwegischen Wohlstandsgesellschaft. Vor sieben Jahren stieg er mit dem Titel "Den norske pasienten" ("Der norwegische Patient") ins Krimigenre ein und erfand zwei originelle Quasi-Ermittler: den Outcast und Ex-Auftragsmörder Rino Gulliksen, der sich zum "Öko-Terroristen" wandelt, sowie den konfliktscheuen, alkohol- und tablettensüchtigen, aber grundanständigen Rechtsreferendar Leo Vangen.
Zweihunderttausend Lachse werden in die Freiheit entlassen, die Umwelt leidet
Zeigte ihr erster Fall - noch nicht ins Deutsche übersetzt - die kriminelle Kehrseite von Baerum bei Oslo, der reichsten Gemeinde Norwegens, führt der Fisch-Thriller an die Küste von Helgeland in der Provinz Nordland, wo die Fjordnatur durch die Emissionen einer Lachszuchtfarm aus dem Gleichgewicht geraten ist. Eines Tages werden per Dynamit-Attentat zweihunderttausend mit Schadstoffen und Medikamenten verseuchte Lachse in die Freiheit entlassen: Erboste Umweltaktivisten haben Ernst gemacht, dabei allerdings übersehen, dass ihre Tat unschöne ökologische Folgen zeitigt. Immerhin ist den millionenschweren Geschäftsführern der Anlage, den drei Brüdern Vega, wirtschaftlicher Schaden entstanden. Nun sinnen sie auf Vergeltung, während der Hauptaktionär des Unternehmens, der Milliardär Axel Platou, so weitblickend wie zynisch darüber nachdenkt, wie er sein giftiges Fisch-Imperium vor künftigem Unbill schützen kann. Er versucht seinen Jugendfreund Leo Vangen dafür zu instrumentalisieren, aber der schlägt sich auf die Seite der Umweltkrieger.
Die Gebrüder Vega, von der gleichnamigen Insel (Unesco-Weltkulturerbe) stammend, sind Figuren, die bei aller Skurrilität einen bestimmten Typus neureicher Norweger abbilden sollen: ungebildet, großkotzig und skrupellos. Doch Lars Lenth, der gern mit Ambivalenzen spielt, gibt dem Trio eine kuriose und fast mitleiderregende Biografie: Der Vater, ein gescheiterter Historiker aus Baerum, suchte auf Vega ein Leben im Einklang mit der Natur, fand aber nur eine halbe Sportlehrerstelle und rächte sich dafür an seinen Söhnen, die er mit Zweitvornamen nach römischen Kaisern beschenkte und regelmäßig brutal verprügelte, inspiriert vom Thema seiner Magisterarbeit, "Gewalt als Machtmittel im Weströmischen Reich".
"Die spinnen, die Norweger", denkt man nicht nur an dieser Stelle, und genau das macht den Lachskrimi so lesenswert. Das Whodunnit-Schema greift hier nicht, obwohl es sogar noch Tote gibt. Dafür treten ein junger Öko-Romantiker, eine resolute Umweltschützerin und eine melancholische Meeresbiologin auf, Liebesgeschichten bahnen sich an, und am Ende siegt eine leicht makabre Gerechtigkeit. Leo Vangen, soviel ist sicher, wird auch weiterhin Gelegenheit haben, im Trüben zu fischen.
Lars Lenth: Der Lärm der Fische beim Fliegen. Aus dem Norwegischen von Frank Zuber. Limes Verlag, München 2018. 288 Seiten, 18 Euro. E-Book 13,99 Euro.