Süddeutsche Zeitung

Filmtipp des Tages:Reise zum Herz der Finsternis

Eine Sängerin kämpft um ihr Leben

Es ist der 18. Juli 1988, als Nico ihr Haus in Ibiza verlässt. Sie wird vom Fahrrad stürzen und an einem Aneurysma sterben. Aber das sieht man nicht mehr in Susanne Nicchiarellis Film "Nico, 1988" . Die letzte Grenzübertretung dieser Künstlerin, die, auch wenn sie damit haderte, für immer mit The Velvet Underground verbunden sein wird, wo sie als Model mit einer eigenwilligen, fürs Singern nur bedingt tauglichen Stimme, kurz für den schönen Schein sorgen sollte, ist nicht sichtbar. "Nico 1988" setzt wenige Jahre vor ihrem Tod an. Nico, die als Christa Päffgen in Deutschland aufwuchs, hat da schon lange ihre fünf Soloalben aufgenommen, sie war als Mutter ihres Sohnes Ari, den sie mit Alain Delon hatte, gescheitert, sie war ein Junkie. Die dänische Schauspielerin Trine Dyrholm spielt Nico und singt ihre Lieder. Es gibt Momente, in denen weiten sich ihre Augen und man ahnt, dass Nico etwas sieht wie den Feuerschein des brennenden Berlins, mit dem der Film auch beginnt. Dyrholms Spiel kommt aus ohne psychologische Verkleinerung. Nico bleibt faszinierend, sie bleibt fürchterlich. Sie ist eine Katastrophe und eine Visionärin. So fährt sie durch ein postapokalyptisches Europa, in dem sich die Öffnung des Ostblocks unter Krämpfen ankündigt.

Nico 1988, ITA/BEL, Regie: Susanna Nicchiarelli, läuft in mehreren Kinos, siehe Liste

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SZ vom 20.07.2018 / chj
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