À la Carte! - Freiheit geht durch den Magen
Anke Sterneborg: Von den Slapstick-Tortenschlachten der frühen Komödien über die Gelage französischer Dramen zu den großen Banketten asiatischer Filme: Das Kino hat eine Affinität zum Essen, die auch Éric Besnard schon in seinem Film "Birnenkuchen und Lavendel" zelebriert hat. Nun widmet er sich der Erfindung des französischen Restaurants aus dem Geist der Revolution. Als der fiktive Hofkoch Pierre Manceron wegen der Laune eines Priesters in Ungnade fällt, zieht er sich auf den elterlichen Bauernhof zurück, um Durchreisende zu bekochen. Unter dem Einfluss seines rebellischen Sohnes und der als Lehrling anheuernden Louise entsteht das erste Restaurant, in dem zum Entsetzen des Adels auch Bürger und Bauern bewirtet werden. Auf so elegante wie sinnliche Weise verbindet der Film die Nahrung des Körpers mit der des Geistes.
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Bruised
Doris Kuhn: Eine vielversprechende MMA-Fighterin hat vor vier Jahren Prügel bezogen und traut sich seither nicht mehr in den Ring. Eine neue Trainerin könnte das ändern. Man sieht das harte Training, das arme Leben in Newark, einen sechsjährigen Sohn, der neu dazukommt und sich klaglos in die Disziplin einordnet. Regisseurin Halle Berry achtet darauf, dass nicht zu viel Spülsteindrama ihre tolle Geschichte lähmt und spielt selbst die Kämpferin, der man jedes einzelne Mal gebannt zusieht, wenn sie wieder aufsteht (Netflix, ab 24. November).
Encanto
Josef Grübl: Ausgerechnet im Superheldenfilm-Genre sind die Storys nicht ganz so super, ständig sieht man dieselben Superstarken, Superharten, Superrabiaten. Im neuen Disney-Animationsfilm erzählen Byron Howard und Jared Bush von einer Familie aus Kolumbien mit magischen Talenten. Sie haben sich hübsche neue Superkräfte ausgedacht, eine junge Frau etwa, die alles um sich herum in Blumen verwandeln kann. Dazu gibt es viel Musik und Tanz. Der größte Hit aber ist die Hauptfigur, die als angeblich talentfreies Familienmitglied ein Aschenputtel-Dasein führt. Dabei hat sie die beste Superkraft von allen: Empathie.
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Hannes
Josef Grübl: Hannes und Moritz sind beste Freunde, sie halten Händchen, umarmen sich und schlafen gemeinsam in einem Bett. Das machen sie auch, als Hannes nach einem Motorradunfall im Koma liegt. Der Träumer Moritz versucht daraufhin, das Leben seines Draufgänger-Freundes weiterzuleben. Hans Steinbichler hat einen frühen Roman der Eberhofer-Erfinderin Rita Falk verfilmt, als bayerische Bromance, aber dialektfrei. Auch sonst wirkt der Film seltsam unentschieden, er will gefühlvoll sein und komisch, verheddert sich aber in Klischees, Pathos und inhaltlichem Leerlauf.
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Hope
Sofia Glasl: Als hätte jemand gleichzeitig Zeitlupe und Zeitraffer angeschaltet im Leben der Choreografin Anja. Krebsdiagnose kurz vor Weihnachten, OP gleich nach Silvester. Sie schwankt zwischen starrer Hilflosigkeit und aktionistischer Suche nach einer Behandlungsmöglichkeit. Dieser erzwungene Rhythmuswechsel bricht alte Wunden wieder auf, lässt sie die verfahrene Beziehung zu ihrem Partner Tomas hinterfragen. In "Hope" verarbeitet die norwegische Regisseurin Maria Sødahl ihre eigene Krebserkrankung, allerdings klingt der Titel melodramatischer, als der Film sich tatsächlich gibt. Vor allem brutal ehrlich ist Sødahls Gedanken- und Emotionsstrom, in den sich ihre Protagonisten Andrea Bræin Hovig und Stellan Skarsgård schonungslos hineinwerfen.
Lene und die Geister des Waldes
Ana Maria Michel : Lene aus Mecklenburg macht mit ihrer älteren Schwester und ihrem Vater Ferien im Bayerischen Wald. Dort erwarten sie Mythen und Sagen, ein Wald-Obelix und leuchtendes Moos. Dieter Schumann will in seiner unaufgeregten Dokumentation mithilfe der Perspektive der Siebenjährigen Faszination für die Natur wecken. Manchmal legt er den Fokus aber zu sehr auf den normalen Knatsch, den es zwischen Geschwistern eben so gibt. Kindern kann der Film dennoch Lust machen, die Geheimnisse des Waldes zu entdecken.
Pankow '95
Sofia Glasl: Irgendwo zwischen "Brazil" und "Raumpatrouille Orion" ist Gábor Altorjays experimentelle Zukunftsvision ein kurioses Kleinod: 1983 stellte er sich vor, wie die DDR im Jahr 1995 aussehen würde. Der große Udo Kier spielt darin den marxistischen Musikwissenschaftler Johann Wolfgang Amadeus Zart, der in einem Sanatorium festgehalten wird, weil seine Theorie über die Verschwörung der Jugend durch Musik beim Regime nicht so gut ankam. Seine Fluchtversuche waren bisher erfolglos, doch mit dem Retortenkind Armin scheint er einen ebenbürtigen Komplizen gefunden zu haben. Hätte Christoph Schlingensief "Einer flog über das Kuckucksnest" verfilmt, es wäre vermutlich dieser Film herausgekommen.
A Pure Place
Doris Kuhn: Ein Sektenporträt, das gleichzeitig den Kapitalismus aufs Korn nimmt und den Arbeiterkampf von ganz unten her erklärt, das ist dieses Spektakel von Nikias Chryssos, der es in bester Exploitation-Manier mit Lüsternheit anreichert, mit Kitsch und Tod. Es erzählt von einem Mann, der sich auf einer kleinen Insel zum Herrscher aufschwingt, weil er Seife herstellt, wodurch er die Reinheit seiner Jünger garantiert. Bis ein paar dreckige Zwölfjährige von seiner Salbaderei genug haben und ihn absetzen wollen.
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Resident Evil: Welcome to Raccoon City
Fritz Göttler: Eine kleine Stadt kämpft ums Überleben. Vor Jahren hatte der Pharmakonzern Umbrella seinen Sitz in Raccoon City, seit er verschwand, siecht die Stadt vor sich hin. Nur die Zombiewesen, Produkte der Pharma-Experimente, warten auf ihren Auftritt. Für den ist die Stadt schlechtestens gerüstet, ein stumpfsinniger Bürokratismus, korrupte oder überforderte Polizisten, die eigensinnige Pharmaindustrie, man kennt diese tödliche Mischung (nicht nur) aus dem Horrorkino. Der Film ist ein Neustart für die erfolgreiche "Resident Evil"-Serie, er geht zurück zu ihren Anfängen. Die Kämpferin Milla Jovovich ist, unter der Regie ihres Mannes Paul W. S. Anderson, nicht mehr dabei, den Kampf führt Kaya Scodalario, tough wie einst Laurie Zimmer, die Regie hat Johannes Roberts. Der Film beginnt wie ein dichter John-Carpenter-Überlebensparcours, zerbröckelt gegen Ende dann aber wie ein Computerspiel in einzelne Monstermomente.
Respect
Annett Scheffel: Eigentlich ist das Leben Aretha Franklins ideal für ein spannendes Biopic. Aber Hollywood liebt das Pathos. Und keine Experimente. So wird aus der Überlagerung von persönlichen, künstlerischen und politischen Kämpfen der 2018 verstorbenen "Queen of Soul" sogar in den Händen einer hochgelobten Theaterregisseurin ( Liesl Tommy mit ihrem Spielfilmdebüt) ein von Symbolik und opulenter Bildsprache überladener Film, der trotz zweieinhalb Stunden Laufzeit kaum Raum für Ambivalenzen oder Zwischentöne lässt. Seinen Groove findet er dank Jennifer Hudson - hier die bessere Sängerin als Schauspielerin - aber in den Musikszenen.
Das schwarze Quadrat
Nicolas Freund: Ein paar Verzweifelte und Verhaltensauffällige zusammen auf Kreuzfahrt zu schicken ist als Komödie ja fast ein Selbstläufer. Zwei Kleinganoven haben es irgendwie geschafft, Kasimir Malewitschs "Das schwarze Quadrat" zu klauen. Für die clever geplante Übergabe auf offener See haben sie die Identität von Kreuzfahrtgästen angenommen. Dumm, dass sie erst an Bord merken: Das waren gar keine Passgiere, sondern der Elvis- und der David-Bowie-Imitator für die Abendshows. Na gut, Verkleidung ist Verkleidung. Läuft schon - bis sich Sandra Hüller als psychopathische Killerbraut mit Raubkatzenohrringen einmischt. Peter Meisters Spielfilmdebüt ist nicht nur ein sehr witziger Heist-Movie, sondern auch gleich noch eine Art Parodie auf das eigene Genre. Also wie "Das schwarze Quadrat".
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The Unforgivable
Tobias Kniebe: Sandra Bullock sieht spektakulär verhärmt und verhärtet aus als Mörderin, die nach zwanzig Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, in eine böse kalte Welt. Die Söhne des Sheriffs, den sie damals erschossen hat, wollen Rache, und der Kontakt zu ihrer Schwester, die bei der Bluttat erst fünf Jahre alt war, wird ihr verweigert. Aber was geschah wirklich an jenem schicksalhaften Tag? Nora Fingscheidt lässt ihrem starken "Systemsprenger" nun ein englischsprachiges Netflix-Drama folgen, der auf einer britischen TV-Serie basiert. Das sieht zunächst konventionell aus, haut am Ende aber trotzdem wuchtig in die Magengrube (im Kino ab 25.11., auf Netflix ab 10.12.).