Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: Wer Schwimmbadverbot in Berlins rauen Vierteln hat, muss sein Mädchen durchs Gitter küssen: Szene aus "Sonne und Beton".

Wer Schwimmbadverbot in Berlins rauen Vierteln hat, muss sein Mädchen durchs Gitter küssen: Szene aus "Sonne und Beton".

(Foto: Constantin Film)

Adonis Creed steigt wieder in den Ring, und Felix Lobrechts Jugend in Berlin-Gropiusstadt ist nun ein Kinofilm.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Creed III - Rocky's Legacy

Sofia Glasl: Es gibt doch noch Popcorn-Kino jenseits der Überwältigungsshow von Multiversen, Spin-offs und Fortsetzungen, in die Hollywoods Gelddruckmaschinerie sein Publikum so gerne lotst. Kaum jemand hätte es in der bald fünfzigjährigen Rocky-Filmreihe vermutet, die "Black Panther"-Regisseur Ryan Coogler seit 2016 um den Boxer Adonis Creed weitererzählt. Doch genau das gelingt nun paradoxerweise in "Creed III", dem Regiedebüt von Hauptdarsteller Michael B. Jordan. Das ist vor allem Jonathan Majors zu verdanken, der als Creeds Gegenspieler regelrecht vor persönlicher Enttäuschung und Selbstgerechtigkeit knistert und die glitzernde Welt des Sport-Entertainments mit ihren eigenen Waffen schlägt.

Lucy ist jetzt Gangster

Lilian Köhler: Das Eis von Lucys Eltern macht die Welt zu einer besseren. Als plötzlich die Eismaschine defekt ist, steht eine ganze Stadt kopf. Gut, dass die Grundschülerin einen Plan hat: Um die Eisdiele vor dem Ruin zu retten, will sie eine Bank ausrauben. Dafür möchte sie zum Gangster werden, was aber gar nicht ihrem Naturell entspricht. Mit viel Witz greift die Familienkomödie von Till Endemann für Kinder hilfreiche Botschaften auf. Ein paar abgedroschene Klischees weniger hätten der Geschichte aber gutgetan.

Project Wolf Hunting

Carlotta Wald: Man kann diesen südkoreanischen Horrorfilm von Kim Hong-sun schauen, ohne hinzugucken. Das Zischen der Messerklingen, Knochenknacken und Blutspritzen erzählt alles, was der Film zu sagen hat — in der Summe ziemlich wenig. Exorbitant gefährliche Gefängnisinsassen sollen mit einem Frachtschiff von den Philippinen nach Korea geschafft werden. Sie brechen aus. Doch ihre Lust am Töten wird durch ein bestialisches Wesen gestört und exzessiv übertroffen. So jagt ein unergründliches Böses das nächste, begleitet von erwartbaren Details. Die Spannung rinnt dahin wie das Blut über die Reling. Der Nervenkitzel bleibt aus.

Return to Dust

Fritz Göttler: Noch ein schöner kleiner Film, der einem Esel viel Raum gibt, nach "EO" und "The Banshees of Inisherin". Das Tier begleitet geduldig das Leben von Ma, dem armen Bauern, und Guiying, die als zurückgeblieben, inkontinent und unfruchtbar gilt, in der Provinz Gansu im Norden Chinas. Eine arrangierte Heirat, die aber zu einer gelassenen, manchmal gar andachtsvollen Gemeinsamkeit sich entwickelt: Mais pflanzen und ernten, Lehmziegel fabrizieren für einen eigenen Hausbau, besonderes Blut spenden, "Pandablut"! Dann kommt plötzlich das absurde Angebot vom Staat, eine Wohnung zu beziehen, in einem Hochhaus in der Stadt. Li Ruijun ließ seine Akteure zur Vorbereitung in seiner Heimatprovinz leben, wo gedreht wurde, sein Film lief 2022 auf der Berlinale, wurde in China später aus den Kinos und von den Streamingplattformen verbannt und zensiert. Sein Materialismus schließt die Transzendenz ein, die Menschen verbrennen für die Toten Papiergeld, damit diese auch was zum Prassen haben.

Sonne und Beton

Annett Scheffel: Berlin, Gropiusstadt, Rekordsommer 2003: Vier Jungs navigieren zwischen Haschisch und Schuleschwänzen, Brutalität und familiären Abgründen durch den Alltag in der Großwohnsiedlung. Erzählt wird trotz sozialer Härte mit viel Witz und rührender Verletzlichkeit. Leicht und bedrückend zugleich. "Sonne und Beton" ist die Verfilmung des autobiografisch gefärbten Romans von Comedian Felix Lobrecht. Auch Regisseur David Wnendt hat Erfahrung mit heiklen Coming-of-age-Stoffen. Sein Film ist wie ein deutscher "Kids", empathisch im Blick aufs Jungsein, oder wie "Tschick", nur ohne Roadtrip, dafür mit krasser Milieusprache.

Tár

Susan Vahabzadeh: Ein Psychothriller ohne strafbare Handlungen: Cate Blanchett spielt in Todd Fields Drama Lydia Tár, die erste Frau, die es auf den Chefposten bei den Berliner Philharmonikern geschafft hat - eine perfekte, hochbegabte Dirigentin, der auf dem Höhepunkt ihrer Karriere der Missbrauch ihrer Macht vorgeworfen wird. Hat sie einen Studenten of Color arrogant abgekanzelt, junge Musikerinnen für Affären ausgenutzt und später ihre Karrieren behindert, was einen Selbstmord zur Folge hatte? Cate Blanchett riskiert hier viel und ist in Höchstform, sie hat sehr gute Chancen auf einen Oscar, und "Tár" hat noch fünf weitere Nominierungen, darunter als bester Film und für die beste Regie. Ein großartiger, komplexer Film, der viele kluge Fragen stellt und keine dummen Antworten gibt.

Der Zeuge

Anna Steinbauer: Der Regisseur Bernd Michael Lade ist zugleich Hauptdarsteller seines Gerichtsdramas, bei dem er als Kronzeuge Carl Schrade die Gräueltaten der Nazis offenlegt. Der ehemalige Juwelenhändler verbrachte elf Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern - als grüner Kapo, als einer der von der SS installierten Aufseher aus den Reihen der Häftlinge. Streng dialektisch angeordnet, wirft der sehr reduzierte, beinahe dokumentarisch gehaltene Film wirkungsvoll die Frage nach Mitschuld und Täterschaft in einem unmenschlichen System auf, ist aber nichts für ungeduldige Gemüter: Nur optisch ist alles leider sehr eintönig und sperrig - was nicht zuletzt daran liegt, dass der Prozess zweisprachig geführt wird und die Aussagen jeweils direkt vom Englischen ins Deutsche und umgekehrt übersetzt werden.

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