Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: Schau mir in die Augen, Baby: Der finnische Coming-of-Age-Film "Girls Girls Girls".

Schau mir in die Augen, Baby: Der finnische Coming-of-Age-Film "Girls Girls Girls".

(Foto: Ilkka Saastamoinen/Salzgeber Film)

In "Girls Girls Girls" suchen drei Freundinnen in Finnland nach der Liebe, in "Missing" hört Siri immer mit.

Von SZ-Kinokritikerinnen und -kritikern

Girls, Girls, Girls

Philipp Stadelmaier: In Alli Haapasalos poppigem Coming-of-Age-Film suchen drei junge Freundinnen in Finnland nach der Liebe und (sehr) gutem Sex. Zwei bewegen sich im queeren Spektrum, eine steht auf Jungs, ist aber vielleicht asexuell. Alles ist möglich, alles ist kompliziert. Ein Film für und über die junge Generation, in dem vor jedem Akt immer erst mal nachgefragt wird. Bei aller Offenheit der Orientierungen bleiben die Wendungen aber vorhersehbar, und die Bilder oberflächlich.

Missing

Doris Kuhn: Siri hört immer mit. Das kann gut oder schlecht sein, in diesem Film liegt darin die letzte Hoffnung. Der rasante Desktop-Thriller von Will Merrick & Nicholas Johnson zeigt, in welchem Ausmaß die Informationstechnologie in jedermanns Alltag eingreift, das kann man hier schön im Detail ansehen. Erzählt wird von der Suche nach einer Frau, deren digitale Spuren über Kontinente hinweg und Jahre nach hinten sichtbar werden. Daraus ergibt sich nicht nur eine überraschend spannende Reise, sondern auch eine ernüchternde: Glaubt jemand, es gäbe noch Anonymität?

Rosy - Aufgeben gilt nicht

Fritz Göttler: Die Augen funkeln, die Hände sind immer in Bewegung, das Gesicht verzieht sich zum Lächeln oder zur Grimasse, der ganze Körper ist voll im Einsatz, überdreht, wenn Marine Barnérias erzählt... aber nur, weil eben dieser Körper sie jeden Moment im Stich lassen könnte: Mit 21 wurde Multiple Sklerose bei ihr diagnostiziert und sie vor den Schüben gewarnt, die ihre Krankheit verschlimmern werden. Also hat Marine sich ein Projekt vorgenommen, eine Forschungsfahrt. Sie will, was auseinanderfiel, wieder zusammenbringen, den Körper, den Geist, die Seele - in Neuseeland, Myanmar, der Mongolei. Sie fährt allein, kämpft, macht mit dem Smartphone Aufnahmen von sich und der Welt. Ein Dialog mit der Krankheit, die sie nicht mehr Sklerose nennt, sondern Rosy. Und ein wirklich fantastischer Film, der an den Ursprung des Kinos zurückführt und zugleich in eine Zukunft, die ihm offensteht.

Two

Anna Steinbauer: Beim ersten Mal sind sie noch emotional ergriffen und hoffnungsvoll, wenn der Arzt die Spritze mit dem teuren Sperma aufzieht und zur Besamung einführt. Beim x-ten Fehlversuch sind sie einfach nur noch frustriert: Omer und Bar sind ein lesbisches Paar im hippen Tel Aviv und wünschen sich sehnlichst ein Kind. Welche Herausforderungen und Belastungen das für Beziehung, Psyche und Umfeld der beiden bedeutet, setzt Astar Elkayam in ihrem Debüt intensiv und eindringlich mit zwei tollen Protagonistinnen in Szene.

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

Josef Grübl: Erfinden heißt Erinnern, schreibt Joachim Meyerhoff in seinem gleichnamigen Buch. Wie es also nie war als Sohn eines norddeutschen Psychiatriedirektors, weiß der Schauspieler und Autor womöglich gar nicht mehr so genau. Aber es liest sich sehr gut. Sonja Heiss behält in der Verfilmung des Bestsellers dessen anekdotisch-episodische Struktur bei. Mit viel Herz, trockenem Witz und tollen Darstellern erweckt sie die Meyerhoff'schen Kindheitserinnerungen zum Leben, auch wenn nicht jede davon schreiend komisch ist. Aber es sieht sich sehr gut.

What's Love Got To Do With It?

Anke Sterneborg: Wo bleibt hier die Liebe, fragt Shekhar Kapur in einem Balanceakt zwischen pakistanischen Traditionen und britischer Moderne. Überraschend beschließt der in London aufgewachsene Kaz (Shazad Latif) eine arrangierte Ehe nach dem Vorbild seiner Eltern. Seine britische Jugendfreundin Zoe (Lily James) begleitet das Kulturclash-Experiment mit ihrer Kamera, zugleich professionell und freundschaftlich intim. Mit farbenfrohen Kostümen und grandiosen Kulissen, zwischen London und Lahore kehrt der Regisseur zum großen Kino sinnlicher Schauwerte zurück und eröffnet jenseits simplizistischer Vorurteile einen Raum, in dem sich Erfahrungen, Vorzüge und Nachteile spielerisch ventilieren lassen..

Wo ist Anne Frank?

Anke Sterneborg: Der israelische Animationsregisseur Ari Folman wagt einen ungewöhnlichen Blick auf Anne Frank, der jungen Menschen ihr Schicksal - und das Unfassbare des Holocaust - neu vermitteln soll. Annes imaginierte Freundin Kitty steigt dafür aus den Buchseiten des berühmten Tagebuchs auf, zwischen Vergangenheit und Gegenwart hüpft sie durch Amsterdam wie eine Mangafigur. Ein guter Trick, um frischen Wind ins Museum zu pusten und aus Anne ein Mädchen zu machen, das auch mal aufmüpfig sein darf, ein bisschen eitel und sauer auf die blöde Mutter. Stellvertretend für die Kinder von heute fragt Kitty Anne aus und knüpft Verbindungen zur Flüchtlingskrise von heute.

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