Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: Der Astronaut Buzz Lightyear im Weltraum, bevor nach seinen Abbild ein Spielzeug produziert wurde: Szene aus "Lightyear".

Der Astronaut Buzz Lightyear im Weltraum, bevor nach seinen Abbild ein Spielzeug produziert wurde: Szene aus "Lightyear".

(Foto: Pixar)

In Berlin beginnt eine fast französische Amour fou, und der große missverstandene Nicolas Cage spielt sich selbst. Die Starts der Woche.

Von den SZ-Kritikern

Auswahl der Filmstarts vom 16. Juni 2022.

A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe

Annett Scheffel: Nicolette Krebitz hat nach "Wild", ihrem hochkonzentrierten Film über den weiblichen Trieb, eine romantische Komödie gedreht, die überhaupt nicht so ist, wie der Titel suggeriert. Ihre unwahrscheinliche Lovestory ist wie französisches Kino in Berlin, samt richtiger Amour Fou, surrealen Einsprengseln, vielen lässig gerauchten Zigaretten, kleinen Gaunereien und kurzer Flucht an die Côte d'Azur. Sophie Rois ist zart und kratzig zugleich als alternde Schauspielerin, die sich in einen Schüler verliebt. Die Rollen und romantischen Abziehbilder werden in humorvoll-leichtem Tonfall heftig verdreht, kippen teils fast ins Toxische und sortieren das Begehren in einem Spiel der verschachtelten Projektionsflächen doch noch einmal ganz neu.

Dark Glasses - Blinde Angst

Tobias Kniebe: Dario Argento, einst Meister des blutigen italienischen Horrorfilms, ist heute ein fragiler alter Mann (wie man auch in Gaspar Noés "Vortex" sehen kann). Hier jedoch inszeniert der 81-Jährige noch einmal selbst, erzählt von einer römischen Prostituierten, verfolgt von einem Serienkiller, die ihr Augenlicht verliert und trotzdem immer weiter gejagt wird. Es bleibt blutig, manchmal blitzt die surreale Traumlogik von früher auf, und Argentos Tochter Asia hat einen Auftritt. Insgesamt aber konfus und leider schwach.

Endlich unendlich

Martina Knoben: Krankheit, Alter und Tod sind die wohl größten Zumutungen des Menschseins. Stephan Bergmann will wissen, ob sich daran was ändern lässt und besucht Vertreter der Transhumanistenbewegung, die an der Unsterblichkeit arbeiten. Sie verändern Gene, pflanzen Mikrochips unter die Haut oder frieren Gehirne ein. Klingt wie Science Fiction oder Stoff für einen Horrorfilm? Tatsächlich wirft die Doku einen Blick in unsere Zukunft, Biotechnik ist das nächste große Ding. Kritik an der Menschenoptimierung bringt der französische Autor Frédéric Beigbeder vor. Wenn er allerdings die Vergänglichkeit feiert und der Film dazu Fußspuren am Strand zeigt, ist das doofer Kitsch, der in der fälligen Debatte nun wirklich nicht weiterhilft.

Die Geschichte der Menschheit - leicht gekürzt

Philipp Bovermann: Angenommen, die wichtigsten Momente der Menschheitsgeschichte wären ganz anders verlaufen, und Dummheit, Gier und Faulheit hätten sich dabei als die wahren Triebfedern hinter der historischen Entwicklung gezeigt - wäre dann die Welt vielleicht genau so, wie sie heute ist? Diese Prämisse des Films von Erik Haffner ist nicht besonders tiefsinnig, aber das macht nichts, weil sich das Drehbuch ohnehin nur lose daran orientiert. Die gesamte Geschichte wird hier zur Folie eines episodischen Klamauks mit einem unangenehm misanthropischen Grundton, der oft, und so auch hier, ein Zeichen von Denkfaulheit und Selbstgerechtigkeit ist.

Lightyear

Kathleen Hildebrand: Buzz Lightyear, der leicht arrogante Astronauten-Superheld aus den "Toy Story"-Filmen, ist ein Merchandise-Spielzeug und dies hier, das verkündet eine Texttafel zu Beginn, ist der Film von 1995, aus dem die Figur stammt. Bis auf den noch halbwegs intakten Zukunftsoptimismus seines Personals ist Angus MacLanes gelungener Animationsfilm aber sehr heutig: Buzz' Chef ist eine Frau und lebt ganz selbstverständlich in einer gleichgeschlechtlichen Ehe. Ansonsten drückt "Lightyear" gekonnt alle Pixar-Erfolgsknöpfe: zitiert fröhlich den Sci-Fi-Kanon, fährt Action auf und wärmt das Herz. Am meisten Freude macht die Roboterkatze Sox, die, hier schließt sich der Kreis zu "Toy Story", eigentlich nur ein Spielzeug ist.

Massive Talent

David Steinitz: Nicolas Cage spielt Nicolas Cage in einem Film über Nicolas Cage. Unter anderem streitet er sich mit seinem jüngeren Ich darüber, wann und wie genau er seine Hollywoodkarriere in den Sand gesetzt hat. Das ist von Tom Gormican alles sehr fidel und lustig inszeniert. Nur leider lässt der Regisseur seinen Helden dann in eine abstruse Gangstergeschichte schlittern, und die bizarre Komik der ersten Filmhälfte geht in Explosionen und Schießereien unter.

Press Play and Love Again

Anke Sterneborg: Eine junge Liebe im Paradies, ihre Stationen halten Laura und Harrison als Songs auf einem Mixtape fest, das zum Soundtrack ihres Verliebtseins wird. Vier Jahre nach dem jähen Ende durch einen Verkehrsunfall stellt Laura beim Abhören des Mixtapes zufällig fest, dass das charmant altmodische Tonband zur futuristischen Zeitmaschine wird. Fieberhaft arbeitet sie daran, die Weichen des Schicksals zu manipulieren, um ihren Geliebten zurückzuholen. Vor der Surf-und Romantik-Traumkulisse Hawaii tendiert das verflixte Spiel mit der Zeit (Regie: Greg Björkman) gelegentlich zum seichten Kitsch, und Bill Pullmans Sohn Lewis tritt das Erbe seines Vaters an, als jungenhafter Charmeur.

Schmetterlinge im Ohr

Fritz Göttler: Wirklich schlimm, ein Lehrer - sein Fach ist Geschichte -, der schwer hört. Er redet im Unterricht an den Schülern vorbei, die denken, er interessiert sich nicht für das, was sie sagen. Seine Nachbarin fühlt sich verarscht, weil sein Wecker nicht aufhört zu schrillen, auch das hat er einfach nicht mitgekriegt. Ein klassischer Komödienstoff, die Missverständnisse, das Pfeifen der mechanischen Hörhilfe in den Ohren. Was ist besser, die überlaute Hölle oder die Stille? Sandrine Kiberlain ist die Nachbarin Claire, eine Witwe. Regisseur Pascal Elbé spielt selbst den Lehrer Antoine, er macht den Film zu einer bewegenden Studie der modernen Gesellschaft: Furcht vor dem Alter, Depression, Demenz, falscher Stolz, Nachtangst, Es ist nicht schlecht, allein zu sein, resümiert Antoine. Man lernt was über sich.

Stand Up!

Philipp Bovermann: Charlie ist Comedian, war angeblich mal lustig, wankt nun aber dauerbetrunken und mit wächserner Trauermiene durch Berliner Standup-Comedy-Clubs, um Toiletten zu putzen, gelegentlich lassen sie ihn ans Mikrofon. Das könnte tragisch sein, aber merkwürdigerweise trägt er dabei altmodische, extravagante Anzüge und klopft Einsamer-Wolf-Sprüche, als sei er einem Groschenroman entstiegen. Gangster sind hinter ihm her, irgendwann auch die Polizei, seine Frau verliert ein Auge und ein Bein, all das passiert einfach so, wie in einem schlechten Film - und wahrscheinlich ist der Film von Timo Jacobs ganz einfach schlecht. Allerdings, das muss man ihm lassen, auf eine treuherzige, seiner Hauptfigur ganz und gar gemäße Weise.

Zwischen uns

Anna Steinbauer: Liebe und Verzweiflung liegen für die alleinerziehende Eva nahe beieinander. Mit aller Kraft kämpft sie darum, dass ihr 13-jähriger, autistischer Sohn Felix ein normales Leben führen kann. Auch wenn er Fische lieber mag als seine Mitschüler und immer wieder unter Wutattacken leidet. Max Fey gelingt ein feinfühliger, intensiver Debütfilm über eine besondere Mutter-Sohn-Beziehung - mit einer beeindruckenden Liv Lisa Fries in der Hauptrolle.

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