Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: Testpilot Ryan Reynolds übt das Zeitreisen - und trifft sich in "The Adam Project" selbst im Alter von zwölf.

Testpilot Ryan Reynolds übt das Zeitreisen - und trifft sich in "The Adam Project" selbst im Alter von zwölf.

(Foto: Netflix)

Ryan Reynolds' loses Mundwerk gibt es gleich doppelt, ebenso das Drama der Mutterschaft bei Pedro Almodóvar. Die Starts der Woche in Kürze.

Von den SZ-Kritikern

The Adam Project

Tobias Kniebe: Ryan Reynolds ist derzeit die lustigste Quasselstrippe im Celebrity-Zirkus, und seit er das auch in seinen Filmen sein darf ("Deadpool", "Free Guy", "Red Notice") avanciert er zum Superstar. Hier gibt es sein loses Mundwerk unter der Regie von Shawn Levy gleich doppelt: als zeitreisender Testpilot begegnet er sich selbst im Alter von zwölf. Das ist wirklich witzig und manchmal, wenn es um den frühen Verlust des Vaters geht, sogar überraschend lebensklug. Der Science-Fiction-Action-Teil über einen skrupellosen Militärkonzern und die Gefahren des Zeitreisens wirkt da beinahe überflüssig. (Netflix.)

Blue Bayou

Anke Sterneborg: Eine kleine unterlassene Formalität führt dazu, dass der als Kind von einer amerikanischen Familie adoptierte Koreaner Antonio abgeschoben werden soll. Seine Heimat, in der seine Frau (Alicia Vikander) sein Kind erwartet, soll er gegen ein Land eintauschen, dessen Sprache er nicht spricht, dessen Kultur ihm fremd ist, in dem er niemanden kennt. Dass diese Geschichte eine persönliche Angelegenheit ist, daran lässt Justin Chon keinen Zweifel, steht er doch als Autor, Regisseur und Produzent für den Film ein, und vor allem auch als sympathischer Hauptdarsteller. Da mag man es ihm nachsehen, dass er das melodramatische Potenzial des Stoffes bis zum Äußersten ausreizt und Antonio mit Schicksalsschlägen nur so überschüttet.

The Case You

Anna Steinbauer: Ein schockierendes Casting, ein mehr als übergriffiger Regisseur, Opfer sexueller Gewalt: Fünf junge Schauspielerinnen, die alle derselben traumatischen Situation ausgeliefert waren, treffen hier aufeinander und sprechen über ihre Perspektive auf den Übergriff und das Leben danach. Regisseurin Alison Kuhn, die selbst bei dem Casting war, verleiht in ihrer minimalistisch inszenierten, emotional äußerst bewegenden Doku den Betroffenen eine Stimme und legt den strukturellen Machtmissbrauch in der Theater- und Filmbranche offen.

Europe

Philipp Stadelmaier: Zohra (Rhim Ibrir), eine Algerierin, lebt in Frankreich und hat gerade ihre Skoliose-Therapie abgeschlossen, als ihr Aufenthaltstitel nicht verlängert wird. Philip Scheffner zeigt ihre Verbannung aus Europa als Verbannung aus dem Bildraum, der dann zum Theater diverser Zukunftsfiktionen der Protagonistin wird. Wie in seinen Dokumentationen untersucht Scheffner in seinem ersten Spielfilm territoriale Grenzen, die immer auch zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren verlaufen.

Jackass Forever

Sofia Glasl: Der Titel klingt fast wie eine Drohung und zugegeben, der Humor der Stunt-Show ist immer noch genauso schnörkellos wie vor zwanzig Jahren. Die guten Nachrichten: Er funktioniert, im vierten Anlauf sogar besser denn je. Zwar hat die Erfahrung kaum an der anarchischen Waghalsigkeit gerüttelt, mit der die Truppe um Johnny Knoxville sich gegenseitig an die Wände klatscht, um anschließend gemeinsam grölend am Boden zu liegen. Doch sie hat diese nun mittelalten Typen das Zaudern gelehrt. Gerade das nutzt Regisseur Jeff Tremaine und verwandelt Scheitern und Schmerz der verunglückten Zirkusnummern in unwillkürliches und befreites Giggeln.

Luchadoras

Doris Kuhn: Zwei Themen in einer Dokumentation, eins exotisch, eins politisch: Man sieht Wrestlerinnen in Ciudad Juárez, ihr Training, ihren Lebensstil in einem Umfeld, das von Gewalt geprägt ist. Lose verknüpft damit sind Berichte über den Femizid in dieser Stadt, in der sich die potenziellen Opfer seit Jahren zur Gegenwehr organisieren. Paola Calvo und Patrick Jasim bringen die Situationen zusammen und zeigen in bester Bildästhetik, dass und auf welche Weise die Frauen in "Murder City" für sich eintreten.

Mord in St. Tropez

Timo Posselt: Saint-Tropez, 1970: Die Schönen und Reichen im Sommerurlaub in einer Villa an der Côte d'Azur. Ein Mordversuch samt gekapptem Bremskabel drückt auf die Stimmung und ruft den vom Polizeipräfekten (Gérard Derpadieu) aus dem Ruhestand beorderten Kommissar Boulin (Christian Clavier) auf den Plan. Seine "instinktive Methode" führt zu immer unwahrscheinlicherem Klamauk, wobei Regisseur Nicolas Benamou den Krimi-Plot völlig aus den Augen verliert. Ein hochkarätig besetzter Film wie ein müder Altherrenwitz.

Parallele Mütter

Philipp Stadelmaier: Pedro Almodóvars Filme haben schon immer Gesellschaft und Geschichte Spaniens begleitet, aber noch nie so intensiv wie hier: Die Story zweier Mütter (Penélope Cruz, Milena Smit) verbindet sich mit der Erinnerung an die Massaker der Falangisten im Spanischen Bürgerkrieg. Nach "Julieta" und "Leid und Herrlichkeit" zeigen sich auch hier Farben, Kostüme und Dekorationen als Maskeraden existenzieller Schmerzen und Traumata, denen man sich stellen muss - und als Quellen großer Filmkunst.

Rot

Josef Grübl: Wut tut gut, das wissen wir spätestens seit dem Hulk. Jetzt bekommt der grüne Ausraster, Ausflipper und Aus-der-Haut-Fahrer aber rote Konkurrenz: In diesem Animationsabenteuer aus dem Hause Pixar verwandelt sich ein 13-jähriges Mädchen in einen roten Panda. Und zwar immer dann, wenn sie sich zu sehr aufregt - was in diesem Alter ungefähr alle zwanzig Sekunden vorkommt. Die chinesisch-kanadische Regiedebütantin Domee Shi vermischt fernöstliche Mystik mit westlichem Pragmatismus, Comic-Anleihen mit Coming of Age, Pädagogik mit Pop. Nebenbei macht sie aus ihrer hinreißenden Heldin eine Kämpferin für feministische Selbstbestimmungsrechte: "My Panda, my Choice!" (Disney+)

Der Schneeleopard

Anke Sterneborg: Eine Schule des Sehens, eine Übung in Geduld, im Wissen, dass man den scheuen Titelhelden womöglich gar nicht zu sehen bekommt. Gemeinsam brechen der Reiseschriftsteller Sylvain Tesson und der vielfach ausgezeichnete Naturfotograf Vincent Munier ins tibetische Hochland auf, zu einer besonderen, spirituellen Erfahrung. Beide haben schon Bücher darüber gemacht, nun liefert Marie Amiguet als unsichtbare Begleiterin den Film dazu. Statt sich die Natur untertan zu machen, harren die beiden Männer bei bis zu minus 29 Grad aus. Sie lauschen den Geräuschen der Wildnis, lesen ihre Spuren und folgen Fährten, um Yaks, Bären, Schneefüchse und vielleicht auch einen Schneeleoparden aufzuspüren. Selten war Warten schöner.

The Stolen

Doris Kuhn: 1882. Eine Lady will in eine Goldgräberstadt reisen, um ihr entführtes Baby zu suchen. Sie schließt sich einem Treck Saloongirls an, die vom harten Leben in die Prostitution gezwungen wurden. Selten hat jemand sich in einer verwilderten Umgebung verwöhnter angestellt als diese Frau, aber gerade das trägt ihr Mitleid und Unterstützung ein. Niall Johnsons lahmer Western baut auf die schlimmsten Klischees des Klassenbewusstseins, einzig ungewöhnliche Komponente ist Neuseeland als Ort des Geschehens.

Untimely

Fritz Göttler: Eine Kindheit im Grenzgebiet von Iran und Pakistan, Brüderchen Hamin und Schwesterchen Mahin, durch ihre Namen auf mythisch symbolische Weise eng verschlungen. Die Mutter ist gestorben, der Vater erzieht hart, auch schikanös. Hamin muss auf Mahin aufpassen, für den Vater arbeiten - bis der dann auch aus dem Leben der Kinder verschwindet. Der iranische Filmemacher Pouya Eshtehardi fabriziert in seinem ersten Spielfilm ein kunstvoll geschichtetes Erzählgewebe - der Film beginnt mit dem Militärdienst, den Hamin später leistet, in einem rostigen verwackelten Wachturm auf steiler Klippe. Er braucht einen Tag Urlaub, um - eine Pflicht für ihn - bei der Hochzeit der Schwester dabei zu sein, der Hauptmann verweigert ihm den: Wie kannst du es wagen, dich einen Bruder zu nennen ... Sie fangen an miteinander zu ringen.

Vatersland

Anna Steinbauer: Eine Kiste alter Familienfotos katapultiert die Filmemacherin Marie von der Schaffenskrise in ihre finster-verdruckste Nachkriegskindheit, in der ihre Mutter starb und das Patriarchat mit all seinen Schikanen in voller Blüte stand. Anhand privater Aufnahmen verarbeitet Regisseurin Petra Seeger in ihrem autobiografischen Zeitreise-Drama "Vatersland" das eigene, wenig freudige Heranwachsen mit ihrem autoritären, überforderten, emotional inkompetenten Vater. Der Film zieht sich, und die Emanzipation lässt schmerzlich lange auf sich warten.

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