Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

Spider-Man landet im Multiversum. Hermann Hesse erholt sich auf dem "Monte Veritá". Und im Sci-Fi-Film "Swan Song" kann man Menschenleben downloaden. Die Starts der Woche in Kürze.

Von den SZ-Kritikern

Annette

Juliane Liebert: Nach dem verwirrend schönen Filmgedicht "Holy Motors" kehrt Leos Carax mit einem von den Glam-Pop-Brüdern Sparks geschriebenen Musical zurück, dessen Titelfigur für gut anderthalb Stunden von einer engelsgleich singenden Holzpuppe mit abstehenden Ohren gespielt wird. Annette ist die Tochter von Henry (Adam Driver) und Ann (Marion Cotillard). Sie Operndiva, er Comedian. Why Comedian? Um die Wahrheit sagen zu können, ohne dafür getötet zu werden. Das ist eigentlich auch der einzige gute Grund, um ein Musical zu drehen. Carax glaubt an ihn, und wird mit einem unperfekten Film, aber nahezu idealem Kino belohnt.

Monte Verità

Doris Kuhn: Rettung durch Natur. Das ist der Plan der Freigeister auf dem Monte Verità im Tessin, die Anfang des 20. Jahrhunderts dort eine Art Sanatorium eröffnen. Eine Patientin ist Hanna, geflohen vor den Zwängen der bürgerlichen Ehe, trotzdem nicht bereit, sofort jede alternative These zu glauben. Stefan Jäger zeigt in seinem Drama den langen Weg bis zur Akzeptanz der Freiheit und die Veränderung, die durch Selbstbestimmung eintritt. Am Rand lässt er Monte-Verità-Promis wie Hermann Hesse oder Isadora Duncan auftreten, auch schön.

Der Schein trügt

Annett Scheffel: Was machen, wenn unvermittelt ein Heiligenschein überm Kopf angeknipst wird? Ping! Wie eine Glühbirne. Der friedfertige Stojan hat sich das leuchtende Ding bei einem Stromschlag zugezogen. Nun will es partout nicht mehr weggehen. Die genervte Gattin rät zum Sündigen. In dieser und zwei weiteren satirischen Episoden erzählt der serbische Regisseur Srđan Dragojević von einer postsozialistischen Gesellschaft, von Elend und Missgunst, in die das Übersinnliche einbricht. Der Humor ist derb, die Wendungen ruppig, die Figuren moralisch fragwürdig, der Fabulierbogen dreist überspannt. Zu viel von allem. Im vogelwilden Durcheinander gehen die historischen Linien verloren.

Spider-Man: No Way Home

David Steinitz: Im letzten "Spider Man"-Film wurde der Superheld demaskiert und enttarnt. Deshalb ist diesmal die ganze Welt hinter ihm her. Weil Regisseur Jon Watts und sein Team wohl auch nicht mehr genau wussten, wie sie die Spinnensaga zum gefühlt 425. Mal weiterdichten sollten, stellt ihr Held außerdem fest, dass er in einem Multiversum lebt. Das bedeutet: Er ist viele - und alle anderen irgendwie auch. Näher kann man das an dieser Stelle nicht ausführen, Spoilergefahr Stufe eins. Nur so viel: Dieser Film ist für die Psychoanalytiker unter den Spider-Man-Fans.

Swan Song

Annett Scheffel: In der greifbar nahen Zukunft des Sci-Fi-Dramas von Benjamin Cleary ist der Tod immer noch unausweichlich. Dafür kann man ein ganzes Menschenleben downloaden und mit dem künstlich erschaffenen Bewusstsein eines Klons synchronisieren. Wie echt aber kann so ein Abbild sein? Wie gut Wissenschaft emotionale Lücken füllen? Will man das überhaupt? Mahershala Ali (souverän und eindringlich wie immer) ringt als todkranker Familienvater mit diesen Fragen. Die großen Wahrheiten über Liebe und Verlust liegen nie weit entfernt. Aber der Regisseur hält die Geschichte in einer somnambulen Atmosphäre - der Sentimentalität immer ein Stück voraus.

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