Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

Der Berlinale-Gewinner "Synonymes" ist kraftvoll und politisch. Unglaubwürdig wirkt dagegen "Hot Air" mit Steve Coogan als verlogenem Radiomoderator.

Von den SZ-Kinokritikern

Diego Maradona

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(Foto: dpa)

Gut möglich, dass der Film komplizierter war als der Sieg Argentiniens im WM-Finale 1986 gegen Deutschland. Das Ergebnis ist La-ola-würdig. Schon deshalb, weil die Doku nicht urteilt, aber neben Maradonas Triumphen auch die Schattenseiten des Argentiniers beleuchtet: das Kokain, den unehelichen Sohn, die Camorra-Verwicklungen, den Hass der Fans, die Doping-Sperre. Als Meister des Verdichtens erweist sich einmal mehr der britische Oscar-Regisseur Asif Kapadia ("Amy"). Aus 500 Stunden alten Privataufnahmen ist eine mitreißende Bilderreise entstanden, die dem Mythos des Fußballstars gerecht wird: "Ein bisschen tricksen und überragend spielen", wie ein Sportjournalist analysiert.

Hot Air

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(Foto: dpa)

Er schlafe auf einer Matratze voller Scheine und den zerbrochenen Träumen von Hillary Clinton: Ein von Steve Coogan verkörperter Radiomoderator nimmt den Mund stets ein bisschen voller als die anderen, er beleidigt, provoziert und hetzt sein Publikum auf. Das ist keine Satire, sondern nah dran an der Realität, den Namen des US-Präsidenten lässt Frank Coraci aber trotzdem außen vor. Dafür schickt er ein süßes Teenagermädel los, das den Fiesling zum besseren Menschen machen soll. Hört sich versöhnlich an, doch leider fühlen sich die Familienszenen ähnlich verlogen an wie die Sprüche im Studio.

Freudenberg - Auf der Suche nach dem Sinn

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(Foto: Copyright 2019 Filmperlen)

Andrzej Klamt stellt in seiner Doku Schloss Freudenberg nahe Wiesbaden vor, deren Betreiber ein "Erfahrungsfeld" anbieten. Es gibt Kunst, und (Natur)Pädagogik, Schulklassen kommen her und Theatergruppen. Ziel: Die Suche nach "Sinn". Abseits von Stress und Alltag sollen die Gäste sich und die Natur neu wahrnehmen, "denken, fragen, spüren" lernen. Ein Film wie ein Sonntagsausflug.

Es Kapitel 2

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(Foto: dpa)

Dass der Schriftsteller Stephen King in den Achtzigern ein kleines Koksproblem hatte, merkt man seinem gigantomanischen Mammutroman "Es" bis heute an. Darin erzählt er einerseits eine berührende Geschichte über das Erwachsenwerden, verheddert sich andererseits aber im esoterischem Nonsens. Andy Muschietti folgt ihm trotzdem treuherzig in seiner Adaption der finalen Schlacht gegen den Horrorclown Pennywise.

Petting statt Pershing

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(Foto: Jutta Pohlmann/dpa)

1983 kommen die Ideen der 68er langsam auch in der westdeutschen Provinz an - ein paar Hippies ziehen in das Dorf von Ursula Mayer (Anna Florkowski). Die 17-Jährige ist zu schlau für die Enge, in der sie aufwächst, die neuen Perspektiven und der Ober-Hippie faszinieren sie. Weil er aber will nichts von ihr will, rächt sich Ursula. Ein unterhaltsames Porträt einer Zeit, die versucht, sich den Konservatismus abzuschütteln. Eine Nebenhandlung oder -figur weniger hätte Petra Lüschows Film jedoch gut getan.

Honiggarten - Das Geheimnis der Bienen

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(Foto: dpa)

Mit ihrer sinnlichen Darstellung einer Frauenliebe im spießbürgerlichen Schottland der Nachkriegszeit beleben Anna Paquin und Holliday Grainger diese Romanverfilmung, die zwar atmosphärisch dicht ist, aber zu viele Klischees versammelt. Regisseurin Annabel Jankel erzählt die Liebesgeschichte einer Ärztin, die nebenbei Bienen züchtet, und einer alleinerziehenden Fabrikarbeiterin in einer offen feindseligen Dorfgemeinschaft zwar mit einer schönen Langsamkeit. All das wirkt ohne die richtige Prise Ambivalenz aber seltsam tantenhaft.

SUPER FRIEDE LIEBE LOVE

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(Foto: Copyright Drop-Out Cinema eG / Jörg van Bebber)

Das Männerwohnheim an der Kyreinstraße ist einzigartig in München, da es Menschen beherbergt, die sonst keiner aufnimmt: Leute mit psychischen Auffälligkeiten, Suchtkranke, Obdachlose. SUPER FRIEDE LIEBE LOVE von Till Cöster begleitet die originellen, zutiefst verzweifelten und sehr witzigen Bewohner über mehrere Jahre und rückt auf äußerst einfühlsame Weise die einsamen Gestalten vom äußersten Rand der Gesellschaft dorthin, wo beim Zuschauer die Empathie beginnt.

Die Wurzeln des Glücks

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(Foto: dpa)

Fragmentarisch aufgedröselter Einblick in das Leben einer reichen New Yorker Familie. Eltern und Kinder wohnen zwar schon lange getrennt, sind aber trotzdem nur damit beschäftigt, per innerem Monolog um die sentimentale Liebe zu- und die emotionale Abhängigkeit voneinander zu kreisen. Wenigstens der Vater - gespielt vom großen James Caan - tauscht die Nabelschau gegen eine Schweinezucht in Israel, aber auch seine Exzentrik kann Amanda Sthers' Schmonzette nicht retten.

Und der Zukunft zugewandt

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(Foto: dpa)

Sylvester 1952, die zwei jungen Frauen stoßen an. Sie sind erst vor Kurzem aus dem sowjetischen Gulag entlassen worden, aber wie viele ihrer Genossen glauben sie trotzdem, die DDR werde sich schon noch zu dem entwickeln, was sich als junge Kommunistinnen erträumt haben, obwohl der junge Staat bereits Anzeichen von Autoritarismus und Verlogenheit zeigt: "Das stehen wir jetzt auch noch durch!" Nach einer halben Stunde des seltsam blutleeren Kostümtheaters, das Bernd Böhlich vor der Kamera aufführen lässt, denkt sich das auch der Zuschauer.

Synonymes

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(Foto: dpa)

In Nadav Lapids Gewinnerfilm der diesjährigen Berlinale kommt Yoav (Tom Mercier) aus dem ungeliebten Israel nach Paris, will seine Muttersprache verlieren, nur Französisch sprechen. Er lässt sich mit einem wohlhabenden Pärchen ein. Ein roher, energetischer, dennoch formal hochpräziser Film, in dem politische Gewalt durch Sprache stattfindet. Und eine Begegnung mit einem der größten Autorenfilmer der Gegenwart.

The Whale And The Raven

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(Foto: Copyright 2019 mindjazz pictures)

Es wäre sehr einsam im Meer ohne den Gesang der Wale, ein einsamer Planet ... Das sagen die Leute in der kleinen kanadischen Stadt Kitimat, die Gitga'at First Nations, die eine spirituelle, verwandtschaftliche Beziehung zu den Walen haben, und die Walforscher und -studenten. Aber die Küste mit ihren Buchten ist bedroht, in Kürze wird eine lange Linie von riesigen Tankern hier aufkreuzen und Flüssiggas nach Asien transportieren, und der Protest gegen diese Zerstörung natürlicher Lebensverhältnisse wird nichts nützen. Mirjam Leuze dokumentiert in unaufdringlicher Schönheit ein bald verlorenes Paradies, die Wale sind kaum zu sehen, gerade mal eine Rückenflosse, aber ihre Präsenz ist in den Bildern immer zu spüren.

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