Filme der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Juliette Binoche und Catherine Deneuve geraten in "La Vérité" beim Familientreffen aneinander. Und in für "Für Sama" dokumentiert eine Syrerin die Schrecken des Bürgerkriegs.

Von den SZ-Kinokritikerinnen

Die Farbe aus dem All

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(Foto: RLJE Films/ Koch Films)

Frei nach H. P. Lovecraft knechtet in Richard Stanleys Horrorfilm eine außerirdische Macht eine Familie (und ihre Alpakas) in ihrem Landhaus. Da kann auch der von Nicholas Cage gespielte Vater nichts ausrichten. Seine Ausraster sind trotzdem sehr sehenswert, ebenso wie das Fluoreszieren der extraterrestrischen Farbe, die nach und nach Körper und Psychen der Familienmitglieder entstellt und zu Fleischklumpen verklebt.

800 Mal einsam

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(Foto: déjà-vu-film)

Eine Dokumentation über den Regisseur Edgar Reitz ist eine hervorragende Idee, weil der 87-Jährige einer der klügsten und unterhaltsamsten Gesprächspartner ist, die man finden kann. Weshalb Anna Hepp auch gut darauf hätte verzichten können, ständig ihr Team und sich zu zeigen, wie sie um ihren Protagonisten herumwuseln. Aber Reitz' Geschichten über das Leben und das Kino machen große Lust auf die Autobiografie, die er schon so lange versprochen hat.

Emma

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(Foto: dpa)

England im frühen 19. Jahrhundert. "Emma" ist schön, klug und reich--und gelangweilt. Also verkuppelt sie die Bewohner ihres Dorfes, gegen deren Willen und mit mäßigem Erfolg. Ihr jüngstes Projekt: die unbedarfte Harriet mit dem Dorfpastor zusammenzubringen. Das Regiedebüt der Rock-Fotografin Autumn de Wilde ist eine ausgesprochen gelungene Adaption des Jane-Austen-Romans. Stylisch, temporeich, modern, und ganz im Geiste der Vorlage.

Waterproof

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(Foto: Rise and Shine Cinema)

Wassertanks auf den Dächern putzen, in der Küche Leitungen reparieren, im Bad Armaturen tauschen, das ist ihr Job. Eine Gruppe von Frauen arbeitet als Klempnerinnen, und weil sie in Jordanien leben, ist das eine ungewöhnliche Sache. Daniela Königs entspannte Dokumentation begleitet sie bei der Arbeit, folgt ihnen in ihren Alltag. Man sieht Mühen und Freuden der Selbständigkeit, aber vor allem sieht man jordanische Frauen unter sich - ein Vergnügen, das sonst selbst fürs Kino kaum zugänglich ist.

Jenseits des Sichtbaren

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(Foto: Mindjazz Pictures)

Hilma af Klint ist die große Kunst-Wiederentdeckung unserer Zeit - die Schwedin malte als erste Künstlerin abstrakt, Jahre vor Kandinsky, Klee, Malewitsch. Allein, sie war eine Frau, ließ sich von Theosophie und Spiritismus inspirieren und stellte zu Lebzeiten keines ihrer beeindruckenden Großformate in Blau, Gelb, Pink aus, weil das natürlich auch Anfang des 20. Jahrhunderts den meisten einfach viel zu viel der Absonderlichkeit war. Man kann nicht oft genug erklären, warum diese Frau dringend in den Kanon gehört. Halina Dyrschkas konzentrierte Doku tut das, indem sie viel Kontext und noch viel mehr von Klints wunderschönen Bildern zeigt.

Kahlschlag

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(Foto: UCM One)

Zwei Männer in der mecklenburgischen Provinz. Sie verbindet eine alte Freundschaft, die daran zerbrochen ist, dass beide dieselbe Frau lieben. Bei einem Angelausflug kommt es zum Showdown. Max Gleschinskis Debütfilm zeigt, dass es auch fernab deutscher Filmförderung originelles Kino zu entdecken gibt. Sein Film ist Liebesdrama und Heimatthriller, erzählt in Rückblenden, aufgeladen mit Genre-Elementen - und verortet in einer spezifisch ostdeutschen Lebenswelt, die Raum bietet für die großen Fragen nach Klassenunterschieden, Perspektivlosigkeit und dem Zorn über das abwesende Glück.

Der Krieg in mir

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(Foto: Adrian Stähli / Filmdisposition Wessel)

Der Dokumentarfilmer Sebastian Heinzel zieht zur generationsübergreifenden Traumabewältigung an die Ostfront. Dorthin, wo sein Großvater gekämpft hat, denn nachts träumt der Enkel von Panzern und Maschinengewehren. Der autobiographische Zugang zu Themen ist im Dokumentarfilm schwer in Mode, die subjektive Betroffenheit ersetzt aber leicht die thematische Relevanz der Protagonisten und Szenen. So wie hier manchmal, wenn der Filmemacher über eine Wiese in Weißrussland marschiert, auf der Suche nach einem verschwundenen Dorf, in dem sein Opa womöglich war. Man sieht: einen grübelnden Mann auf einer Wiese.

Onward: Keine halben Sachen

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(Foto: Pixar; 2020 Disney/ Pixar)

Josef Grübl: Ausgerechnet im Fantasy-Genre mangelt es Filmemachern an Fantasie: Überall dieselben Elfen, Feen, Trolle und Einhörner, überall dieselben Referenzen zu Tolkien, Rowling oder C.S. Lewis. Auch dieser Animationsfilm von Dan Scanlon beginnt mit Figuren aus dem Fantasy-Stammrepertoire, dann aber werden aus Elfen pubertierende Jungs und aus Feen Rockerbräute auf fliegenden Harleys. Da es sich um eine Produktion aus dem Hause Pixar handelt, wundert sich niemand darüber, denn in Pixar-Filmen werden ja ständig Mythen auf den Kopf gestellt. Am Ende bekommt die Heldenreise zweier Elfenbrüder, die ihren toten Vater wiedersehen wollen, aber doch noch eine warme und herzliche Note.

Paris Calligrammes

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(Foto: Ulrike Ottinger / Real Fiction)

Ulrike Ottinger filmt im selben Genre wie Luis Bunuel oder Jacques Rivette, Jean Vigo oder Agnes Varda - ein ganz besonderes Wohlfühlkino, das vom Absurden ins Intellektuelle wechselt, vom Phantastischen ins Politische, vom Pittoresken ins Perverse. Inspiriert von der Stadt Paris. Der huldigt Ulrike Ottinger nun in ihrem neuen Film, mit einem Bündel von Wochenschauszenen, gemixt mit Momenten aus ihren eigenen Filmen, emotional montiert, so dass sie zu Erinnerungen werden, ihren wie unseren, an die Sechziger von Paris, als Ottinger in der Stadt lebte. Paris nous appartient!

Sword of God

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(Foto: Dropout Cinema)

Zwei Männer wollen einen heidnischen Stamm vom Christentum überzeugen, allerdings sind sie sich über das Wie uneinig. Auch weil nicht viel gesprochen wird, der eine näht sich den Mund zu, bleibt einiges im Dunkeln. Der Mittelalter-Film des polnischen Regisseurs Bartosz Konopka sieht sich unter anderem in der Linie von Walhalla Rising. Die Heiden wirken mit ihren gekalkten Gesichtern allerdings recht verkleidet. Dank der Kamera von Jacek Podgórski gibt es dennoch einige interessante Bilder zu sehen.

La Vérité

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(Foto: Prokino)

Der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda ist ein Meister kluger Sentimentalitäten, und hier seziert er ganz liebevoll eine Mutter-Tochter-Beziehung, mit zwei ganz grandiosen Schauspielerinnen: Lumir (Juliette Binoche) besucht ihre Mutter, den Filmstar Fabienne (Catherine Deneuve), die beiden haben sich lange nicht gesehen; und all die kleinen Spitzen und nicht ganz wahrhaftigen Erinnerungen, mit denen sie einander fast das Wiedersehen vergällen, können nicht verhindern, dass man dann doch sieht, wie ähnlich sie einander sind - und wie nah.

Für Sama

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(Foto: dpa)

2016 begann die Syrerin Waad al-Kateab zusammen mit dem britischen Filmemacher Edward Watts, die Schrecken des Bürgerkrieges in Syrien für Channel 4 News zu dokumentieren. Aus dem Material wurde nun auch ein Dokumentarfilm, eine erschütternde Innenansicht des Krieges, wie man sie noch nicht gesehen hat. Waad al-Kateab brachte 2016 in Aleppo eine Tochter zur Welt. Ihr Film ist eine Briefnachricht an dieses Kind, dem sie vom Aufstand gegen Assad erzählt, von der Belagerung und Bombardierung Aleppos, und warum sie Syrien trotz der Lebensgefahr nicht verlassen wollte. Neben dem Schrecken, den Verwundeten und Toten, sind es die privaten und immer wieder auch heiteren Momente, die den Film so eindrücklich machen. Der ferne Krieg wird so als Alltagserfahrung vorstellbar - und verständlich, warum die Menschen aus Syrien nun wieder zu Tausenden davor fliehen.

Die Känguru-Chroniken

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(Foto: dpa)

Das kommunistische Känguru ist in Deutschland inzwischen eine Satire-Institution und Teenage-Kult-Objekt. Die Prämisse des Films von Regisseur Dani Levy - das Drehbuch übrigens von Marc-Uwe Kling selbst geschrieben - ist so einfach wie klischeebeladen: Immobilienhai Dwigs will einen gigantischen Turm in den Görlitzer Park bauen. Gegen diese Invasion wehrt sich eine Gruppe Kreuzberger Urgesteine inklusive Känguru und Kling mit all ihrer lokalkoloritischen Schnoddrigkeit. Das Ganze ist unterhaltsam, aber wenig innovativ - die meisten Witze kennt der gemeine Känguru-Ultra schon.

Bloodshot

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(Foto: 2020 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)

Soldat Ray (Vin Diesel) wird durch Nanotechnologien zu einem unsterblichen Supermann umfunktioniert. In dieser Form macht er sich als kampflüsterne Marionette nützlich für ein paar Wissenschaftler, die nicht von rein humanitären Gedanken geleitet sind. Dave Wilson bemüht sich bei seiner Valiant-Comic Verfilmung erfolgreich, die Action schick futuristisch zu halten; ähnlich gut sehen die digitalen Effekte aus, die tatsächlich der Unterhaltung dienen, nicht bloß der Angeberei.

Ip Man 4: Finale

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(Foto: Koch Films)

Karate versus Wing Chun, brachiale Kante versus elegante Choreografie, der polternde amerikanische Armyschleifer (Scott Adkins) gegen den besonnenen Chinesen Ip Man (Donnie Yen). Im vierten und letzten Film der Serie reist der todkranke Titelheld, der legendäre Lehrmeister von Bruce Lee (Kwok-Kwan Chan) nach Amerika, um die Zukunft seines Sohnes zu sichern, gerät dort aber zwischen die Fronten eines Glaubenskrieges zwischen Tradition und Moderne. Nostalgie liegt über den Bildern, die so aussehen als wären sie in den Sechziger Jahren gedreht, in milchig verwaschener Qualität mit weitgehend analogen Tricks und den furiosen Kampfchoreografien von Woo-Ping Yuen (Matrix, Kill Bill). Dabei verwebt Wilson Yip auf raffinierte Weise die Geschichte der letzten drei Filme mit dem Finale.

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