Filmstarts der Woche:Welche Kinofilme sich lohnen und welche nicht

In "Get Out" erweist sich Jordan Peele als Meister des beißend klugen Schauderns. Dafür werden in "Einsamkeit und Sex und Mitleid" nur Momente von Gezeter, Ekel und Peinlichkeit aneinandergereiht.

Von den SZ-Filmkritikern

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5 Frauen

Kinostarts - '5 Frauen'

Quelle: dpa

Frauen, Drogen, Rausch und Erotik. Dazwischen Fragen zum Beziehungsideal, zur Opferrolle und den dunklen Seiten der weiblichen Persönlichkeit. In seinem Spielfilmdebüt verdichtet Olaf Kraemer die Essenz seines schriftstellerischen Schaffens zu einem experimentellen Drama. Der Autor der Uschi-Obermaier-Biografie "High Times" schickt seine Schauspielerinnen auf einem französischen Landgut buchstäblich durch Licht und Schatten. Die sinnlichen, sonnengefluteten Bilder weichen einer düsteren Drohkulisse, als ein Unbekannter in das Haus eindringt. Das Ensemblestück wird zum Psychospiel, aus dem entspannten Wochenende ohne Männer ein bohrender Krimi mit Leichen.

Bernhard Blöchl

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Einsamkeit und Sex und Mitleid

Kinostarts - 'Einsamkeit und Sex und Mitleid

Quelle: dpa

Kenner und Liebhaber des Romans von Helmut Krausser hinterlässt Lars Montags Verfilmung sprachlos. Warum sind hier nur Momente von Gezeter, Ekel und Peinlichkeit aneinandergereiht? Von Kraussers Pulp-Stories zerfranster Seelen in Berlin bleibt ein mit Kunstgetue verziertes Panorama der Vulgarität, das keinerlei Interesse hervorlocken kann, versierten Darstellern (Rainer Bock, Friederike Kempter) zum Trotz.

Rainer Gansera

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Expedition Happiness

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Quelle: Felix Starck

Felix Starck und Selima Taibi, ein junges Paar aus Berlin, bauen einen alten US-Schulbus zum Instagram-tauglichen, fahrenden Hipster-Loft um. Dann reisen sie damit durch Kanada nach Alaska und dann immer Richtung Süden, das Ziel ist Argentinien. Interessanter als die Visumsbeschwerden und Landschaftsbegeisterung der beiden: wie rundum selbstgemacht diese Reisedoku mit ihren Drohnenflügen, selbstgeschriebenem Soundtrack und 360-Grad-Selfies ist. Ein Film wie ein Diavortrag für das Social-Media-Zeitalter.

Kathleen Hildebrand

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Fighter 

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Quelle: RealFiction

In der gegenwärtigen Diskussion über Männlichkeit wird diese besonders gern mit den Adjektiven "fragil" und "toxisch" verknüpft. Die Dokumentarfilmerin Susanne Binninger hingegen trifft ausgerechnet in der Welt der "Mixed Martial Arts" - eine Art Wrestling, bei dem die Gewalt echt ist - auf Kerle, die überraschend respektvoll und nachdenklich, ja spirituell sind. Wegen der Kämpfe schaut man sich diesen Film nicht an, sondern wegen denen, die sie austragen.

Philipp Bovermann

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Get Out

Kinostarts - 'Get Out'

Quelle: dpa

Weiße junge Frau bringt schwarzen Freund zum ersten Mal zu ihren Eltern mit - ist das in den USA heute noch ein Problem? Natürlich nicht, denn die Eltern sind liberale Obama-Fans. Aber warum sieht ihr einsames Herrenhaus trotzdem wie eine Sklavenhalter-Villa aus, warum wirken die schwarzen Bediensteten wie Zombies? Das Unwohlsein des schwarzen Helden (Daniel Kaluuya) verschärft sich mit jeder Minute, bis ein überraschender, beißend kluger und sehr böser Horrorfilm beginnt. Der schwarze Komiker Jordan Peele erweist sich schon in seinem Regiedebüt als Meister des subkutanen Schauderns, noch bevor es blutig wird.

Eine ausführliche Filmrezension lesen Sie hier.

Tobias Kniebe

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Ich. Du. Inklusion. - Wenn Anspruch auf Wirklichkeit trifft

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Quelle: mindjazz pictures

Kinder mit und ohne Förderbedarf sollen zusammen lernen, das bedeutet Inklusion. Politisch ist das grundsätzlich gewollt - aber wie wird es umgesetzt? Thomas Binn wirft in seiner Doku einen kritischen Blick in eine Grundschulklasse. Über zweieinhalb Jahre hinweg hat er Schüler mit und ohne Behinderung begleitet und zum Teil sehr ernüchternde Beobachtungen gemacht: Der gute Wille zur Inklusion geht manchmal auf Kosten der Kinder.

Martina Knoben

7 / 13

Kommunion

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Quelle: Peripher Filmverleih

Der Gefahr, familiäres Chaos wie eine Kuriositäten-Realityshow darzubieten, kann die polnische Dokumentaristin Anna Zamecka nicht immer entkommen. Ihr Direct-cinema-Stil verlockt zum Voyeurismus, wo manchmal Diskretion walten sollte. Rührende Momente jedoch verleiht sie dem Porträt der 14-jährigen Ola, die sich hingebungsvoll um ihren autistischen Bruder kümmert und zugleich den alkoholsüchtigen Vater im Zaum halten muss.

Rainer Gansera

8 / 13

Regeln spielen keine Rolle

Kinostart - 'Regeln spielen keine Rolle'

Quelle: dpa

Vierzig Jahre hat Warren Beatty gebraucht, um seine Filmidee über den legendären Hollywood-Studioboss, Frauenhelden, Flugzeugbauer, Super-Exzentriker Howard Hughes zu realisieren. So lange, bis Beatty selbst eine exzentrische Hollywoodlegende war - und außerdem älter, als Hughes je wurde. Trotzdem spielt er ihn selbst in dieser amüsanten Hinter-den-Kulissen-Farce. Eine junge, sehr christliche Beautyqueen (Lily Collins) kommt nach Hollywood, gerät in die Fänge des verrückten Milliardärs, wird dort aufgelockert und geschwängert und findet dann doch noch ihre gleichaltrige wahre Liebe (Alden Ehrenreich). Vor allem dank Lily Collins ist das wesentlich liebenswerter anzuschauen, als es auf den ersten Blick klingt.

Ein Gespräch mit Warren Beatty und Lily Collins lesen Sie hier.

Tobias Kniebe

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Shalom Italia

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Quelle: GM Films

Drei Brüder, alle um die 80 Jahre alt, suchen in Italien die Orte ihrer Kindheit auf: die Wohnung, in der sie geboren wurden, das Haus der befreundeten Familie - und die Höhle im Wald, in der sie sich als jüdische Familie vor den Nazis verstecken mussten. Tamar Tal begleitet die drei sehr unterschiedlichen Geschwister auf ihrer Reise in die trüb gewordene Vergangenheit. Ein ruhiger und kleiner Film, der den Zuschauer die Tragweite seiner Geschichte nur erahnen lässt.

Nicolas Freund

10 / 13

Shin Godzilla

Godzilla

Quelle: Splendid Film

Nach dem bisher letzten Hollywood-"Godzilla" von 2014 kehrt im 31. Film der Serie das Atomschrott-Monster ins japanische Kino zurück, natürlich um Tokio zu zerlegen. Toll: Der engmaschige Film von Hideaki Anno und Shinji Higuchi fährt einen riesigen Personenapparat ohne richtige Hauptfiguren auf, ironisiert er doch die Planlosigkeit der Politiker und ihre Ränkespiele rund um die Monsterbekämpfung - ohne je seinen ironischen Nationalismus zu verlassen.

Philipp Stadelmaier

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Sieben Minuten nach Mitternacht

Kinostarts - 'Sieben Minuten nach Mitternacht'

Quelle: dpa

Immer wieder um dieselbe Zeit, sieben Minuten nach Mitternacht, reißt der Baum seine Wurzeln aus der Erde und setzt sich in Bewegung. Locker überragt er das Haus, in dem der 13-jährige Conor lebt. Rot glühen die Augen der uralten Eibe, ihre riesige Hand ergreift den Jungen - um ihm Geschichten zu erzählen. Es sind wunderbar illustrierte Erzählungen, etwa von einem Mörder-Prinzen, der dennoch weise regiert. Den größten Schrecken in diesem abgründig starken Märchenfilm des spanischen Regisseurs Juan Antonio Bayona verströmt nicht das Baummonster, sondern die bittere Realität, der sich Conor stellen muss: Seine Mutter ist todkrank, und immer wieder hat er denselben Albtraum...

Martina Knoben

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Trockenschwimmen

Senioren als Schwimmanfänger - Dokumentarfilm aus Leipzig

Quelle: dpa

Viele Dokumentarfilme, auch hochgelobte, wirken kalkuliert lebensausbeuterisch. In "Trockenschwimmen" von Susanne Kim wird eine Gruppe älterer Menschen behutsam dabei begleitet, wie sie Schwimmen lernen. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, eine Art sozialdarwinistische Vorstellung von Relevanz und Schönheit, dass man besonders schonungslos sein Leben und das seiner Mitmenschen darstellen müsse, um große Kunst hervorzubringen. In Wirklichkeit ist es so, dass man immer fühlt, ob gefilmte Nähe von Liebe getragen ist oder nicht, da Nähe - im Film wie auch im Leben - nur durch Liebe erträglich wird.

Juliane Liebert

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Victoria - Männer & andere Missgeschicke

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Quelle: Alamode Film

Der Nervenzusammenbruch ist immer ganz nah: Die von Virginie Efira köstlich gespielte, Midlife-Crisis-geplagte, neurotische Single-Mutter und Strafverteidigerin Victoria stolpert beruflich wie privat von einem Schlamassel ins nächste. Regisseurin Justine Triet macht daraus aber keine romantische Komödie vom Fließband, sondern navigiert ihre Erzählung elegant und eigenwillig zwischen Liebeskomödie, Anwaltsposse und den wunderbaren Widersprüchlichkeiten ihrer Titelheldin.

Annett Scheffel

© SZ.de/pak
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