Süddeutsche Zeitung

Filmstarts der Woche:Welche Kinofilme sich lohnen und welche nicht

"Verborgene Schönheit" mit Will Smith drückt ordentlich auf die Tränendrüse - Edward Norton, Kate Winslet und Michael Pena machen das aber wieder wett.

Von den SZ-Filmkritikern

Der die Zeichen liest

Mit Bibelzitaten agitiert Schüler Benjamin (Petr Skvortsov) gegen Bikinis, Evolutionstheorie und laxe Moral. Er testet aus, wie sehr man den Betrieb einer staatlichen Schule Russlands mit fundamentalistischem Furor irritieren kann. Regisseur Kirill Serebrennikov will die Schwäche liberaler Positionen gesellschaftssatirisch entlarven und verwurstet das eigentlich brisante Thema zur Galerie witzelnder Drohgebärden.

Diamond Island

Auf der Suche nach einem besseren Leben zieht der Teenager Bora aus seinem kambodschanischen Heimatdorf an die Peripherie von Phnom Penh. Tags schuften die armen Wanderarbeiter im Betonrohbau des luxuriösen Wohntempels, der hier für die Superreichen gebaut wird, nach Arbeitsschluss lassen sie sich durch die Neonnächte treiben. Nach einer Dokumentation über das kambodschanische Kino trägt Davy Chou nun selbst einen Spielfilm bei, eine glimmende Momentaufnahme zwischen Hoffnung und Ernüchterung, Bewegung und Lethargie.

Die Hölle - Inferno

Als Özge gefragt wird, wie der Killer aussieht, der sie verfolgt, seit sie ihn bei einem Mord beobachtet hat, antwortet sie: "Normal". Die originellste Szene dieses Thrillers fasst ihn zugleich zusammen. Am Ende steuert die türkischstämmige Taxifahrerin ihren Wagen volles Karacho rückwärts in eine Mauer, so als habe Stefan Ruzowitzky eigentlich eine Action-Parodie des Kultfilms "Gegen die Wand" von Fatih Akin drehen wollen.

Junction 48

Ein israelischer Regisseur (Udi Aloni), ein palästinensischer Rapper (Tamer Nafar) und ihr Film über den konfliktreichen Alltag junger Araber in einer Kleinstadt vor den Toren Tel Avivs: Der ist ein kraftvolles Musikdrama (die Raps sitzen!) mit einem Hauptdarsteller, der das Hadern zwischen juveniler Leichtfertigkeit und Politisierung spürbar macht. Ein differenzierteres Täter-Opfer-Gefüge und weniger Subplots - und das hätte die Chance zur richtig großen Geste gehabt.

Luca tanzt leise

Nach Jahren der Depression will Luca wieder mit ihrem Leben klar kommen. Dabei helfen ihr Kurt, ein Automechaniker, wie sie das Abitur nachholen will, und ihr Hund Mata. Kurz vor den Prüfungen steht jedoch Lucas gewalttätiger Exfreund vor der Tür. Die Berliner Low-Budget-Produktion von Philipp Eichholtz glänzt mit witzigen Dialogen und wunderbaren Darstellern.

Manchester by the Sea

Kann man sich auf die Charakterstudie eines Mannes einlassen, der alles verloren hat, was ihm je wichtig war? Ja, wenn der Filmemacher Kenneth Lonergan heißt. Weil er erschreckend genau von Verlust und Verzweiflung erzählt, aber auch die Schönheit feiern kann (das idyllische Fischerörtchen Manchester-by-the-Sea) das Leben und den Humor des Alltags. Und weil Casey Affleck, gerade schon Golden-Globe gekrönt, hier die Rolle seines Lebens spielt - unterstützt unter anderem durch einen ergreifenden Kurzauftritt von Michelle Williams.

Nicht ohne uns!

Jungen und Mädchen zwischen 8 und 12 aus Österreich und Afrika, Indien und der Schweiz, Laos und New York, Jordanien und Island, Japan, Irak und Peru. So unterschiedlich ihre Lebensbedingungen und zum Teil sehr beschwerlichen Schulwege auch sind, sie alle sorgen sich weniger um die eigene Existenz als um die Zukunft der Erde. Sigrid Klausmann, die junge Menschen schon oft zu Protagonisten ihrer Filme gemacht hat, klammert hier einen Ausschnitt aus dem großen Kurzfilmprojekt 199 kleine Helden aus, in dem sie einmal aus jedem Land der Erde ein Kind auf dem Schulweg begleiten will.

Der Ost-Komplex

War die DDR ein Unrechtsstaat oder nicht? Über 25 Jahre nach der Wiedervereinigung folgt Filmemacher Jochen Hick dem Zeitzeugen Mario Röllig bei dem Versuch, seine Inhaftierungen und Fluchtversuche zu bewältigen. Gespräche mit Sympathisanten der ehemaligen DDR kontrastieren seine Erlebnisse. Sachliche Bestandsaufnahme ostdeutscher Verarbeitungsmuster zwischen Verniedllichung und Trauma.

Personal Shopper

Eine junge Amerikanerin (Kristen Stewart) treibt sich als Kleiderassistentin eines Starlets in Paris herum. Sie interessiert sich aber weniger für Mode als für spirituelle Kräfte und versucht, Kontakt mit ihrem verstorbenen Zwillingsbruder aufzunehmen. Olivier Assayas inszeniert einen Geisterfilm aus dem Jenseits der Genrekonventionen und beweist, dass seine Hauptdarstellerin die spannendste Schauspielerin ihrer Generation ist.

Ritter Rost 2

Schrottland entlässt wegen einer tiefen Finanzkrise alle seine Ritter. Während sich Ritter Rost (Stimme: Christoph Maria Herbst) in das Labor seines Vaters zurückzieht und die anderen arbeitslosen Ritter nur Unfug anstellen, reißt die Polizei Schrottland heimlich an sich. Der zweite Kinofilm der Ritterrost-Reihe von Thomas Bodenstein und Marcus Hamann ist liebevoll und witzig animiert.

Shot in the Dark

Es ist heikel, die sinnlichen Erfahrungen von Blinden ausgerechnet mithilfe eines visuellen Mediums nachvollziehbar machen zu wollen. Dass es Frank Amanns Doku vorzüglich gelingt, liegt an ihrer ernsthaften Auseinandersetzung mit den darin porträtierten Personen, die sich als sehbehinderte Fotografen selbst dieser Aufgabe stellen. Die Form des Films ahmt nach, wie die drei Künstler aus der Dunkelheit ihrer Sehschwäche heraus mit dem Licht experimentieren.

Verborgene Schönheit

David Frankel drückt hier brachial auf die Tränendrüse, und das muss man mögen, um mit Will Smith mitzuleiden. Er spielt hier einen Mann, der nach dem Tod seiner kleinen Tochter durchgedreht ist, und seine Kompagnons. - Kate Winslet, Michael Pena und Edward Norton - wollen ihm das nachweisen, bevor er die Firma ruiniert hat. So schliddern alle vier in einen Plot hinein, der Charles Dickens und seine drei Geister der Weihnacht sehr schön verdreht. Weihnachten ist zwar vorbei, aber die Schauspieler sind großartig. Und Heulen reinigt die Seele.

Where to, Miss?

Natürlich hab ich Angst, sagt die junge Devki ... aber das bringt mich nicht weiter. Natürlich ist es gefährlich für Frauen nachts allein in der großen Stadt Delhi, die Verachtung der Männer, Anmache, Vergewaltigung. Devki will Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein, kein Objekt sein. Will etwas tun gegen die Angst. Sie möchte Taxifahrerin werden, lernt Autofahren, Englisch, Selbstverteidigung. In Manuela Bastians gelassenem kleinen Film ist die Nacht so vieldeutig inszeniert wie bei Scorsese, ungewiss und abenteuerlich und geheimnisvoll.

xXx 3 - Die Rückkehr des Xander Cage

Im Universum von D. J. Carusos "xXx 3: Die Rückkehr des Xander Cage" mit Vin Diesel ist alles in bester Ordnung. Klar, das Böse will die Weltherrschaft. Aber man erkennt es von Weitem am Haarschnitt. Und auch sonst: die Frauen sind jung und schön und wollen dem Helden an die Wäsche, die süße Melodie der Schüsse säumt seinen Weg, Ruby Rose trifft immer, und die Handlung, naja, reden wir nicht davon, da, eine Motorradverfolgungsjagd auf hoher See! Cool.

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