Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

In "Animals" steht Birgit Minichmayr im Mittelpunkt eines komisch-gruseligen Verwirrspiels und mit "The Big Sick" ist Michael Showalter eine wunderbar unverkrampfte Indie-Komödie gelungen.

Von den SZ-Kinokritikern

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Animals - Stadt Land Tier

Kinostart - 'Animals - Stadt Land Tier'

Quelle: dpa

Surreale Szenen einer Ehe: Nach einem Unfall mit einem Schaf auf der Straße hat Anna (Birgit Minichmayr) was am Kopf. Eine schwarze Katze flüstert ihr zu, dass sie verrückt sei, und vielleicht stimmt das ja auch: Ihre Ehe mit Nick, seine Verhältnisse zu anderen Frauen sind schließlich auch zum Durchdrehen. Auch der Zuschauer weiß bald, dass er seinen Augen nicht trauen kann, dass vor allem die üblichen Regeln, Filme zu lesen, hier nicht gelten. Der Autor des Films, Jörg Kalt, nahm sich 2007 das Leben; Regisseur Greg Zglinski realisierte das Projekt - als komisches und gruseliges Verwirrspiel.

Martina Knoben

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The Big Sick

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Quelle: Photo by Nicole Rivelli

Liebesgeschichten fehlt in Zeiten pussygrabbender Präsidenten oft die Leichtherzigkeit. Nicht so bei dieser wunderbaren Indie-Komödie von Michael Showalter: Zwei Menschen verlieben sich, wie sich Menschen nun mal verlieben, plötzlich liegt sie im Krankenhaus im Koma. Das klingt eigentlich gar nicht lustig, aber man darf dabei trotzdem oft lachen und vor allem lächeln, denn dieser Film geht so herrlich nachsichtig, so unverklemmt mit seinen Figuren um, dass es einem ganz warm ums Gemüt wird.

Philipp Bovermann

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Fikkefuchs

Fikkefuchs

Quelle: Alamodefilm

Zur Abwechslung mal ein Film gefällig, in dem ein älterer weißer Mann einen wirklich bösen Blick auf sich selber richtet, und damit auch auf das eigene Geschlecht? Autor-Regisseur Jan Henrik Stahlberg spielt mit vollem Fremdschäm-Körpereinsatz (Hinterkopftonsur, Spitzbauch, Pissfleck auf der Hose) einen Endvierziger, der sich nur für junge Frauen interessiert, aber im Aufreißer-Wahn völlig ausblendet, wie sehr er von diesen längst verachtet wird. Es macht die Sache nicht besser, dass dann ein pornobesessener junger Soziopath (der geniale Franz Rogowski) bei ihm auftaucht und behauptet, sein Sohn zu sein. Ein Gespann zwischen Wahnwitz, Ekel, hellem Auflachen und Loser-Solidarität, das man nicht mehr vergisst (siehe SZ vom Mittwoch).

Tobias Kniebe

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Flitzer

Flitzer

Quelle: X Verleih AG

Ein Paukerfilm aus der Schweiz, andersherum, von der Seite des Lehrers Balz (Beat Schlatter), und statt der Lümmel von der ersten Bank gibt es schnippische Girls. Balz hat, um seinen Lebenstraum, ein Gottfried-Keller-Museum, zu verwirklichen, Geld unterschlagen, und um das zu ersetzen, kreiert er eine neue sportliche Disziplin, das Flitzen: Völlig nackt auf dem Fußballfeld sich tummeln, während eines Spiels, zum Gaudium des Publikums, und das möglichst lang, bevor die Ordner einen per Bodycheck zur Strecke bringen. Peter Luisi designt eine schmucke, saubere Schweiz, mit dem Charme des Provinziellen und markanten Genrefiguren. Nur der Alte muss Balz moralisch kommen, Gottfried Keller - Jahre werde er tragen an dieser Bürde!

Fritz Göttler

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Happy Deathday

Kinostart - 'Happy Deathday'

Quelle: dpa

Es ist mal wieder einer dieser Tage: Morgens wacht das Campus-Flittchen Tree im Bett eines Typen auf, den sie sich im Vollrausch geangelt hat, abends wird sie von einem Maskenmörder massakriert - wieder und wieder. Den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" hat sie laut eigenem Bekunden nicht gesehen. Hätte sie mal besser. Denn dieser Teenie-Horrorfilm von Christopher Landon verwurstet dessen Grundidee zu einer sexualtherapeutischen Läuterungsgeschichte mit viel Gekreische und Wer-ist-der-Mörder-Rätselraten, die sich ein bisschen so anfühlt, als käme sie gerade aus der Mikrowelle.

Philipp Bovermann

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Human Flow

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Quelle: © 2017 Human Flow UG

Nichts verändert die Welt gerade mehr als die Flüchtlingsströme, die sich durch sie bewegen - der chinesische Künstler Ai Weiwei lebt selbst im Exil und hat ein Jahr lang Camps, Heime, Lager an den unterschiedlichsten Orten der Welt besucht. Er hat einige wirklich spektakuläre Bilder gefunden auf seiner Reise. Aber in der Substanz bietet sein Film leider nichts, was nicht schon tausendfach gesagt, gezeigt und geschrieben wurde.

Susan Vahabzadeh

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The Justice League

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Quelle: AP

Der Regisseur Zack Snyder hat bereits in zwei teuren Blockbustern bewiesen, dass er vollkommen unfähig ist, einen Superheldenfilm zu inszenieren. Da das in Hollywood anscheinend niemand gemerkt hatte, durfte er jetzt noch ein drittes Mal ran. Für die Postproduktion und einen ausgiebigen Nachdreh rekrutierte das Warner-Studio zusätzlich den Regieveteran Joss Whedon. Das Ergebnis: verkochter Superheldeneintopf neu aufgewärmt.

David Steinitz

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Das Kongo-Tribunal

Das Kongo-Tribunal

Quelle: Swiss Films

Milo Raus Dokumentation über seine Performances im kongolesischen Bukavu und in Berlin, bei denen ein fiktives Tribunal (unter Beteiligung echter Juristen und Akteure) unverfolgt gebliebene Menschenrechtsverbrechen im Ostkongo und die mit ihnen verknüpften globalen wirtschaftlichen Interessen untersucht. Extrem informatives, erschütterndes Porträt eines unfassbar reichen und unfassbar vergewaltigten Landes.

Philipp Stadelmaier

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Liebe auf Sibirisch - Ohne Ehemann bist du keine Frau!

Liebe auf Sibirisch

Quelle: Drop-Out Cinema eG

"Feminismus? Was ist das?", fragt eine von Olga Delanes Tanten, lacht und buddelt weiter im Gemüsegarten. Die Filmemacherin ist nach zwanzig Jahren in Berlin zurück in ihr ostsibirisches Heimatdorf gereist, um dessen Beziehungsgeflechte zu ergründen. Was bedeuten Liebe, Glück und Freiheit inmitten der unbarmherzigen Landschaft Russlands, in der man ohne Ehemann keine Frau und ohne das Sagen zu haben kein Mann ist? Eine zwischen Intimität und Humor, Neugier und bittersüßer Sympathie gut ausbalancierte Erkundung des traditionellen Lebens am anderen Ende der Welt.

Annett Scheffel

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Plötzlich Santa

Plötzlich Santa

Quelle: capelight pictures 2004-2017

Tischler Andersen ist besessen vom Weihnachtsfest und dazu noch tollpatschig, seine Familie wünscht sich ein Ende des alljährlichen Hokuspokus. Entgegen allen Beteuerungen unternimmt der tapfere Tischler im Weihnachtsmannkostüm einen neuen Anlauf und wird dabei Teil eines unerwarteten Rollentauschs. Terje Rangnes erzählt zunächst etwas schleppend, jedoch mit einem märchenhaften Szenenbild eine nette kleine Weihnachtsgeschichte.

Volker Bernhard

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Silly - Frei von Angst

Kinostart - 'Silly - Frei von Angst'

Quelle: dpa

In allumfassende Nettigkeit hüllt Sven Halfar sein Porträt der 1978 in Ostberlin gegründeten Band Silly. Für Fans der Softrockcombo mit DDR-Vergangenheit eine hübsche Hommage, ein Familienalbum mit dem Fokus auf der charmanten Frontfrau Anna Loos. Ansonsten die handelsübliche Tourdokumentation mit viel Backstage-Lampenfieber und Erinnerungsmelancholie, wobei die kulturpolitisch spannenden Fragen nach dem, was Rockmusik in DDR-Zeiten bieten konnte und durfte, nicht gestellt werden.

Rainer Gansera

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Teheran Tabu

Teheran Tabu

Quelle: Camino

Drei junge Teheranerinnen geraten in Schwierigkeiten: Eine will sich scheiden lassen, eine würde gern abtreiben, eine braucht die künstliche Wiederherstellung ihrer Jungfräulichkeit. Ali Soozandeh zeigt die Macht der Männer und die Rechtlosigkeit der Frauen im Iran, und die daraus resultierenden Wege in die Illegalität. Sein Film, in Deutschland entstanden, ist eine brillante Animation mit agitatorischem Potenzial.

Doris Kuhn

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Wer war Hitler

Kinostart - 'Wer war Hitler'

Quelle: dpa

Hermann Pölkings monumentale Film-Text-Montage (siehe SZ vom 23. Juni 2017) ist in der Festivalfassung 460 Minuten lang, mehr als sieben Stunden. Einige Kinos zeigen die Langfassung, andere nun eine auf drei Stunden gekürzte Fassung. Beide bestehen aus durchweg originalem, zeitgenössischem Filmmaterial, meist Amateuraufnahmen, oft in Farbe, vierzig Prozent davon nach Angaben des Regisseurs noch nie gezeigt. Jeder Bildabschnitt ist mit einem gesprochenen Text unterlegt, entweder einer chronikalischen Angabe, die über die Ereignisse unterrichtet, oder mit einer zeitgenössischen Quelle, einem Augenzeugenbericht, einer Proklamation, einer Rede. Das Deutschland des Dritten Reichs, das wir hier sehen, vor allem in seiner gegen Ende fast rätselhaften Bereitschaft, in den Untergang zu gehen, rückt dadurch näher als in dröhnenden Wochenschau-Bildern - darin ist Pölkings Unternehmen rühmenswert. Wer Hitler war, wird hier aber auch nicht beantwortet, kann vielleicht gar nicht beantwortet werden.

Gustav Seibt

© Süddeutsche Zeitung vom 16.11.2017/efo
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