Filmkritik:Prinz der Dunkelheit

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Nichts für Kinder: In Mike Newells Verfilmung von "Harry Potter und der Feuerkelch" wird der Zauberlehrling erwachsen und die Stimmung düsterer.

Susan Vahabzadeh

Warum wir Zauberwelten lieben, auch wenn wir längst schon nicht mehr an sie glauben, das liegt auf der Hand - sie sind das Land, in dem alle Träume wahr werden. Man kann über sich selbst hinauswachsen mit magischen Kräften und vielleicht den größten Traum von allen sich erfüllen, den vom Fliegen ...

Wie im Geisterschloss: Der neue Harry-Potter-Film ist gruseliger als sein Vorgänger. (Foto: Foto: Reuters)

All das gehört zu dem, was die Erfolgsgeschichte vom Zauberlehrling Harry Potter immer weiter vorangetrieben hat. Aber er hätte lange nicht so unglaublich viele Menschen faszinieren können, in Büchern und Filmen, wären alle seine Träume hell und beschwingt. Das Wesen des Märchens ist es, dass es immer auch eine Herausforderung geben muss, eine düstere Seite, die es zu bekämpfen gilt.

Die Rückkehr des Bösen deutet sich an

An welchem Punkt das Schreckliche zu furchterregend ist, darüber kann man natürlich streiten. Herausforderung aber bietet der Sage vierter Teil, "Harry Potter und der Feuerkelch", auf jeden Fall bis zum Abwinken: Harry muss mehr als je zuvor über sich hinauswachsen in diesem Abenteuer. Am Anfang fahren Harry, seine Freunde Hermine und Ron und dessen Sippschaft als Schlachtenbummler zur Quidditch-Weltmeisterschaft - dort kommt man hin mit so einem Portschlüssel, man fasst ihn an und schon ist man da! -, und nach dem großen Spiel deutet sich die Rückkehr des Bösen an: Dunkle Mächte brennen alles nieder, hinterlassen eine Wüstenei.

Selbst wenn man's nicht schon aus den Büchern weiß, kann man sich mühelos vorstellen, dass der fiese Voldemort nicht ganz vernichtet ist, dass er und seine Helfer dahinterstecken. Und dann, zurück in Hogwarts, dem Zauberinternat, ereignet sich noch etwas unheilvoll Seltsames, bei einer anderen Meisterschaft:

Die besten Schüler aus drei Zauberschulen sollen sich im Dreikampf messen, doch der magische Kelch, der die Namen ausspuckt, hat noch einen vierten Zettel parat, der einen Schüler für den Wettkampf nominiert, der eigentlich noch viel zu jung und unbedarft dafür ist und gar nicht vorgesehen war: Harry ist der vierte Mann.

Er muss nicht nur gegen Drachen kämpfen, sondern auch noch gegen die Anfeindungen seiner Mitschüler - sein bester Kumpel inklusive -, die glauben, er habe bei der Auswahl geschummelt, um sich in den Vordergrund zu spielen.

Dirty Harry

Die Geschichte bietet also Schrecken genug, und sie nimmt ihren Ausgangspunkt in einer Träumerei, über deren Kindertauglichkeit man wahrlich streiten kann: "Harry Potter und der Feuerkelch" beginnt mit Harrys Nachtmahr von der Rückkehr Voldemorts, und natürlich hat er dabei prophetische Gaben bewiesen. Ein Albtraum, von dem man weiß, dass er wahr werden wird, das ist schon zum Einstieg ziemlich starker Tobak.

Und der Film bleibt düster, manchmal schaurig, am Ende gar mörderisch. Hogwarts wirkt beim Weihnachtsball wie ein eisiges Gemäuer und in manchen Szenen, wenn Harry nachts auf den Gängen umherläuft, wie ein Gruselschloss. Einer der Wettkämpfer wird im Irrgarten von mordlüsternem Irrsinn befallen - später zwar wieder davon befreit, aber zunächst einmal starrt er mit einer fürchterlichen Fratze und glasigen Augen aus der Dunkelheit.

Die FSK hat diesen "Harry", völlig zurecht, erst ab zwölf Jahren freigegeben. Die Düsternis der Story liegt in ihrem tiefsten Innern begraben, in der Ausweglosigkeit, Harry muss sich seinem Schicksal fügen, einen vorbestimmten Weg in den Kampf gehen.

Joanne K. Rowling passt ihre Bücher dem älter werdenden Publikum der ersten Teile an, die Filme entwickeln sich parallel dazu, und inzwischen sind Harry & Co. alt genug für vorsichtige Flirts und waghalsige Abenteuer. Die Nummer vier ist solide inszeniert vom britischen Meister Mike Newell ("Vier Hochzeiten und ein Todesfall").

Ein Cast der Robert Altman in den Schatten stellt

Wie seine drei Vorgänger ist auch "Harry Potter und der Feuerkelch" schauspielerisch faszinierend - was aber, bei einer solchen Besetzung, irgendwie zu erwarten ist. Maggie Smith, Alan Rickman und Robbie Coltrane, denen man soviel Raum wünschen würde wie in den ersten Filmen, außerdem Gary Oldman, Ralph Fiennes und Brendan Gleeson, der den neuen Lehrer an der Schule spielt, Madeye Moody mit seinem hässlichen Glasauge ... die Potter-Filme warten mit einem Cast auf, der sogar Robert Altmans britisches Allstarteam für "Gosford Park" in den Schatten stellt.

Das unterwürfige Geschleime von Voldemorts Diener, den Timothy Spall spielt, ist richtig schön eklig, wenn Dame Maggie Smith als Schulleiterin sich Sorgen macht, ist das immer auch komisch, und Alan Rickman als Severus Snape gibt sich großartig arrogant und undurchsichtig - manchmal sogar durchaus loyal. Und die Kinder, die in diesen Filmen erst anfingen mit der Schauspielerei, lernen mit jeder Folge dazu.

Ob das reicht, die Begeisterungsstürme mancher Kritiker bis ins Publikum zu tragen? Die Filme haben mehr als zweieinhalb Milliarden Dollar eingespielt, allerdings hat jeder Film ein bisschen weniger geschafft als sein Vorgänger. Die Zugkraft des Zauberschülers ist dennoch unumstritten. Aber man wird vielleicht doch ein paar Einwände erheben dürfen.

Verwechselbar aber schwer zu stoppen

Ach, und Einwände gäbe es in der Tat. Die am Computer fabrizierten Fantasywelten, die in "Harry Potter" und in seinen Verwandten aus dem Genre, sind einander zu ähnlich, um dauerhaft aufregend zu sein. Die niedergebrannte Zeltstadt, die übrig bleibt von der Quidditch-WM, sieht ungefähr genauso aus, wie man sie sich vorstellt, wenn man niedergebrannte Kriegsstätten im Kino der vergangenen Jahre gesehen hat, sei's in der "Herr der Ringe"-Trilogie oder zur Not auch in eher wühltischtauglichen Produkten à la "Riddick".

Es ist, wir wissen es, eben schwer, diese Zauberlehrlinge zu stoppen: "Stehe! stehe! / Denn wir haben / Deiner Gaben / Vollgemessen! ..." Und die Idee, die Geschichten, die Filme mit ihren Fans erwachsener werden zu lassen, mag ein großer Coup der Marketingstrategie sein; aber zu den Eltern, die ihren Kindern diesen Film ausreden müssen - was spätestens dann zur Kinderzimmerdebatte wird, wenn er auf DVD erscheint und die FSK-Freigabe zu Hause durchgesetzt werden muss -, mag man nicht gehören.

Und wenn man alt genug ist, um die Düsternis zu verkraften? Dann, mit Verlaub, kann man trotzdem finden, dass Mike Newell die Story manchmal ein bisschen zäh gerät. Das Zielpublikum aber kennt eh jeden Dreh und jede Wendung - da versagen die herkömmlichen Maßstäbe.

Aber darum geht es natürlich gar nicht. Die Potter-Filme sind nicht wirklich Kino, sie sind ein Nebenprodukt mehr in einer großen Potter-Maschinerie. Der fünfte Teil ist fest gebucht, komme was wolle.

© SZ vom 16.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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