Filmkritik:Eingezäunt

Denzel Washington hat "Fences" verfilmt, ein Stück von August Wilson - mit Viola Davis und sich selbst.

Von Susan Vahabzadeh

Der amerikanische Traum, diese schon in der Unabhängigkeitserklärung verankerte Vorstellung, ein jeder sei seines Glückes Schmied, hat Kino, Theater und Literatur beschäftigt, seit er in der Welt ist. Oft ging es dabei um die Macht der Illusionen, von "Der große Gatsby" bis zum "Tod eines Handlungsreisenden". Der Dramatiker August Wilson dagegen lässt in seinem Stück "Fences" den Müllmann Troy Maxson schon die bloße Idee von sich weisen, Träume ließen sich in die Realität übersetzen. Vehement verbietet Troy seinem Sohn Cory, ein Football-Stipendium fürs College anzunehmen. Er weiß ganz genau, wie wenig Alternativen sich dem Jungen bieten, um es jemals aus dem Arbeiterviertel am Rande von Pittsburgh hinauszuschaffen. Der Junge soll arbeiten und gar nicht erst fantasieren, er könne etwas werden in einer Welt, die den Weißen gehört.

Wilsons Theaterstück spielt in den Fünfzigerjahren, geschrieben hat Wilson es aber erst 1983. Denzel Washington hat es fürs Kino inszeniert, und es ist ein richtiger Schauspielerfilm geworden: Washington spielt Troy selbst, Viola Davis spielt Rose, dessen Frau, und zusammen ziehen sie alle Register ihres Könnens. In langen Dialogszenen schleudert Troy witzige, melancholische, poetische, wütende und enttäuschte Monologe über das Leben im Allgemeinen und das seine im Besonderen hinaus, die Rose dann pariert. Er gibt hemmungslos an, bis sie die Wirklichkeit wieder zurechtrückt, er zettelt Familiendramen an, die sie dann wieder in Ordnung bringt. "Es ist nicht leicht zuzugeben", brüllt er, "dass ich seit achtzehn Jahren auf der Stelle stehe." "Weißt du", antwortet Rose, "ich habe dabei neben dir gestanden."

Zäune bewahren das bisschen, was man hat; aber sie sind auch die Hürden, die alles verhindern

Diese wenigen Sequenzen in all ihrer Beredtheit zu einem Stück Kino zu machen, ist schon für sich genommen eine Leistung. "Fences" ist dafür als bester Film bei den Oscars nominiert, Washington als Hauptdarsteller und Davis als Nebendarstellerin, und der 2005 verstorbene Autor Wilson für das beste adaptierte Drehbuch. Mit dem Text sei Washington dann ganz vorsichtig umgegangen, sagt er - Wilsons Worte seien für ihn der "heilige Geist".

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Denzel Washington (auch Regie) mit Viola Davis in "Fences".

(Foto: David Lee/Paramount)

Fast die ganze Zeit streiten sich Troy und Rose, ein paar wenige Nebenfiguren nehmen gelegentlich an den Diskussionen teil: Troys bester Freund Bono, den er seit vielen Jahren kennt, noch aus dem Gefängnis, und mit dem er zusammen bei der Müllabfuhr arbeitet; Troys Sohn aus einer Ehe vor der Zeit im Gefängnis, der Musiker geworden ist, was Troy nicht für ehrliche Arbeit hält; und Cory, der wild entschlossen ist, sich nicht herumschubsen zu lassen von seinem Vater. Der Zaun, den Troy um den Hinterhof herumbauen will, um aus dem sandigen Stück Erde einen eigenen kleinen Garten zu machen, auf einem Grund, den er überhaupt nur besitzt, weil sein Bruder im Krieg seine Unversehrtheit und seinen Verstand verloren hat - dieser Zaun will und will nicht fertig werden. Zäune (englisch fences) haben hier gleich doppelte Bedeutung. Sie sollen das bisschen bewahren, was man hat; und sind doch auch die Hürden, die alles verhindern.

Troy hatte einen denkbar schlechten Start ins Leben, und dass er seine wenigen Chancen nicht hat nutzen können, kann er nicht verwinden. Zwar haben sich die Möglichkeiten für Schwarze verändert, aber es ist zu spät für ihn selbst. Das hat ihn zu einem Egoisten werden lassen. Denn ein paar Träume und Leidenschaften braucht jeder, sogar Troy, und seine gehen zu Lasten von Rose. Rose ist für die Rationalität in dieser Beziehung zuständig, Sie ist, obwohl sie weniger redet als Troy, und obwohl Viola Davis nur als Nebendarstellerin nominiert ist, eine gleichwertige Figur.

Mehr als ein Vierteljahrhundert war dieser Film in der Hölle von Hollywoods Stoffentwicklung gefangen, und das hatte auch mit Wilson selbst zu tun. Um 1990 herum wollte Barry Levinson ("Rain Man") den Film drehen, aber Wilson hatte sich in den Kopf gesetzt, die Verfilmung dürfe nur ein schwarzer Regisseur inszenieren - und ein solcher war in der ersten Liga Hollywoods damals noch schwerer zu finden als heute. Solange die Industrie keine schwarzen Regisseure für Redford und De Niro anheuere, sagte Wilson damals, sollten "Schwarze wenigstens ihre eigene Erfahrung inszenieren dürfen".

Erst 2009, vier Jahre nach Wilsons Tod, kam schließlich Denzel Washington an Bord, der das Stück erst einmal am Broadway inszenierte; bis zur Verfilmung verstrichen noch weitere sieben Jahre. Es gibt in Hollywood immer noch nicht viele schwarze Regisseure, und kaum einen, der für so ein kleines Projekt so viel Ruhm mitbringt wie Denzel Washington. Dank ihm hat August Wilson am Ende seinen Willen bekommen. Er hatte damals, als er das Stück nicht herausrücken wollte, noch Träume, seiner eigenen Maxime folgend, ganz anders als seine Hauptfigur. Sein Geschöpf Troy wäre jedenfalls glücklicher geworden, hätte er nicht alle Träume zur bloßen Illusion erklärt.

Fences, USA 2016 - Regie: Denzel Washington. Drehbuch: August Wilson, nach seinem Theaterstück. Kamera: Charlotte Bruus Christensen. Mit: Denzel Washington, Viola Davis, Stephen Henderson, Jovan Adepo. Paramount, 139 Minuten.

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