Filmkritik "Casino Royale":Auf Bewährung

Neuer Bond, alte Masche: Martin Campbells "Casino Royale" bringt die seit Jahrzehnten erfolgreiche Bond-Serie auf den Stand der Gegenwart. Hauptdarsteller Daniel Craig macht als 007 Lust auf mehr.

Fritz Göttler

Dies ist, frei heraus gesagt, ein Bond, der sich sehen lassen kann. Der seine Aufgabe ernst nimmt, für frischen Wind zu sorgen, eine seit über vierzig Jahren erfolgreiche Serie auf den Post-9/11-Stand zu bringen. Der sich durchaus etwas traut im Spiel von Tradition und Surprise, der frech, aber nie leichtfertig das Bewährte mit dem Unerwarteten mixt, uns die wohlvertraute Aura der Nobelhotels von Old Europe genießen lässt, aber dort eine Schlägerei inszeniert, nach der Bond im Gesicht und an den Fingern brutal zerschunden ist. Was, wenn er kurz darauf an den Spieltisch zurückkehrt, wie weggewischt ist.

Ein Film, der Lust an großen Auftritten zeigt, und noch mehr Lust, diese wieder runterzuspielen. Neal Purvis und Robert Wade haben das Script geschrieben, ein bewährtes Bond-Team, dann wurde Paul Haggis rangelassen, der Mann von "Million Dollar Baby" und "L.A. Crash". Er lässt den Film, das Genre implodieren - bis hin zum spektakulären Finale in Venedig, in dem ein alter Palast majestätisch zugrunde geht.

Spektakulär auch der erste Auftritt von Eva Green, bei der man immer noch die wilden "Dreamers" von Bertolucci in Erinnerung hat und die natürlich mehr ist als das obligatorische Bondgirl. Bond ist en route nach Montenegro, wo er im Casino gegen den Erzfeind Le Chiffre antreten soll, studiert im Speisewagen die Karte, da gleitet, in Schwarz und schön wie der Abendstern, eine Frau auf den Platz gegenüber: "I am the money ..." Es ist die Kollegin Vesper Lynd, aus der MI6-Finanzabteilung, abkommandiert als Gouvernante - die Bond zehn Millionen zur Verfügung stellen kann fürs entscheidende Spiel, und weitere fünf in petto hat, falls sie es für richtig hält. Ein Bond, der um eine zweite Chance bittet, das ist ungewöhnlich für die Serie ...

Die Frau ist ein Schatz, und sie stellt die gewohnten Bedingungen, zu denen im Kino von Frauen und Geld erzählt wird, auf den Kopf, wenn es um Lust und Bezahlung geht, um Angebot und Nachfrage, um Prostitution. Dazu kommt jene erregende Schwerelosigkeit, wie sie das Zugfahren im Kino so gern vermittelt, diese vibrierende Bewegung an sich, diese Ungebundenheit zwischen den Orten.

Durchtrainiert, verschwitzt, brutal

Man kann gleichwohl verstehen, wenn treue Bond-Fans ihre Schwierigkeiten haben mit dem neuen Bond, wenn der Blondschopf Daniel Craig - trainiert, schwitzend, mit geringschätzigem bis brutalem Zug um den Mund - den besten Mann im Geheimdienst Ihrer Majestät als dirty young bastard, als zornigen jungen Wilden spielt - und die Versicherung, das sei dem Commander Bond, wie Ian Fleming ihn in den Fünfzigern kreierte, sehr viel näher, tröstet kaum. Zumal Martin Campbell und sein Team anfangs noch mal vorführen, zu welchen Höchstleistungen das Genre fähig ist, wenn sie Bond auf eine Parcours-Verfolgung in Madagaskar schicken, die, Baukräne rauf und wieder runter, die schwerelose Eleganz und schwindelerregende Sinnlosigkeit von Hollywood-Action demonstriert - und leider in einem schlagzeilenträchtigen Desaster endet. So wird Bond auf den Boden der Tatsachen geholt, und das besagt, dass er ein Killer ist, und dass das Töten ein scheußliches Geschäft ist.

Man muss auf vieles verzichten in diesem neuen Film, im Casino wird Texas Hold'em statt Bakkarat gespielt, Q wurde ausgemustert und seine liebevollen mörderischen Gadgets, und selbst die Frage "Geschüttelt oder gerührt?" wird unwirsch mit einem "Do I look as if I give a damn ..." gekontert - was nicht programmatisch gemeint ist, sondern rein situationsbedingt: Man muss sich daran gewöhnen, dass es Momente gibt, in der diese Frage sekundär ist.

Das ist dann doch das Dilemma des Films - dass er die verschiedenen Zeiten nicht wirklich zusammenbringt. Dass er uns die Geburt des Superagenten Bond zeigt - die ersten Auftragsmorde, noch sehr brutal und überadaptiert, schulbubenhafte Abkanzelungen durch M, gespielt von Judi Dench -, aber dennoch in der Jetztzeit spielt, nach Ende des Kalten Kriegs, im Zeitalter des Terrorismus und der Globalisierung. Bond ist ein Mann mit einem Multiple-Persönlichkeits-Syndrom - Craig macht den Eindruck, als könnte er ebenso gut einen Bond-Bösewicht geben, hat der Guardian geschrieben. Natürlich kriegt man die vielen Proll-Rollen nicht aus dem Hinterkopf, die Craig so gerne spielte, Ted Hughes inklusive, den Poeten, der Sylvia Plath heiratete, die Poetin, in dem unterschätzten Biopic "Sylvia" mit Gwyneth Paltrow.

Craigs Bond hat einen Körper, und er hat Probleme mit seiner Identität. Macht Ihnen das nichts aus, wenn Sie diese Leute umbringen, fragt Vesper Lynd, und er: "Ich wäre nicht gut in meinem Job, wenn es das täte." Damit ist man endgültig herausgetreten aus der synthetischen, irrealen Welt der früheren Filme, das ist wie das Erwachen aus einem Traum. Am Ende, nach einer brutalen Foltersequenz, outet Bond sich als Masochist. Und auch der Gegenspieler, Mads Mikkelsen als Le Chiffre, ist ein Schmerzensmann, er vergießt Bluttränen aus dem linken Auge.

Der Film ist ein Initiationsritual, am Ende hat sich der Mann seinen Namen gemacht, das berühmte "Bond, James Bond". Der Film hat den Schnitt vollzogen, ohne falsche Sentimentalität. Er hat starke Akzente gesetzt, hat bisweilen überzogen, aber er hat aus Bond, der auf dem Weg war, ein Dummy zu werden, wieder eine Figur gemacht. Die richtige Bewährungsprobe wird der nächste Film sein, wenn die Serie ihren Rhythmus wiederfinden muss. Wenn die Wunden verheilt sind.

CASINO ROYALE, USA/GB 2005 - Regie: Martin Campbell. Buch: Neal Purvis, Robert Wade, Paul Haggis. Kamera: Phil Meheux. Musik: David Arnold. Schnitt: Stuart Baird. Produktionsdesign: Peter Lamont. Mit: Daniel Craig, Eva Green, Mads Mikkelsen, Caterina Murino, Judi Dench, Jeffrey Wright, Giancarlo Giannini, Clemens Schick, Jürgen Tarrach, Veruschka von Lehndorff. Sony, 145 Min.

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