Filmgeschichte:Gedemütigt

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Bertolucci, Brando und Schneider beim Dreh von "Der letzte Tango". (Foto: AP )

Neue Debatte um Bernardo Bertoluccis "Der letzte Tango in Paris": Maria Schneider soll die brutale Schlüsselszene überrascht haben. Das hat sie nie verwunden.

Von Fritz Göttler

"Das ist widerlich", twittert die Schauspielerin Jessica Chastain, "Ich bin empört" ihr Kollege Chris Evans: "Ich werde nie wieder wie zuvor diesen Film, Bertolucci oder Brando anschauen können." Was wohl auch ein wenig naiv ist. Denn der Film, um den es da geht, Bernardo Bertoluccis "Der letzte Tango in Paris" von 1972, und die Szene, die nun wieder heftig debattiert wird, gehört sicher zu den härtesten, hässlichsten, obszönsten der Kinogeschichte: wenn der einsame alte Amerikaner, Marlon Brando, in der leeren Wohnung in Paris, wo er sich mit dem jungen französischen Mädchen, Maria Schneider, trifft, kommuniziert, verbal, dann auch sexuell, wenn er eines Tages ihr Butter zwischen die Beine schmiert und sie dann von hinten bedrängt und penetriert.

Maria Schneider war damals 19 Jahre alt, und sie hat von der Entwicklung dieser Szene nichts gewusst. Sie hat darunter gelitten, immer wieder in Interviews erzählt, dass dies ohne ihr Einverständnis geschah: "Ich fühlte mich gedemütigt", sagte sie in einem Interview kurz vor ihrem Tod im Jahr 2011, "ich fühlte mich ein wenig vergewaltigt, von Marlon wie von Bertolucci."

In einem Video bestätigte auch Bertolucci den Missbrauch seiner Schauspielerin. Das Video stammt von 2013 und wurde Ende November in einer Aktion zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen neu ins Netz gestellt. Es sei schrecklich gewesen für Maria, sagte Bertolucci, sie habe ihn für den Rest ihres Lebens gehasst. Er fühle sich schuldig, aber seine Entscheidung bereue er nicht: "Ich wollte, dass Maria ihre Erniedrigung, ihren Zorn verspürte, nicht spielte." Eine Kunst, die in ihrer Experimentierbesessenheit vor stärkster Manipulation nicht zurückschreckt, darin ist der "Letzte Tango" ein umstrittenes Produkt seiner postrevolutionären Zeit. Man feierte ihn als Existenzialismus, verdammte ihn als Pornografie. Nun soll die Hollywood Academy Brando und Bertolucci ihre Oscars aberkennen.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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