Filmförderung:Peanuts-Klausel

Seit der Krise werden auch große deutsche Filmstarts von Monika Grütters gefördert. Entzieht sie zugleich den kleinsten Verleihern das Geld?

Von Susan Vahabzadeh

Vielleicht war die Berufsbezeichnung "Filmverleiher" von Anfang an nicht gut gewählt; es schwingt in ihr irgendwie die Vorstellung von Fahrradverleih, bloß fürs Kino mit. In Wirklichkeit ist der Filmverleiher eher ein Verleger, und wie im Verlagswesen gibt es Branchenriesen, mittelständische Unternehmen und sogar Kleinst-Firmen, in denen jemand sich in Selbstausbeutung seiner Sache verschrieben hat. Ohne Verleiher gibt es aber kein Kino, nur Filme, die darauf warten, gezeigt zu werden.

In den letzten Monaten wurde über viele Bereiche der Filmbranche debattiert, die irgendwie die Folgen der Covid 19-Pandemie überwinden müssen. Von Verleihern war da eher selten die Rede, das heißt aber nicht, das sich keiner um sie gekümmert hat. Auf Bundesebene zum Beispiel haben sowohl die Filmförderungsanstalt (FFA) als auch Monika Grütters, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Rettungspakete auf den Weg gebracht, die auch die Verleihförderung betreffen.

Diese Verleihförderung zielte bisher nicht auf den deutschen Kino-Mainstream. Jetzt schon

Das Paket des BKM im Rahmen des Programms Neustart Kultur beinhaltet eine Reihe von Änderungen der Bedingungen, unter denen Verleiher für deutsche Produktionen Förderung beantragen können, außerdem eine Aufstockung der Mittel für Verleih- und Vertriebsförderung um 15 Millionen Euro bis Ende 2021. Die maximale Höhe der Förderung für einen Film wurde auf 150 000 Euro verdreifacht; außerdem durften sich bislang nur Verleiher bewerben, wenn sie einen Film mit weniger als 40 Kopien bundesweit herausbrachten - diese Grenze wurde nun aufgehoben. War die kulturelle Verleihförderung bisher eine besondere Hilfe für kleine Filmstarts jenseits des Mainstreams, soll sie nun auch großen deutschen Filmen mit vielen Kopien zugute kommen.

Oder nur noch den großen? Eine weitere Änderung sorgt jedenfalls für einige Aufregung in der Branche: Es wurde eine Untergrenze für "Herausbringungskosten" eingeführt, sie beträgt 40 000 Euro. Das ist das Geld, das ein Verleih ausgibt, um für den Film zu werben und ihn bundesweit zu vertreiben. Nun gibt es aber eben kleine Verleiher, die ihre Filme für weniger als diese 40 000 Euro herausbringen müssen - für die bedeutet das Rettungspaket faktisch, dass sie nun eine Hilfe nicht mehr bekommen, die sie bislang beantragen konnten.

Könnten die nicht einfach mehr Geld für Werbung ausgeben? Dann wird es unwirtschaftlich, sage Michael Höfner vom Verein AG Verleih, der für die kleineren Verleiher spricht. Er hat mit seiner Firma GMfilms im vergangenen Jahr Thomas Heises Dokumentarfilm "Heimat ist ein Raum aus Zeit" herausgebracht, eine autobiografische Spurensuche zwischen Wien und Berlin, die vorher im Forum der Berlinale lief, dort den Caligari-Preis gewonnen hat und später den deutschen Dokumentarfilmpreis bekam - trotz Auszeichnungen die Sorte Film, die nur ein kleines Publikum erreicht. 20 000 Euro habe der Start gekostet, sagt Höfner, und so konnte er diesen Film ins Kino bringen, "ohne Schulden zu machen".

Auf Nachfrage hat das BKM der SZ geantwortet, die Einführung des Mindest-Herausbringungsbudgets diene dem Ziel, "dass die Filmstarts mit entsprechenden Werbemaßnahmen adäquat begleitet werden können, um die notwendige Aufmerksamkeit des Publikums zu erreichen. Dies erfordert gut ausgestattete Herausbringungsbudgets, wobei die durchschnittlichen Herausbringungskosten für Verleihprojekte in der BKM-Förderung die Untergrenze von 40 000 Euro um ein Vielfaches übersteigen (...). Die Summe von 40 000 Euro ist damit die unterste Grenze, bis zu der eine professionelle bundesweite Herausbringung eines Kinofilms möglich erscheint. Ein zweckgerichteter Einsatz der Förder- und Steuermittel wird somit abgesichert."

Man könnte den Verleihern auch unterstellen, dass sie wissen was profitabel sein kann

Sollte ein Film wie "Heimat ist ein Raum aus Zeit" also gar nicht herauskommen - oder hätte er einfach mit mehr Werbung ein größeres Publikum erreicht? Letzteres wäre schon möglich. Dem steht aber gegenüber, dass es durchaus versierte Verleiher gibt, die davon überzeugt sind, dass sie selbst sehr gut beurteilen können, welches Publikum sie erreichen können, und wann ein Film rentabel ist. Salzgeber beispielsweise ist ein Label, das sich auf Dokumentarfilme spezialisiert hat und, unter anderem, die Filme von Volker Koepp herausbringt, der in seiner langjährigen Karriere allerhand Filmpreise gewonnen hat und sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Viele seiner Filme kamen mit weniger als 40 000 Euro Herausbringungskosten ins Kino, sagt Salzgeber-Geschäftsführer Björn Koll. Salzgeber ist seit den Achtzigern eine feste Größe in der deutschen Filmlandschaft - eine gewisse Professionalität kann man diesem Verleih also unterstellen, wenn er zwar an einen Film glaubt, aber aus Erfahrung abschätzt, dass große Kosten nicht rentabel wären.

"Sparsames Wirtschaften heißt 'Futur Drei' mit unter 40 000 Euro in die Kinos zu bringen, und das wird zukünftig nicht mehr förderfähig sein", so Koll. Seine erfolgreichen Filme wie "Familie Brasch", "Rafiki" oder "Das melancholische Mädchen" seien alle mit Herausbringungskosten um die 30 000 in die Kinos gebracht worden. "Sie haben ihre Verleihvorkosten alle wieder eingespielt".

Generell ist es so: Die FFA fördert Kino vorwiegend unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die Förderung des BKM aber soll kulturellen Zwecken dienen. Vielleicht gibt es zu viele Filme im Kino, so das für den einzelnen nicht genug Publikum übrig bleibt - das wäre aber wohl eher eine Frage der Produktionsförderung. Tobias Lehman vom Münchner Verleih Alamode sieht die Richtlinienänderung positiv, weil die Begrenzung der Kopien wegfalle. Trotzdem hat er Bedenken, dass die kulturelle Ausrichtung der BKM-Förderung in Gefahr sei.

Der Hauptverband Cinephilie, in dem sich einige kleine Verleiher organisiert haben, beklagte nun in einem offenen Brief in der vergangenen Woche die neue Politik. Verbandsgeschäftsführer Jakob Kijas merkt zudem an, dass Entscheidungen über die Verleihförderung schon bisher kaum nachvollziehbar waren, und nennt zwei Beispiele aus den vergangenen zwei Jahren: Angela Schanelecs "Ich war zuhause, aber...", der den Regiepreis der Berlinale gewonnen hat, oder "In My Room" von Ulrich Köhler, damals einziger deutscher Film in Cannes, seien leer ausgegangen.

Michael Höfner vom Verein AG Verleih ärgert sich auch darüber, dass das Ministerium bezüglich der neuen Untergrenze von Herausbringungskosten behauptet, "die zusätzliche Förderbedingung wurde mit den beteiligten Verbänden der Verleihbranche abgestimmt." Dieses Statement sieht Höfner als irreführend an: "Abstimmung impliziert Zustimmung."

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