Filmfestival Venedig:Erweckungserlebnis der alten Kröte

Zu viel Verehrung: Stephen Frears' "Victoria & Abdul" und Frederick Wisemans Dokumentarfilm "Ex Libris - The New York Public Library" beim Filmfestival Venedig.

Von Thomas Steinfeld

Zu den schlimmeren Fehlern, die der Verstand auf seinem Weg durch die Welt begehen kann, gehört die methodische Verehrung. Sie entsteht, wenn man so überzeugt ist von den Qualitäten eines Menschen, eines Gedankens oder eines Werks, dass man diesen Gegenstand über alle Qualitäten erhebt und beginnt, ihm rituell zu dienen. Dann kann man zwar womöglich noch einige Qualitäten aufzählen (darin besteht der Ritus), aber am Ende der Addition gerät der Verehrer ins Stottern, weil ja noch so unendlich viel zu sagen wäre, über alles Sagbare hinaus. Das, was der bewundernde Verstand erreichen will, nämlich einen anderen Verstand von jenen Qualitäten zu überzeugen, findet dann gerade nicht mehr statt: Statt Gründe liefert er Bekenntnisse, und mit solchen können zwar Gleichgesinnte etwas anfangen, nicht aber kritische Köpfe.

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