Filmfestival in Venedig:Coppa Volpi für Katja Riemann

Triumph für die deutsche Schauspielerin Katja Riemann in Italien: Beim Filmfestival in Venedig erhielt die 39-Jährige für ihre Rolle in dem Film "Rosenstraße" von Margarethe von Trotta den Preis für die beste Darstellerin.

Von Fritz Göttler

(SZ vom 8. September 2003) Vielleicht war es einfach der am Lido durchaus beliebte "Kühle Blonde aus dem Norden"-Effekt, der am Samstag Katja Riemann die Coppa Volpi bescherte, als bester Schauspielerin der 60. Mostra in Venedig.

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(Foto: Foto: dpa)

Vielleicht gab es aber auch, so könnte man boshaft sein filmhistorisches Garn spinnen, eine Art Schützenhilfe durch eine der diabolischen Figuren der Weltgeschichte - den Nazi-Reichsminister Joseph Goebbels, der seinerzeit, in den ersten Jahren des Filmfestivals, regelmäßig den Lido heimsuchte und sich dort als Charmebolzen und Frauenheld zu verkaufen versuchte.

In einer der Szenen gegen Ende von Margarethe von Trottas "Rosenstraße", dem deutschen Wettbewerbsbeitrag in Venedig, versucht Katja Riemann zu eben diesem Goebbels vorzudringen, um für ihren verhafteten jüdischen Mann die Freiheit zu erbitten. Diese Episode ist ein faszinierendes lichtes Intermezzo in einem düsteren historischen Drama über Berliner Frauen, die für ihre eingesperrten Männer auf die Straße gehen.

Dass der Film vielfach als simples feministisches Politstück verkauft wird - tapfere Frauen, handlungsschwache Männer -, dafür kann Katja Riemann, die stärkste Frau im Ensemble, sicher überhaupt nichts. Seit zehn Jahren sorgt sie für Farbe, Temperament, Anarchie im deutschen Kino, eine Frau, die oszilliert zwischen Engagement, Lebenslust und Verzweiflung.

Und auch vor dem Unergründlichen, dem Bösen nicht zurückschreckt - siehe die mörderische "Apothekerin" im gleichnamigen Film nach dem Roman von Ingrid Noll: "Eine Figur", hat Regisseur Rainer Kaufmann erklärt, "die beinahe etwas Ikonenhaftes hat, wo man aus dem Film rausgeht und so ein Bild von ihr im Kopf hat, ein Gesicht, das präsent ist, wo man aber nicht genau weiß, was die Figur denkt. Trotzdem begreift man, was für Abgründe in ihr schlummern."

In der Jugend war Katja Riemann, geboren 1963 in Kirchweyhe, aufs Theater fixiert, hat Ballett studiert und von der Arbeit mit Pina Bausch geträumt, wurde Mitte der Achtziger von Dieter Dorn an die Kammerspiele geholt, für Rollen in "Faust", Botho Strauss' "Besucher", Racines "Phädra" - nur das ersehnte "Käthchen" blieb ihr versagt.

1989 kam der Durchbruch im Tatort "Katjas Schweigen": Eine junge Frau versucht den Tod ihres Bruders aufzuklären, dabei aber keinerlei Einblick in ihr Leben zu geben. (Ihr Schimanski-Partner Götz George hatte 1995, für den "Totmacher", in Venedig die Coppa Volpi bekommen.)

Nach diesem Start kamen markante Kino-Stücke, von denen man sprach in den Neunzigern, "Der bewegte Mann" von Sönke Wortmann, "Stadtgespräch" von Rainer Kaufmann, "Bandits" von Katja von Garnier, "Comedian Harmonists" von Joseph Vilsmaier, "Balzac" mit Depardieu, "Bibi Blocksberg", von Hermine Huntgeburth.

"Sie macht es immer hintenrum und beeinflusst so ein bisschen das Schicksal", hat Rainer Kaufmann gesagt, das gilt auch für den Dreh mit Goebbels. Aber dann setzt sich Katja Riemann ans Klavier und nun gibt es ein paar Minuten reines Glück, Naivität, Selbstvergessenheit. Der Käthchentraum!

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