Filmfest München: John Malkovich:Nomade der Experimentierlust

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Ob bei einem Riesenblockbuster oder bei einem winzigen Projekt - John Malkovich geht jede Rolle mit derselben unbändigen Lust am Experiment an. Eine Diva ist der "Transformers"-Mitkämpfer deswegen noch lange nicht, wie sich beim gemeinsamen Lunch zeigt.

Susan Vahabzadeh

John Malkovich war das Highlight des diesjährigen Münchner Filmfestes, und dass er morgen, wenn es noch mal die Gelegenheit gibt, seine einzige Regiearbeit aus dem Jahr 2001 zu sehen, "Der Obrist und die Tänzerin" (Samstag, 14.30 Uhr, Cinemaxx 6), nicht dabei sein kann, das tut ihm ein wenig leid. Schade, grummelt er, während er sich beim Mittagessen unter den Sonnenschirm duckt, da bin ich schon in Versailles.

John Malkovich: "Man spielt immer mit etwas, was nicht da ist. Man gibt vor, jemand zu sein, der man nicht ist, und an einem Ort, wo man nicht ist, Dinge zu tun, die man nicht tut." (Foto: dpa)

Javier Bardem hat damals für Malkovich einen Polizisten in einem korrupten, nicht näher bezeichneten lateinamerikanischen Land gespielt. Er jagt einen Terroristen, Abimael Guzman vom "Leuchtenden Pfad" nachempfunden, und verliert unterwegs sein Herz an die Tanzlehrerin seiner kleinen Tochter.

Als der Film fertig war, hatte der 11. September den Terrorismus zum wichtigsten Thema überhaupt gemacht, und die Menschen aber andererseits verängstigt. Für eine komplexe Geschichte, die der üblichen Parole, dass des einen Terrorist des andern Revolutionär ist, so gar nicht folgt, war die Zeit dann doch nicht recht.

Guzman hatte seine Doktorarbeit über Kant geschrieben. Ein lausiger Kantianer, sagt Malkovich. "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir", zitiert er Kant. "Das ist ein großer Satz, wenn ihn Martin Luther King zitiert - aber Guzman? Irgendwie werfen Tausende Tote doch einen Schatten auf jemanden, der vorgibt, für eine gute Sache zu kämpfen."

Malkovich hat, sagt er, sich dann nicht mehr um eine weitere Filmregie bemüht - weil es immer genug zu tun gab. Er führt auch am Theater Regie, im Herbst wird er in Paris beispielsweise eine neue Fassung der "Gefährlichen Liebschaften" inszenieren, mit ganz jungen Schauspielern.

Komische Erholung fürs erwachsene Publikum

Man kann sich denken, wie Michael Bay seinen dritten "Transformers"-Film, "The Dark of the Moon", angepackt hat. Für den zweiten wurde er nicht gerade mit Lob überhäuft, er wollte sich wohl mit jenen Publikumsschichten aussöhnen, für die ein computergeneriertes Spektakel mit wandlungsfähigem Riesenspielzeug allein noch kein Grund ist, ins Kino zu gehen.

Die Mädchen, die die Jungs ins Kino begleiten, werden also mit Doktor McDreamy aus "Grey's Anatomy" bei der Stange gehalten. Und dann doch auf eine Weise, die die Jungs nicht ärgert: Patrick Dempsey spielt den Bösewicht, zwar den attraktivsten Bösewicht seit langem, was aber auch Shia LaBeouf als Sam Witwicky als eher störend empfindet, weil seine neue Freundin - das Model Rosie Huntington-Whiteley hat Megan Fox ersetzt - bei diesem Schönling angeheuert hat und sich von ihm mit kostspieligen Geschenken verwöhnen lässt. Aber Sam sitzt ja, mit einem Transformer als Kumpel, am längeren Hebel.

John Malkovich, Frances McDormand und John Turturro, allesamt Helden des amerikanischen Schauspiel-Kinos, haben in diesem Film noch mal eine andere Aufgabe - sie liefern komische Erholung fürs erwachsene Publikum. Man sieht deutlich, dass Malkovich großen Spaß hatte an seinem Auftritt als von Farben besessener Bürofreak, der Sam Witwicky einen Job gibt.

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War das ungewöhnlich, für eine Szene mit erstaunten Kinderaugen einen Transformer anzugucken, der gar nicht da ist? "Nein, denn eigentlich spielt man immer mit etwas, was nicht da ist. Man gibt vor, jemand zu sein, der man nicht ist, und an einem Ort, wo man nicht ist, Dinge zu tun, die man nicht tut.

Schauspielerei ist eben Verstellung. Und man muss immer verstehen, dass man als Schauspieler nicht die Kontrolle hat. Ich würde die meisten Filme, die ich gedreht habe, anders schneiden - das heißt nicht, ich würde es besser machen, aber ich würde es anders machen. Und ob man mit einem Roboter spielt, der nicht da ist, oder in einer Szene zu sehen ist, die man nicht verwendet hätte - das läuft irgendwie aufs selbe hinaus."

Gelegentlich muss man Filme machen, sagt Malkovich, die richtig viel Publikum erreichen. Als Schauspieler kann er einem kleinen Film nur helfen, wenn er bekannt ist.

Aber bei der Arbeit selbst scheint es ihm egal zu sein, ob er mit Riesenbudget dreht oder nicht, ob es auf der Bühne ist - er tourt immer noch mit "Giacomo Variations" und "The Infernal Comedy" über Jack Unterweger durch Europa. Er geht jede Rolle, wenn er sich denn einmal entschieden hat, sie anzunehmen, mit derselben Spielfreude an und mit derselben unbändigen Lust am Experiment, und da macht es eben keinen Unterschied, ob es sich um einen Riesenblockbuster in der Größenordnung von "Transformers" handelt oder um ein winziges Projekt wie "Colour Me Kubrick", der beim Filmfest lief.

Den hatte sich Malkovich zur Begleitung seines CineMerit Awards vom Filmfest gewünscht, weil er in Deutschland noch nie gelaufen ist - was aber nicht bedeutet, dass er den Film für vollkommen hält; "Colour Me Kubrick" ist ein wenig anekdotenhaft, mehr Berechnung hätte hier nicht geschadet.

Aber Malkovichs schwulen Betrüger Alan Conway, der sich in London als Stanley Kubrick ausgibt - "meine einzige Theatervorstellung fürs Kino" - muss man irgendwie lieben. Einmal legt Conway einen großen Heul-, Liebeschwur- und Selbsterniedrigungsauftritt hin, als er versucht, einen Liebhaber, der ihm auf die Schliche gekommen ist, gnädig zu stimmen, klammert sich jammernd an den Geliebten, und schielt dann nach oben, um nachzusehen, ob er schon den gewünschten Effekt erzielt hat. Das ist zauberhaft und komisch, obwohl der Kerl, den er da spielt, gewissenlos und selbstsüchtig ist. Malkovich gibt all seinen Geschöpfen Charme mit.

Mit dem Resultat nicht immer glücklich

Alles ist eine Erfahrung, jeder Film und jedes Stück Inspiration und Lehre fürs Leben. "Transformers" auch: "Ich war total geschockt, als ich den fertigen Film sah - was man heute am Computer generieren kann, ist erstaunlich! Ich finde das spannend, und es wird ja immer billiger, völlig fremde Welten entstehen zu lassen - würde man heute 'Mary Reilly' drehen, könnte man das London des 19. Jahrhunderts dafür entstehen lassen."

Wenn man sich lange genug mit ihm unterhält, dann wird deutlich, dass er bei manchen der siebzig Filme, die er gemacht hat, mit dem Resultat nicht glücklich ist - und manchmal aus Gründen, die ihm schon vorher klar waren.

Bei einem richtig guten Schauspieler kann man natürlich nie wissen - aber sollte John Malkovich irgendetwas Divenhaftes an sich haben, dann verbirgt er es sogar in Momenten, in denen auch Menschen, nach denen kein oscarnominierter Film benannt ist, zickig werden. Er hatte sich zum Lunch eigentlich Gemüse bestellt - und kriegt Lachs. Das ist doch aber gar nicht das, was er bestellt hat? "Nein", sagt er ganz ruhig und ohne jede Spur von Ärger, "aber Lachs ist auch in Ordnung", greift nach den Stäbchen und spart seine Energie, um für Dinge zu kämpfen, die es wert sind - einen Film vielleicht oder eine neue Inszenierung.

© SZ vom 01.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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