Etwas wird sichtbar - der Titel seines wohl bekanntesten Films hatte etwas Beruhigendes, etwas Tröstliches. Er steht für ein Werk, das sich einem genauen Blick verschrieben hat, der insistent ist, aber doch behutsam den Bildern gegenüber, sie kritisch rannimmt, aber nie mit Besserwisserei malträtiert, der nicht entlarven will, sondern moduliert. In Farockis Blicken haben die Bilder sich verwandelt.
Das Unsichtbare hat ihn fasziniert. Das, was die Bilder nicht zeigen - was nicht auf ein Verschweigen hinausläuft, eher auf unsere Unfähigkeit zu sehen. In seinen Texten und Filmen und Installationen wird deutlich, wie der Blick auf die Realität sich verändert hat seit den Sechzigern - und damit die Realität selbst. In den Sechzigern haben Farocki, Hartmut Bitomsky, Holger Meins und andere versucht, einen neuen Begriff vom politischen Film zu entwickeln, in dem Politik nicht nur inhaltlich bestimmt wurde, sondern erst mal über die Formen. Es genügte nicht mehr, in die Fabriken zu gehen und dort engagierte Schauspieler Arbeiterprobleme spielen zu lassen. Es galt Godards berühmte Formel, nicht politische Filme zu machen, sondern Filme politisch.
Im Zuge der Studentenproteste wurden Farocki und Co. relegiert, sie wechselten zur Zeitschrift Filmkritik - die Texte, die Farocki hier schrieb, lesen sich wie Montagearbeit am Schreibtisch -, durften bald eigene Filme drehen. Etwas wurde sichtbar, in den Bildern, die es vom Vietnamkrieg gab, oder in denen aus dem Zweiten Weltkrieg, sogar aus den Konzentrationslagern, wo nicht fotografiert werden durfte. Bei Farocki verschmolz der Blickende, der Autor, mit seinem Objekt. "Heute nehme ich das nicht mehr so wörtlich mit dem ,den Kopf hinhalten'. Damit eine Sache persönlich ist, muss man da die Ich-Form benutzen? Wahrscheinlich nicht. Man kann sein Gesicht zeigen und sich verstecken, und man kann das Ich vermeiden, ohne ins Allgemeine auszuweichen."
Fasziniert von Rollenspielen
Farocki, geboren 1944 in Nový Jiín (Neutitschein, heute Tschechien), filmte Manager in Handlungs- und Taktikseminaren, Playboy-Fotografen bei der tagelangen Arbeit mit einem Model, er studierte intensiv die subjektlosen Blicke der neuen Aufklärungsflugzeuge und Bomber, wie sie die militärischen Institutionen in den USA entwickelten. Das Drohnenzeitalter hat in seinen Arbeiten viele Jahre früher begonnen.
Rollenspiele faszinieren ihn, in denen die Wirklichkeit ihren imaginären Charakter enthüllt, als wär sie selbst ein Brechtsches Lehrstück. Eine Gemeinschaft derer vor und derer hinter der Kamera: "Heute ist das alles einfacher, heute gehört es zur sozialen Kompetenz, das Gefilmtwerden ... Das hat auch damit zu tun, dass die Rollendistanz viel größer ist heute - bei allen Menschen. Sogar in der Rüstungsindustrie kann man heute mit Leuten über Waffen diskutieren."
In den letzten Jahren hat Farocki lieber in Museen gearbeitet als für TV-Sender oder fürs Kino - er hat aber immer Christian Petzold geholfen, wenn der seine Filme entwickelte. In der Installationsarbeit ist sanftes strategisches Gespür durchgedrungen - die Organisation der Vorarbeiten für "Deep Play" für die Documenta 12, einer Installation zum WM-Endspiel 2006 in Berlin, auf zwölf Monitoren: Etwas wird sichtbar werden .... Eine Heiterkeit ist plötzlich in seinem Werk aufgetaucht. Am Mittwoch ist Harun Farocki im Alter von siebzig Jahren gestorben.